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Störungseinflüsse

Kurzschlussfestigkeit von Großtransformatoren

Kurzschlussfestigkeit von Großtransformatoren
(Bild: jakit17 - stock.adobe.com)

Als Ausblick am Ende des Beitrags ist der gegenwärtige Stand zusammengefasst und die künftige Entwicklung skizziert. Im Rahmen der Energiewende und der damit verbundenen Dezentralisierung der elektrischen Energieerzeugung, wird die Anzahl von größeren Transformatoren ab einer Leistung von 30 MVA durch mehr Umspannwerke in unseren Netzen sehr stark steigen, sodass sie unsere Aufmerksamkeit in Zukunft auch stärker verdienen.

Zwei Arten von Kurzschlussfestigkeit im Detail

Leistungstransformatoren in elektrischen Netzen sind im Betrieb unterschiedlichen Störungen ausgesetzt. Transformatoren müssen nach der DIN EN 60076-5 (VDE 0532-76-5) so ausgelegt sein, dass sie thermischen und mechanischen Wirkungen äußerer Kurzschlüsse unter bestimmten Bedingungen standhalten. Im Zusammenhang thermischer und mechanischer Kurzschlussfestigkeit erscheint es angebracht, sich zunächst ­einige Grundbegriffe zu vergegenwärtigen.

Thermische Kurzschlussfestigkeit

Die Erfüllung thermischer Anforderungen wird für Leistungstransformatoren ausschließlich rechnerisch nachgewiesen. Eingangsgrößen für die Berechnung sind folgende:

  • Die Anfangstemperatur der Wicklung – setzt sich zusammen aus der höchsten zulässigen Umgebungstemperatur und der mittleren Wicklungsübertemperatur im Betrieb.
  • Die Kurzschlussdauer – sie beträgt 2 s (nach obiger Vorschrift).
  • Die Stromdichte des Dauerkurzschlussstroms – errechnet aus der Kurzschluss­impedanz des jeweiligen Transformators, gegebenenfalls der Netzimpedanz, Leistung und Spannung sowie dem Drahtquerschnitt und -material.

Danach kann der Transformatorenhersteller die thermische Kurzschlussfestigkeit bei der Auslegung von Aktivteilen lediglich durch Variation der Stromdichte beeinflussen, d. h. durch die Wahl des Leiterquerschnitts und durch die Auswahl des Leitermaterials, etwa Kupfer oder Aluminium.
Für Öltransformatoren mit Wicklungen aus Kupfer ist die thermische Kurzschlussfestigkeit nachgewiesen, wenn sich die Wicklungen am Ende der Kurzschlussdauer auf maximal 250 °C erwärmen. Dieser Wert ist zwar wesentlich höher als die maximal zugelassene Hot-Spot-Temperatur von 140 °C, doch wegen der vergleichsweise sehr kurzen Einwirkdauer des Kurzschlusses können Schäden, wie Gasbildung und Alterung, an neuen Wicklungen praktisch ausgeschlossen werden.

Mechanische Kurzschlussfestgkeit

Zum Nachweis ihrer mechanischen Kurzschlussfestigkeit sind Transformatoren entsprechend der jeweiligen Bemessungsleistung in drei Kategorien gegliedert:

  • Kategorie 1 – Verteilungstransformatoren bis 3 150 kVA
  • Kategorie 2 – Mittelspannungstransformatoren von 3 150 kVA bis 40 MVA
  • Kategorie 3 – Großtransformatoren über 40 MVA.

Um den entsprechenden Rahmen nicht zu sprengen, bleiben die nachfolgenden Betrachtungen auf Transformatoren der Kategorie 3 beschränkt, die im Allgemeinen nicht nach der obigen Norm für Transformatoren der Kategorie 1 geprüft werden.

Für Großtransformatoren ist ausdrücklich festgelegt, dass entscheidende Bedingungen für die Prüfung, wie

  • Anzahl der Prüfungen je Schenkel,
  • Dauer der Prüfungen sowie
  • Stellungen von Stufenschalter oder Umsteller

in jedem Fall zwischen Hersteller und Abnehmer vereinbart werden müssen. Grundsätzlich sind somit Kurzschlussprüfungen an verschiedenen Transformatoren der Kategorie 3 nur unter Berücksichtigung der ausgehandelten Prüfungskriterien vergleichbar.

Bei der Prüfung stellt die Besichtigung des Aktivteils nach der Kurzschlussprüfung einen kritischen Punkt dar, wenn diese angesichts der notwendigen Prüfleistung überhaupt durchführbar ist. Es dürfen keine Schäden erkennbar sein, wie Verschiebungen und Verformungen von Wicklungen, Leitungen und Stützkonstruktionen oder Entladungsspuren.

