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Verschleißerscheinungen

Oberflächenermüdung bei Wälzlagern

Quelle: SKF
Quelle: SKF
Bild 1: Erhebliche Veränderungen der Laufbahnprofile entstehen unter anderem durch Mangelschmierung
Bild 1: Erhebliche Veränderungen der Laufbahnprofile entstehen unter anderem durch Mangelschmierung
In manchen Anwendungen können Wälzlager infolge von Mangelschmierung, vorhandenen Schleifpartikeln, Korrosion, Schwenkbewegungen und anderen Ursachen einen erheblichen Materialabtrag (Verschleiß) aufweisen. Ein solcher Verschleiß kann sich wiederum nachteilig auf den Betrieb der Lager auswirken; angefangen bei der Reduzierung der Vorspannung bis hin zu potenziell kata-strophalen Folgen. Eine häufige und vielleicht unerwartete Folge von ungleichmäßigem Verschleiß an den Lagerlaufbahnen ist das zunehmende Risiko von Oberflächenermüdung. In einigen Anwendungen ist es nicht ungewöhnlich, dass entlang der Laufbahn Bereiche bzw. Bänder mit Oberflächenzerrüttung oder Ausbrüchen auftreten. Die Veränderung des Laufbahnprofils durch ungleichmäßigen Verschleiß führt zu Spannungskonzentrationen in diesen Bereichen mit höheren lokalen Hertzschen Pressungen und geringeren Schmierfilmdicken.
Bild 2: Mit der Zeit können Veränderungen der Laufbahnprofile Spannungskonzentrationen in den Lastzonen hervorrufen, die eine Zunahme der lokalen Oberflächenermüdung bewirken können
Bild 2: Mit der Zeit können Veränderungen der Laufbahnprofile Spannungskonzentrationen in den Lastzonen hervorrufen, die eine Zunahme der lokalen Oberflächenermüdung bewirken können
Wälzlager, die unter Mangelschmierung leiden oder mit vorhandenen Schleifpartikeln oder flüssigkeitsbedingten Verunreinigungen betrieben werden, können erhebliche Veränderungen der Laufbahnprofile aufweisen (Bild 1); insbesondere, wenn – bedingt durch die Lagergeometrie – ein kinematischer Schlupf mit ungleichmäßigem Gleitverhalten vorliegt. Mit der Zeit können diese Veränderungen Spannungskonzentrationen in den Lastzonen hervorrufen (Bild 2), die eine Zunahme der lokalen Oberflächenermüdung bewirken können, wodurch Bänder mit (Mikro-)Ausbrüchen entlang der Laufbahnen entstehen (Bild 3). Diese potenzielle Schadensart kann sich bei jedem Wälzlager zeigen, aber Anwendungen mit starker Verschmutzung, Korrosion, Mangelschmierung und ungleichmäßigem Gleitverhalten oder veränderlicher Belastung sind hiervon am stärksten betroffen. Entsprechende Beispiele findet man im Bergbau, der Papier- und Zellstoffindustrie, bei Windenergieanwendungen und in anderen Bereichen.
Bild 3: Durch die Zunahme der lokalen Oberflächenermüdung entstehen wiederum Bänder mit (Mikro)Ausbrüchen
Bild 3: Durch die Zunahme der lokalen Oberflächenermüdung entstehen wiederum Bänder mit (Mikro)Ausbrüchen
Der Verschleiß von Wälzlagern ist ein nichtlineares Phänomen. In regelmäßigen Abständen durchgeführte Beobachtungen und Messungen des Wälzlagerverschleißes zeigen, dass reine »Intuition« nicht ausreicht, um vorherzusagen, wie sich der Verschleiß im Laufe der Zeit entwickelt. Dies hat verschiedene Gründe: Verschleiß ist hauptsächlich vom lokalen Gleitverhalten und der lokalen Belastung abhängig, aber diese beiden Faktoren werden durch den Verschleiß selbst modifiziert, so dass eine einfache Extrapolation nicht möglich ist. Eine genauere Analyse muss her, und aus diesem Grund beschäftigt sich SKF intensiv mit der Erforschung des Gleit- und Verschleißverhaltens von Wälzlagern und den Auswirkungen auf die Lagerlebensdauer.

