Praxisfrage

Ausbesserung eine "verPENnten" Anlage

M. F. aus Bayern | 04.04.2014

TN-C-S-System

Wir haben den Auftrag in einem Bürogebäude - Baujahr schätzungsweise um 1950/60 - die Elektroinstallation (ortsfeste Anlagen) nach DIN VDE 105-100 / BGV A3 wiederkehrend zu prüfen. Eine regelmäßige Überprüfung der Anlage wurde bisher nicht durchgeführt. Alt- und Neuinstallation sind gemischt vorhanden (d.h. „Alt“ sind 2-Leiter Technik teilw. rot/schwarz oder grau in altem Metallrohr mit Innenbeschichtung, „neu“ Verteiler SKII, Baujahr etwa 2000 teilw. mit RCD für Steckdosen, wie heute üblich und auch gefordert). Da keine Dokumentation der Erstprüfung vorliegt und auch Legenden und Pläne nur sehr dürftig gepflegt wurden, ist der Aufwand natürlich beträchtlich. Meiner Meinung nach muss auch die Beschriftung der Stromkreise/Steckdosen und die Dokumentation nachgebessert/geprüft werden und nicht „nur die technische Sicherheit“ geprüft werden. Wie sind Anlagen mit 2-Leiter Technik zu prüfen/zu messen (Isolationsmessung L-PEN? –> Angeschlossene Verbraucher…) und zu beurteilen? Klare Empfehlungen (z.B. Umbau auf TN-S System wie in DIN VDE 0100-444 für Gebäude mit IT gefordert (->Bürogebäude) sowie Einbau von RCD´s für Steckdosen) würde ich in einem Ergänzungsblatt an das Prüfprotokoll anheften. Ist es richtig, dass eine Umrüstung der Anlage auf TN-S zu empfehlen ist, jedoch nicht gefordert werden kann? Oder gilt für solch eine alte Anlage etwas anderes? Es sind teilweise alte Gusseisen-Verteiler mit Diazed Sicherungen vorhanden. Der Kunde möchte diese gegen neue Typgeprüfte SKII Verteiler getauscht haben. Die neuen Verteiler sollen einen Teil für die bestehende Installation (TN-C) und einen Teil für neu dazukommende Stromkreise (TN-S), natürlich nach neuer Norm, haben. Das wäre zumindest ein Anfang. Darf ich an einen neuen Verteiler die bestehende 2-Leiter Installation wieder anschließen? Die Zuleitung ist ebenfalls nur 4-Adrig (schwarz, rot, grau) und nur sehr schwer auszutauschen. Der Kunde ist durchaus bereit und hat Verständnis auch die bestehende Installation nach und nach auszubessern, jedoch kann dies nicht auf einmal durchgeführt werden. M. F., Bayern

Liebe Leser der Fachzeitschrift “de”,
Zur Beantwortung dieser Frage lassen sich einige Beiträge der Fachzeitschrift "de" heranziehen. Wir empfehlen unseren Lesern zu diesem Thema die Lektüre folgender Beiträge:

E-Check in einem betagten Hochhaus

Bestandsschutz und E-Check

Umbau historischer Gebäude

Klassisch genullte Stromkreise neben TN-S-Stromkreisen

Mit freundlichen Grüßen
Michael Muschong, Redaktion “de”

pp14112

Kommentare aus der Community (1)

A. H.

Sachsen

18.11.2019

08:58 Uhr

VDE 0105-100 : 2009 – 10 enthält unter 5.3.101.1.4 die Anforderung, daß bei Wiederholungsprüfungen festgestellt werden muß, ob die Schutzmaßnahmen bei indirektem Berühren noch den Errichtungsnormen entsprechen. Dazu muß bei Schutzmaßnahmen mit Schutzleiter darauf geachtet werden, dass Schutzleiter, Erdungsleiter und Potentialausgleichsleiter mindestens den geforderten Querschnitt haben und bei Schutzmaßnahmen ohne Schutzleiter darauf geachten werden muß, dass bei nichtleitenden Räumen die Körper so angeordnet sind, dass ein gleichzeitiges Berühren von zwei Körpern oder von einem Körper und einem leitfähigen Teil nicht möglich ist.