Bild 1: Abstoßung zweier stromdurchflossener Leiter (entgegengesetzte Stromrichtungen)
Bild 1: Abstoßung zweier stromdurchflossener Leiter (entgegengesetzte Stromrichtungen)

Um hier eine umfassende Information über den Zustand etwa der Kanäle der Unterspannungswicklung, der Steigungsausgleichsringe oder der Oberspannungsstammwicklung in Bezug auf Auswirkungen der axialen und radialen Kurzschlusskräfte zu erlangen, müsste der Aktivteil vollständig zerlegt werden. Nach dem erneuten Zusammenbau, wäre ein solcher Transformator allerdings als ein anderer zu betrachten, den man folglich einer erneuten Prüfung bezüglich der Kurzschlussfestigkeit zu unterziehen hätte. Mit anderen Worten: Es müssten sämtliche für die Kurzschlussfestigkeit entscheidenden Fertigungsprozesse, wie beispielsweise Trocknung und Pressung, wiederholt werden. Allerdings lehrt die Erfahrung, dass der rechnerische Nachweis ausreicht, um die Betriebssicherheit zu gewährleisten.

Folgen von Kurzschlussbelastungen

Bild 2: Einzelne Windungen einer Oberspannungswicklung sind aufgrund starker axialer Kräfte gegeneinander gekippt
Bild 2: Einzelne Windungen einer Oberspannungswicklung sind aufgrund starker axialer Kräfte gegeneinander gekippt

Ein elektrischer Strom in einem Leiter erzeugt nach dem Gesetz von Biot und Savart ein Magnetfeld um diesen. Je nach der Stromrichtung ziehen zwei stromdurchflossene Leiter einander an oder stoßen einander ab (Bild 1). Dabei ist die auf die Leiter wirkende elektromagnetische Kraft F den Strömen I1 und I2 in den Leitern direkt propor­tional. Diesen Kräften unterliegen auch die Leiter einer jeden Wicklung, weshalb bei Aktivteilen der in Rede stehenden Transformatoren die mechanische Festigkeit durch Zugstangen, Abstützungen u. a. m. sicherzustellen ist.

Hinzu kommt, dass jeder elektrische Strom die Leiter erwärmt, wofür zunächst die Stromdichte im Leiter maßgeblich ist. Dabei wird eine natürliche Grenze seitens der thermischen Belastbarkeit der Materialien von Leiter und Isolation vorgegeben, innerhalb derer keine substanziellen Veränderungen eintreten.

Es handelt sich hierbei um eine Grenze, die durch angemessene Kühlung ausgeweitet werden kann, was man bei der Konstruktion von Transformatoren selbstverständlich berücksichtigt. Beim Nennstrom bleibt jeder entsprechend konstruierte Transformator thermisch und mechanisch stabil. Demgegenüber stellt ein Kurzschluss eine thermische wie auch mechanische äußerst kritische Belastung dar, denn hierbei wird der zulässige Dauerstrom um ein Vielfaches überschritten. Für die thermische Belastung ist ausschließlich die Dauer des Kurzschlusses entscheidend; bei kurzfristiger Abschaltung wird im Allgemeinen eine unzulässige Temperaturerhöhung und mithin die Zerstörung der Isolation verhütet.

Bild 3: Unterspannungspule mit verformter Wicklung durch radiale Kurzschlusskräfte
Bild 3: Unterspannungspule mit verformter Wicklung durch radiale Kurzschlusskräfte

Anders verhält es sich dagegen mit der überstrombedingten mechanischen Belastung, denn die mechanischen Kräfte werden unverzüglich nach Kurzschlusseintritt wirksam. Zwar werden sie bei neuen Transformatoren üblicherweise von der Konstruktion aufgefangen, doch kann es dennoch zu par­tiellen Verformungen kommen. Das Bild 2 zeigt beispielsweise, wie die einzelnen Windungen der Oberspannungswicklung aufgrund starker axialer Kräfte gegeneinander gekippt sind. In diesem Fall war die Isolation zum Kurzschlusszeitpunkt genügend elastisch, um die Bewegung unbeschädigt zu überstehen. Wohl ist die Wicklung verformt, doch hat sie keinen unmittelbaren Schaden erlitten, weshalb sie eingeschränkt weiterbetrieben werden kann. Es ist davon auszugehen, dass es weltweit sehr viele Transformatoren mit solchermaßen verformter Wicklung gibt, wovon die Betreiber gar nichts wissen, zumal die Funktion dadurch mitnichten beeinträchtigt ist.