Jedes Wälzlager weist ein bestimmtes, ganz normales Gleitverhalten auf. Es ergibt sich aus der Lagerinnengeometrie und/oder den Belastungsbedingungen. So wird beispielsweise ein Kugel- bzw. Rollenlager, das optimal radial belastet ist, aufgrund der Wälzkörper-Ring-Kontaktgeometrie und der elastischen Verformung durch die Belastung auch ein bestimmtes Gleitverhalten (Heathcote-Schlupf) aufweisen (Bild 4). Da der Verschleiß vom Gleitverhalten abhängig ist, wäre im Laufe der Zeit (wenn die Bedingungen stimmen) zu erwarten, dass die reinen Abrollstreifen (A und A1) die einzigen Zonen sind, in denen kein Verschleiß auftritt, und somit die einzigen Zonen darstellen, welche dann die gesamte Belastung im Wälzkontakt aufnehmen.
Bild 4: Optimale radiale Belastung eines Kugel- bzw. Rollenlager weist auch ein bestimmtes Gleitverhalten (Heathcote-Schlupf) auf – die Punkte A und A1 -sind die Zonen ohne Verschleiß
Bild 4: Optimale radiale Belastung eines Kugel- bzw. Rollenlager weist auch ein bestimmtes Gleitverhalten (Heathcote-Schlupf) auf – die Punkte A und A1 -sind die Zonen ohne Verschleiß
Dies kann zum Glück nur bei starkem Verschleiß geschehen; beispielsweise durch Schleifpartikel, starke Korrosion oder durch ungewöhnliches Gleitverhalten infolge falscher Belastung oder unsachgemäßen Einbaus des Lagers. In den meisten Fällen funktionieren die Lager einwandfrei, und ein solches Gleitverhalten gehört zur normalen, unproblematischen Betriebsumgebung eines Wälzlagers.

In diesem Artikel werden die Hauptmechanismen der kombinierten Verschleiß-Ermüdungsschäden genauer untersucht. Mit der Modellierung und den durchgeführten Versuchen sollen umfassendere Kenntnisse dieser Schadensart gewonnen und die Möglichkeiten der Schadensprävention näher betrachtet werden.

Verschleißmodellierung

Untersucht man Verschleißmodelle unter verschiedenen Schmierbedingungen lässt sich feststellen, dass sie in allen Fällen mit einem Archard-Modell dargestellt werden können, manchmal mit einem komplexeren Modell eines Verschleißkoeffizienten. In den meisten Fällen ist der Verschleißkoeffizient ein experimentell ermittelter, empirischer Faktor. Daher lautet die allgemeinste Verschleißgleichung wie folgt:
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 (1)

 
  • V = Verschleißvolumen [m3] innerhalb einer bestimmten Zeit
  • k = dimensionsloser Archard-Verschleißkoeffizient [-]
  • F = Kontaktkraft [N]
  • H = aktuelle Oberflächenmaterialhärte [Pa]
  • s = Gleitweg [m] innerhalb einer bestimmten Zeit
Das Verschleißvolumen kann auch wie folgt dargestellt werden:
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 (2)

 
  • h = innerhalb einer bestimmten Zeit abgetragene Oberflächenschichtdicke [m]
  • As = Gleitfläche [m2] innerhalb einer bestimmten Zeit
Wenn nun also (2) in (1) eingesetzt und dabei berücksichtigt wird, dass der mittlere Kontaktdruck p = F / A ergibt sich:

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(3)

 