In den angegebenen Baujahren wurde die Installation von zweiadrigen Leitungen auch durchgeführt, wenn es sich dabei um sogenannte isolierte Räume handelte. Die Steckdosen waren dabei auch Steckdosen ohne Schutzkontakt. Als Heizung war damals möglicherweise noch Ofenheizung vorhanden.
Wenn noch Steckdosen ohne Schutzkontakt vorhanden sind, besteht rein formal aus rein elektrotechnischer Sicht Bestandsschutz.
Wenn man aber feststellt, daß sich in den Räumen zentrale Heizungssysteme befinden, ist möglicherweise eine nicht elektrotechnische Veränderung erfolgt, die aber hinsichtlich der Schutzmaßnahme einen gravierenden Eingriff darstellt. Es liegt dann kein Bestandschutz mehr vor, VDE Ausschuss Sicherheits- + Unfallforschung Arbeitsgebiete Elektrogeräte, H.Bauer, R.Irion Heizungseinbau in Altbauten – Stromschlag in der Wohnung verhindern.
Als umsichtige Fachkraft muß man dann im Sinne der Gefährdungsbeurteilung mitteilen, daß die Anlage nicht mehr dem Prinzip des Einzelfehlerschutzes genügt und damit unzulässig ist.
Bei dem Einzelfehler Neutralleiterbruch vor den Steckdosen, z.B. durch Anbohren, Klemmenlockerung, Kontaktfehler in den Steckdosen oder bei einem Körperschluß im Gerät und der Verwendung von Geräten der Schutzklasse 1 besteht die Möglichkeit einer unzulässigen Berührungsspannung am Gehäuse.

Da den Mietern die Anwendung von Verlängerungsleitungen kaum untersagt werden kann, muß man die Frage aus VDE 0105-100 nach den gleichzeitig berührbaren Körpern in Wohnungen immer bejahen.
Es muß dann entweder die Anlage generell angepaßt werden und müssen gleichzeitig kurzfristige technische Maßnahmen und besondere Verhaltensmaßregeln wie die Einschränkung, daß ortsveränderliche Betriebsmittel der SK 1 nicht oder nur mit zusätzlichen Schutzmaßnahmen betrieben werden dürfen, den Mietern mitgeteilt werden.
Wenn wie heute allgemein üblich Steckdosen mit Schutzkontakt in klassischer Nullung installiert sind und zentrale Heizungssysteme existieren, muß sehr genau geprüft werden, wann diese Steckdosen installiert worden sind.
Zulässig war das wohl nach VDE 0100/12 1965 bis VDE 0100/5 1973. Der Installateur sollte sich dieses Installationsdatum sehr genau nachweisen lassen, da nur dann möglicherweise noch Bestandschutz besteht.
Wenn keine Unterlagen zum Datum der Erstprüfung oder Umbau von Steckdosenstromkreisen auf Schutzkontakt vorliegen soll man immer von der Installation ab 1973 ausgehen und damit dem Verbot der klassischen Nullung.

