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Komplette Restaurierung

Schleifringläufermotor für Zweiphasen-Wechselspannung

Bild 1: Vorher – nachher, der Motor wurde mit viel Liebe zum Detail restauriert
Bild 1: Vorher – nachher, der Motor wurde mit viel Liebe zum Detail restauriert
(Bild: IG HEMB)

Als Schenkung erhielt die Interessengemeinschaft Historischer Elektromaschinenbau, kurz »IG HEMB« (https://historischer-elektromaschinenbau.de) einen seltenen Zweiphasen-Drehstrom-Schleifringläufermotor (Bild 1). Die etwa 400 kg schwere Maschine wurde 1901 von der Firma Oskar Ludwig Kummer & Co. in Niedersedlitz bei Dresden hergestellt. Sie ist für den Betrieb im 170 V/240-V-Netz bei einer Frequenz von 50 Hz gebaut. Die Drehzahl beträgt 1450 min-1 (Bild 2). Leider wurde der Motor bei einer Überschwemmung stark in Mitleidenschaft gezogen.

Bild 2: Das originale Typenschild des Schleifringläufers
Bild 2: Das originale Typenschild des Schleifringläufers
(Bild: IG HEMB)

Land unter im Jahr 2002

Am 12. August 2002 hatte es im Quellbereich des sonst so zahmen Flüsschens »Rote Weißeritz« bei Zinnwald im Osterzgebirge 312 mm Niederschlag pro m2 gegeben. In der Folge kam es zu den verheerenden Überschwemmungen im Gebiet von Freital und Dresden sowie zum Überlaufen der Talsperre Malter. Die Verwüstungen durch das Wasser in den Dörfern und Städten entlang des Flusses waren bis dahin unvorstellbar. Der Schleifringläufer versank wie so vieles im Schlamm. Selbstredend war dessen Restaurierung nicht das wichtigste Projekt der betroffenen Firma. So lagerte er längere Zeit in einer Ecke der Werkstatt.

Aufwendige Restaurierung

Nachdem der Motor in den Bestand der IG HEMB übergegangen war, stand der Entschluss, das außergewöhnliche Stück zu restaurieren, sehr schnell fest. Nun ist ein Motor dieser Größe nicht leicht zu handhaben. Zwei Elektromaschinenbauer nahmen sich des historischen Stückes an. Fachgerecht wurde der Motor in die Einzelteile zerlegt und gründlich gereinigt. Der Schlamm hatte sich in eine betonähnliche Kruste verwandelt und musste mühsam entfernt werden (Bild 3).

Der Schlamm hatte sich bis tief in das Innere des Motors gedrückt
Der Schlamm hatte sich bis tief in das Innere des Motors gedrückt
(Bild: IG HEMB)

Die Originalwicklung war nicht beschädigt und wurde nur stabilisiert und farblich behandelt. Sämtliche Kupfer- und Messingteile wurden gereinigt oder überdreht und mit Cosmoloit konserviert, einem Schutzwachs gegen Korrosion. Die Gussteile des Motors wurden entrostet und mit einer seidenmatten grauen Lackierung versehen.  Beide Klemmsteine sind im Original erhalten und wurden wieder an die ursprüngliche Stelle auf dem Statorgehäuse gesetzt. Für den Transport und der Präsentation fertigte man ein Podest an. Die Seitenbleche blieben zum Teil offen und geben den Blick auf die Wicklung frei.
Ungewöhnlich ist die Tatsache, dass Schleifringe auf beiden Seiten des Rotorblechpaketes angeordnet sind. In Betrieb wird der Motor sicher nicht wieder gehen. Zwar ist die Spannungsversorgung mittels ­eines Scott-Transformators möglich, allerdings will man keinen Wicklungsschaden riskieren. Es wäre schade, wenn der Originalzustand des Motors unwiederbringlich zerstört würde. Schließlich erstrahlte die Maschine wieder in ihrer ganzen Pracht und bereichert die Dauerausstellung der Interessengemeinschaft.

Was ist die Zweiphasen-Wechselspannung?

Korrekterweise muss die Bezeichnung eigentlich 2 x 170 V zu 240 V heißen, denn es sind zwei Wechselspannungen, die um 90° phasenverschoben mit jeweils einer Phasenspannung von 170 V in Verbindung stehen (Bild 4). Der Verbindungspunkt wird hier als Verkettungspunkt oder als zugeführter Sternpunkt bezeichnet (im Dreileitersystem) und die an den äußeren Leitern verfügbare Spannung beträgt 240 V (Wurzel aus zwei, mal der Phasenspannung).

Um eine Übertragung mit dem System zu ermöglichen, werden mindestens drei Leiter benötigt (zwei Außenleiter und ein Verkettungspunktleiter), genauso wie beim Dreiphasen-Wechselspannungssystem. Allerdings muss man beachten, dass der Strom des Verkettungspunktleiters das 1,41-fache (√2) der Außenleiter beträgt, denn hier fließen um 90° verschoben, die zwei Wechselströme der Phasen.

Bild 4: Die zwei Wechselspannungen sind um 90° phasenverschoben
Bild 4: Die zwei Wechselspannungen sind um 90° phasenverschoben
(Bild: IG HEMB)

Mit diesen Parametern wird dem System nun häufig eine Unsymmetrie vorgeworfen. Dies ist aber nicht korrekt, denn im Ganzen betrachtet wird im Generator die magnetische Energie vollständig auf »360 Grad induziert« und in elektrische Energie umgewandelt. Damit steht die Zweiphasen-Wechselspannung auf gleicher Stufe wie die Dreiphasen-Wechselspannung und zählt somit zu einer vollwertigen Mehrphasen-Wechselspannung. Der Nachteil ist ein um 5…10 % schlechterer Wirkungsgrad des Gesamtsystems, was auf die Problematik der Auslegung des Verkettungspunktleiters, der Ausführung der Wicklungen und auf die unsymmetrische Belastung der Phasen zurückzuführen ist.

Somit lief der Schleifringläufermotor von O. L. Kummer & Co. genauso wie ein herkömmlicher Dreiphasen-Wechselspannungs-Schleifringläufermotor (Bild 5) und verfügt sogar über einen Läufer mit einer Dreiphasen-Wicklung. Im Krafthaus »Rabenauer Grund« der Talsperre Malter arbeiteten drei Zweiphasen-Synchrongeneratoren bis 2012. Über Scott-Transformatoren wurde die Spannung in das Verbundnetz eingespeist.

Bild 5: Die Abwicklung der Ständerwicklung
Bild 5: Die Abwicklung der Ständerwicklung
(Bild: Tilo Klose)
Über die Autoren
Autorenbild
Tilo Klose

Interessengemeinschaft Historischer Elektromaschinenbau Leipzig e.V.

Autorenbild
Michael Langer

Interessengemeinschaft Historischer Elektromaschinenbau Leipzig e.V.

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