Modellierung der Wechsel­wirkungen

Um die Wechselwirkungen zwischen Verschleiß und Ermüdung in Wälzlagern modellieren zu können, muss bei jedem Überrollen der Laufbahn mit einem zuvor modifizierten Profil (auf beiden Oberflächen) aufgrund des Verschleißes ein Wälzkontakt-ermüdungsmodell verwendet werden. Auf diese Weise kommt es zu Wechselwirkungen zwischen beiden Phänomenen (Verschleiß und Ermüdung). Jedes Mal, wenn der Verschleiß das Profil modifiziert, muss für das Ermüdungsmodell eine neue Druckverteilung im Wälzkontakt berechnet werden. Dieser Prozess spiegelt wider, was in der Praxis geschieht. Allerdings ist dieses Verfahren rechnerisch sehr aufwändig, wenn man bedenkt, dass typische Ermüdungslebensdauern Millionen von Überrollungen umfassen können. Daher gibt es vereinfachende Maßnahmen, die den Rechenaufwand erheblich reduzieren:
  1. Statt einer kompletten elastohydrodynamischen (EHD) Schmierungslösung wird eine Berechnung mit einem trockenen Kontakt vorgenommen, wodurch in diesem Fall die Lösung des Schmierungsproblems wegfällt und einfach ein (gemessener) fester Reibungskoeffizient verwendet wird.
  2. Das durch den Verschleiß modifizierte Profil wird immer nach einer bestimmten Anzahl von Überrollungen aktualisiert und nicht nach jedem einzelnen Überrollvorgang.
  3. Punkt (2) hat auch zur Folge, dass die Aktualisierung der Kontaktberechnung und der (Ermüdungs-) Schadensberechnung nicht nach jedem einzelnen Überrollvorgang durchgeführt wird, sondern gleichzeitig mit der Aktualisierung des durch den Verschleiß modifizierten Profils erfolgen kann.

Versuche

Zur Validierung des Ermüdungsmodells ­wurde ein Lebensdauerversuch mit einem Axial-Zylinderrollenlager 81107 TN (Bild 5) durchgeführt, bei einer Axialbelastung von C/P = 6,5 und Schmierbedingungen von ­κ ≈ 0,5.
Bild 5:	Axial-Zylinderrollenlager (oben li.) im Lebensdauerversuch – davor wurden die Lager 
mit einer künstlichen Profilierung versehen (unten), die eine starke Verschleißbedingung simulierte, einige Lager fielen aufgrund von Rollenschäden aus (oben re.)
Bild 5: Axial-Zylinderrollenlager (oben li.) im Lebensdauerversuch – davor wurden die Lager mit einer künstlichen Profilierung versehen (unten), die eine starke Verschleißbedingung simulierte, einige Lager fielen aufgrund von Rollenschäden aus (oben re.)
Vor dem Test wurden die neuen Lager einer künstlichen Profilierung (Bild 5 unten) unterzogen, und zwar so, als wären sie unter starken Verschleißbedingungen betrieben worden. Während der Prüfung fielen einige Lager hauptsächlich aufgrund von Rollenschäden aus (Bild 5 oben rechts), so dass das Lebensdauermodell mit den Ergebnissen aus dem kurzen Test verglichen werden konnte. Im Berechnungsmodell wurden genau die gleichen verschlissenen Rollen und neuen Scheiben verwendet; die Ergebnisse zeigten eine sehr gute Übereinstimmung mit dem unteren Grenzwert der gemessenen Lebensdauer L10 unter Berücksichtigung der Weibull-Statistik.

Parallel dazu wurden auch Verschleißtests und Messungen an vollständigen Lagern durchgeführt, um den Verschleißkoeffizienten zu berechnen und das Modell dann in verschiedenen Versuchsreihen zu überprüfen. Die Übereinstimmung zwischen Modell und Versuchen war ebenfalls zufriedenstellend.