Gleichzeitig muß geprüft werden, wann die Zentralheizungssysteme eingebaut oder gegebenenfalls auch erneuert wurden. Ist ein Nachweis des Installationsdatums für beide Fragen durch den Betreiber nicht nachweisbar oder liegt dieses Datum nicht vor 5/1973 ist der Bestandschutz nicht gegeben.
Seit 1973, VDE 0100 / 5.73 § 6 a) 1.1., 1.2. und 1.3. war es daher Pflicht im Neubau anstelle zweipoliger Endstromkreise dreipolige Leitungen mit getrenntem Schutzleiter einzusetzen und diese unter bestimmten Bedingungen nachzurüsten.
Selbst wenn das Installationsdatum der klassischen Nullung vor 1973 liegt, muß eine Zulässigkeit der Anwendung des Bestandsschutzes unter Berücksichtigung des Prinzips des Einfehlerschutzes für elektrische Anlagen stark angezweifelt werden.
Beim Auftreten eines einzelnen Fehlers darf noch kein Schaden für Leib und Leben oder Sachwerte entstehen. Dieses Prinzip ist in der Anlage für den oben beschriebene Anlagenfehler Neutrallleiterbruch in der Anlage nicht gegeben.
Selbst bei Einsatz von Steckdosen RCD besteht ein bedingter Schutz nur wenn im RCD der PE nicht mit dem Neutralleiter verbunden ist, das entspricht der der „Installation eines Fehlerstromschutzschalters ohne Mitführung des Schutzleiters, VDE 0100 : 2001 – 05 Beiblatt 2 informativer Anhang C a).“
Bis zum 1. März 2002 war in den neuen Bundesländern diese Übergangslösung des zusätzlichen Einbaus eines Fehlerstrom-Schutzschalters (30-mA-RCD) möglich, wodurch bei bestimmten Fehlern bereits eine Abschaltung erreicht wird, wenn nur ein Strom von 30 mA zur Erde fließt.
Die Einschränkung der Zulassung dieser provisorischen Lösung war erforderlich, da ein Fehlerstrom- Schutzschalter als Schutz bei indirektem Berühren in TN-C-Systemen für den Fehlerschutz nicht verwendet werden darf.
Der Einzelfehler Bruch oder des Lösen eines Neutralleiters der zweiadrigen Leitungen in der Anlage würde dazu führen, daß beim Benutzen elektrischer Betriebsmittel der Schutzklasse 1, mit Schutzleiter, über die sonst der Schutzmaßnahme klassischen Nullung dienende Verbindung in der Steckdosen zwischen Neutralleiter, Nulleiter und Schutzkontakt in der Steckdose eine für den Menschen gefährliche Betriebspannung unmittelbar auf das Gehäuse des Betriebsmittels gelangt und die Person einen elektrischen Schlag mit möglicher Todesfolge erleiden kann. Dieser Fehlerstrom wird durch die RCD nicht erfaßt, da L und N Strom gleich sind.
Eine Abschaltung durch Sicherungen erfolgt in diesem Fall nicht, da der dafür notwendige Stromkreis ja unterbrochen ist. Das ortsveränderliche Betriebsmittel läuft in dem Fall nicht an.
Dieser Fehler kann durch den Mieter abgeprüft und ausgeschlossen werden, wenn nur schutzisolierte Geräte verwendet werden oder wenn vor dem Einsatz von Geräten mit Schutzleiteranschluß, z.B. Bügeleisen durch den Benutzer mit einem schutzisolierten Gerät, z.B. Föhn getestet wird, daß der Stromkreis funktioniert, d.h. kein Neutralleiterbruch vorliegt. Über diese Verhaltensregeln muß der Vermieter die Mieter unterrichten.
Kurzfristige Zwischenlösungen wie Einsatz der o.g. Maßnahmen aus dem Bleiblatt 2 oder PRCD sollten auf alle Fälle vorübergehend mit Frist höchstens ein Jahr vorgeschlagen werden.
Auf Grund der beim aufgezeigten Fehler entstehenden unvermeidlichen Durchströmung im Fehlerfall muß die Abschaltzeit der RCD minimiert werden, was man auch durch Einsatz von PRCD 10 mA erreichen kann.
Der RCD 10 mA muß bei 5 x idn = 50 mA in 40 ms abschalten, VDE 0664. Der 30 mA RCD hat bei 50 mA etwas mehr Zeit zwischen 150 ms und 300 ms, VDE 0664 und damit ein höheres Risiko.
Als Alternative für diese Zusatzmaßnahmen bleibt nur der Ersatz der elektrischen Anlage mit Zweileiterinstallation durch Installation mit drei Adern.
Diese Hinweise sollte der E-Check und die Rechnung mindestens enthalten und vom Auftraggeber, Vermieter unterschrieben werden. Auch eine Bezahlung der Rechnung kann dann eine Kenntnisnahme sein.
Riso Messungen würde ich immer mit L / PEN ausführen mit 250 V, da das die BM
aushalten nach Bemessung aushalten müssen.

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