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Physikalische und messtechnische Grundlagen (Teil 6)

Vermeidung gefährlicher Spannungen in Erdungsanlagen



zu Teil 5: Potentialverschleppung in Erdungsanlagen

Bis jetzt haben wir uns intensiv damit auseinander gesetzt, welche Folgen Ströme durch die Erde haben und welche Gefahren in Form unzulässiger Berührungs- und Schrittspannungen daraus resultieren können. Lassen sich bei gegebenen Konstellationen diese Spannungen nicht vermeiden, müssen wir in der elektrischen Anlage gezielte Maßnahmen anwenden, diese Spannungen auf ein vertretbares Maß zu reduzieren. Im Kern gilt: »Alles was nicht sicher getrennt werden kann, wird leitend miteinander verbunden.« So plakativ dieser Satz auch klingt, es steckt doch eine sehr wahre Aussage darin.

Die Maßnahmen, die wir, bei gegebener Anlage, anwenden sind
  • Potentialausgleich sowie
  • Potentialsteuerung.

Potentialausgleich

Unter Potentialausgleich verstehen wir das »Herstellen elektrischer Verbindungen zwischen leitfähigen Teilen, um Potentialgleichheit zu erzielen«, so die Aussage in der DIN VDE 0100-200.

Der Gedanke ist naheliegend. Werden leitfähige Teile leitend mit­einander verbunden, kann zwischen ihnen maximal das Potential auftreten, welches sich aus dem Ausgleichsstrom durch die Verbindung und ihrer Impedanz ergibt. Wir kennen den Potentialausgleich als Schutzpotentialausgleich über die Haupterdungsschiene aus der ­Gebäudeinstallation. Dort werden alle in das Gebäude eingeführten, leitfähigen Teile, welche das Potential einer fernen Erde führen ­können, mit der örtlichen Erde und den Schutzleitern der Betriebsmittel leitend verbunden. Potentialdifferenzen werden hierdurch aktiv minimiert.

In bestimmten Bereichen wird ein solcher Potentialausgleich in ­Anlagen zusätzlich noch einmal ausgeführt, um Berührungsspannungen weiter zu minimieren. Auch kennen wir diese Maßnahme als zusätzlichen Potentialausgleich, wenn die Abschaltbedingungen nach DIN VDE 0100-410 nicht eingehalten werden können. Potentialausgleich findet aber auch dort Anwendung, wo sich leitfähige Teile im Einfluss des elektrischen Potentials einer Erdungsan­lage befinden. Nehmen wir noch einmal das Beispiel mit dem Anlagenzaun um die Hochspannungsanlage. Wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass im Falle von Erdfehlern in dieser Anlage unzulässige Berührungsspannungen zwischen den einzelnen Zaunpfählen auftreten können, müssen diese untereinander leitend verbunden werden.

Potentialsteuerung

Bild 15: Prinzipieller Verlauf der Feldstärke und des Potentials eines Kugelerders in radialer Richtung
Bild 15: Prinzipieller Verlauf der Feldstärke und des Potentials eines Kugelerders in radialer Richtung
Die Maßnahme Potentialsteuerung verfolgt ebenfalls den Ansatz, das Auftreten gefährlicher Spannungen zu vermeiden. Mit der Potentialsteuerung sollen die auftretenden Potentialdifferenzen durch aktive Beeinflussung des Potentialverlaufs über der Erdoberfläche begrenzt und nach Möglichkeit Flächen nahezu gleichen, elektrischen Potentials – sogenannte Äquipotentialflächen – geschaffen werden. Hierzu gibt es vielfältige Maßnahmen. So können z.B. Erdungsanlagen mit­einander zu Maschen verbunden oder – wo dies nicht möglich ist – miteinander verbunden werden. Hierdurch entsteht in einem größeren Bereich nahezu Potentialgleichheit.

Eine weitere, bekannte Maßnahme zur Potentialsteuerung ist die elektrische Kontaktierung und leitfähige Verbindung der Armierung von Gebäuden mit Stahlbeton. Auch dies erzeugt große Flächen ­gleichen Potentials und wird z.B. in landwirtschaftlichen Stallungen angewendet. Eine Steuerung der Schrittspannung wird auch erreicht, wenn zusätzliche Ringe aus leitendem Material im Erdboden verlegt und mit der Erdungsanlage verbunden werden. Hierdurch wird der Potentialverlauf, wie z.B. schon in vorhergehenden Teilen der Reihe dargestellt (»Teil 3: Erdung: Der Spannungstrichter« in »de« 22.2017  und »Teil 4: Erdung: Praktische Messung und Bewertung der Ergebnisse« in »de« 3.2018), abgeflacht (Bild 15). Dies führt zu geringeren Schritt- und Berührungsspannungen. Solche Maßnahmen werden sehr häufig im Bereich von Mittelspannungsstationen oder auch im Bereich von Ableitungen des ­äußeren Blitzschutzsystems angewendet.

Die richtige Maßnahme zu definieren, ist eine wichtige Aufgabe bei der Planung und Errichtung einer elektrischen Anlage. Werden solche Maßnahmen definiert, ist ihre Wirksamkeit durch Berechnung, Erprobung und Messung zu belegen und der Zustand der Anlage betriebsbegleitend zu überwachen.

Fazit

Wie ich Ihnen in diesem kurzen Streifzug durch die elektrische Erde hoffentlich zeigen konnte, ist diese nicht so neutral und unbeteiligt wie wir uns das gemeinhin denken. Immer wenn Strom durch die Erde fließt, werfen sich aus elektrotechnischer Sicht elementare Fragen der Sicherheit, Verträglichkeit und funktionalen Beeinflussung auf, von denen ich Ihnen, liebe Leser, hier nur einen kleinen Auszug und Überblick bieten konnte. Wir, als die Fachleute für elektrische Anlagen, sind gefragt, die Situationen vor Ort in den Anlagen richtig zu bewerten, Gefahren zu erkennen und die richtigen Maßnahmen zu treffen.

Erdung ist spannend, anspruchsvoll und ein wesentlicher Teil von elektrischen Anlagen. Ich hoffe, ich konnte Sie mit dieser »Spannung« für das Thema Erdung begeistern und Sie animieren, mit ­offenen Augen für dieses Thema durch die Welt zu gehen.

(Ende der Beitragsreihe)
Über den Autor
Autorenbild
Dipl.-Ing. (FH) Holger Niedermaier

Dozent an der staatlichen Technikerschule für Mechatroniktechnik in Herzogenaurach für allgemeine Elektrotechnik, elektrische Maschinen und Antriebe sowie Mechatronische Systeme. Zertifizierte Blitzschutzkraft, VdS-Sachverständiger zum Prüfen elektrischer Anlagen. Mittlerweile ist er mit eigenem Sachverständigen- und Ingenieurbüro in der Metropolregion Nürnberg-Erlangen selbständig.

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