Ergebnisse

Bild 6:	Bei Axial-Zylinderrollenlagern verändert sich das Gleiten linear (abnehmend) von den beiden Rollenkanten bis zur Teilkreislinie, wo der Gleitanteil gleich null ist
Bild 6: Bei Axial-Zylinderrollenlagern verändert sich das Gleiten linear (abnehmend) von den beiden Rollenkanten bis zur Teilkreislinie, wo der Gleitanteil gleich null ist
Bei Axial-Zylinderrollenlagern verändert sich das Gleiten linear (abnehmend) von den beiden Rollenkanten bis zur Teilkreis­linie, wo der Gleitanteil gleich null ist (Bild 6). Die Rolle ist zum Lageraußendurchmesser hin die schnellste Oberfläche und zum Lagerinnendurchmesser hin die langsamste.

Um Rechenzeit einzusparen, ohne an Genauigkeit einzubüßen, wurden die Verschleißprofile nicht nach jeder Überrollung aktualisiert, sondern nach jeweils 15,5 Millionen Überrollungen. Hervorzuheben ist, dass in der sogenannten »Damage Map« nach nur 31 Millionen Überrollungen ein ­Gesamtschadenswert größer 1 (Riss-Initiierungs-Schwellenwert) erreicht wurde.

In der Tat ist es so, dass der Verschleiß mit der Schlupfverteilung quer zur Laufbahn zusammenhängt. So nimmt der Verschleiß mit größerem Abstand zur Teilkreislinie immer mehr zu.

Zu beachten ist, dass sich der ursprünglich nahezu rechteckige Kontaktdruck dadurch, dass das Material an beiden Seiten des Wälzkontakts abgetragen wird, in den Bereichen mit starkem Gleiten reduziert, während er sich in dem Bereich, in dem der Gleitanteil gleich null ist (Teilkreislinie), stark erhöht und konzentriert. Dieser erhöhte Druck führt zu hohen Spannungen und schnellerer Ermüdung, bis es in der Rollenmitte zu einem Ausfall kommt. Die gleichzeitige Einwirkung von Verschleiß und Oberflächenermüdung kann die ermüdungsbedingten Ausbrüche des Wälzkontakts tatsächlich beschleunigen. Diese Ausbrüche sind nicht auf die durch das Gleiten hervorgerufene Reibbeanspruchung zurückzuführen, sondern resultieren daraus, dass das Originalprofil der Wälzkörper modifiziert wurde, was einen starken Anstieg der Kontaktspannungen und eine lokal geringere Schmierfilmdicke zur Folge hat.

Zusammenfassung

Bei gleichzeitiger Modellierung von abrasivem Verschleiß und Oberflächenermüdung wurde festgestellt, dass das Gleitverhalten wesentlich zur Erhöhung des Ermüdungsschadens eines Wälzlagers beitragen kann. Dies setzt voraus, dass Schleifpartikel und/oder sehr schlechte Schmierbedingungen im Lager vorhanden sind. Eine ungleichmäßige Schlupfverteilung innerhalb des Hertzschen Kontakts trägt zur Entwicklung von Spannungsüberhöhungen bei, welche wiederum die Lagerlebensdauer erheblich verkürzen.

Folgende Empfehlungen sollen dazu beitragen, dieses Risiko zu mindern:
  1. Achten Sie darauf, dass das Wälzlager immer ausreichend geschmiert ist. Dies gilt insbesondere für Großlager mit langsamer Drehzahl und/oder niedriger Schwenkgeschwindigkeit, und für Lager, welche Schleifpartikeln oder Korrosion ausgesetzt sind.
  2. Optimieren Sie Dichtungslösungen und verwenden sie eventuell Lager mit Deckscheiben.
  3. Reduzieren Sie sämtliche Verunreinigungen durch Feststoffe und Flüssigkeiten auf ein Mindestmaß.
  4. Vermeiden Sie Stoßbelastungen und Schwingungen, die die nominalen Gleitbedingungen im Lager erheblich verstärken können.
  5. Bei Großlagern kann sich eine Wiederaufarbeitung als kostenreduzierende Maßnahme durchaus lohnen, sofern ein ungleichmäßiger Verschleiß rechtzeitig festgestellt wird.
Über den Autor
Autorenbild
Guillermo E Morales-Espejel

Principal Scientist, SKF Gruppe, Research & Technology Development, SKF BV, Houten (Niederlande)

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