Bild 4: Nach einer Kreuzschlussbelastung sank der sog. DP-Grad der Papierisolation erheblich
Bild 4: Nach einer Kreuzschlussbelastung sank der sog. DP-Grad der Papierisolation erheblich

Gefährlicher sind indes Verformungen, bei denen die Isolation partiell aufbricht. Davon vermittelt Bild 3 einen Eindruck; es zeigt eine Unterspannungsspule mit durch radiale Kurzschlusskräfte verformter Wicklung. Allerdings ist es nicht zu Windungsschlüssen oder Überschlägen gekommen, da kein Kontakt zwischen Leitern entstanden ist und das Isolieröl ausreichend durchschlagsfest war. Trotz dieses Vorschadens hätte man den Transformator zunächst weiterbetrieben, da er keinerlei Anlass zu Beanstandungen bot. Außerplanmäßige Betriebszustände, wie etwa Schaltspannungen, erhöhter Wassergehalt im Öl u. a. m., können aber zu spontanem Ausfall mit energiereichem Lichtbogen führen.

Somit ist für die Kurzschlussfestigkeit von Transformatoren nicht allein die Konstruk­tion ausschlaggebend, sondern auch der Alterungsgrad der Isolation, die bei Öltransformatoren üblicherweise aus Papier besteht. Dabei ist der mit fortschreitender Betriebsdauer sinkende DP-Grad (= durchschnittlicher Polymerisationsgrad) – bei neuen Wicklungen ist von DP > 1000 auszugehen – ein entscheidender Parameter.

Bild 5: Dieser ausgeprägte Schaden an einer Unterspannungsspule (Windungsschluss in der dritten Lage) war erst nach dem Abwickeln der oberen Wicklungslagen feststellbar
Bild 5: Dieser ausgeprägte Schaden an einer Unterspannungsspule (Windungsschluss in der dritten Lage) war erst nach dem Abwickeln der oberen Wicklungslagen feststellbar

Zur Sache spricht Bild 4; es zeigt eine Unterspannungsspule, deren DP-Grad der Papierisolation alterungsbedingt bereits unter 200 gesunken war, nach einer Kurzschlussbelastung. In diesem Fall sind erste Windungsschlüsse erkennbar. Der Transformator wurde durch Auslösung des Buchholzschutzes vom Netz getrennt, da ein Windungsschluss in der dritten Wicklungslage der Unterspannungsspule unter Lichtbogenentwicklung dafür Spaltgase erzeugt hatte. Es handelt sich hier schon um einen ausgeprägten Schaden (Bild 5), der allerdings erst nach dem Abwickeln der oberen Wicklungslagen feststellbar war, da es zu keinen größeren Abschmelzungen von Leiterkupfer gekommen war und sich mithin keine Kupferperlen am Boden unterhalb der Spule befanden.

Ursache des Schadens war ein äußerer dreiphasiger Kurzschluss mit Lichtbogenerscheinung am nachgeschalteten Leistungsschalter der 30-kV-Anlage des Stromabnehmers. Auf solche Schäden an Schaltanlagen werden wir noch in einer späteren Ausgabe der »ema« eingehen.

Ausblick

Bild 6: Vorschädigung einer Wicklung – radiale Verformungen an der Wicklung wie auch in axialer Richtung am Tragzylinder zwischen den Abstützungen der Spule
Bild 6: Vorschädigung einer Wicklung – radiale Verformungen an der Wicklung wie auch in axialer Richtung am Tragzylinder zwischen den Abstützungen der Spule

Die Kurzschlussfestigkeit der hier in Rede stehenden Transformatoren wird von allen Herstellern gewährleistet, die entsprechend unserer Vorschriften arbeiten. Dies schließt allerdings nicht aus, dass es an Großtransformatoren durch Kurzschlussbelastung zu bleibenden Verformungen an Wicklungen kommt. Bei neuen Transformatoren sind solche Belastungen zumeist unschädlich, aber angesichts fortschreitender Alterung der ­Papierisolation sind größere Schäden nicht auszuschließen, vor allem wenn bereits Vorschäden eintraten.

Ein Beispiel für eine solche Vorschädigung ist in Bild 6 wiedergegeben. Hier sind von oben radiale Verformungen an der Wicklung wie auch in axialer Richtung am Tragzylinder zwischen den Abstützungen der Spule deutlich erkennbar. Derartige Veränderungen beeinträchtigen Großtransformatoren im Allgemeinen nicht in ihrer Funktion. Sie werden auch von heutzutage üblichen Überwachungssystemen, wie Buchholz, Differential- oder Überstromschutz u. a. m., nicht erfasst. Künftig werden aber vermutlich die deutlich vielseitigeren Monitoringsysteme eher erforderlich sein, um solche Veränderungen an Aktivteilen nicht nur zu erfassen, sondern auch zu protokollieren und auszuwerten. Im Hinblick auf die Betriebssicherheit von solchen Transformatoren, deren Anzahl im Rahmen der Energiewende immer größer werden wird, wäre dies zweifellos sehr hilfreich.

So sollte man bei Öltransformatoren immer wieder Ölproben ziehen und diese im Fachlabor untersuchen lassen. Damit stellt man nicht nur sicher, dass das Isolieröl, das von Natur aus hygroskopisch ist, keinen zu hohen Wasseranteil im Hinblick auf die Durchschlagsfestigkeit besitzt, sondern kann auch sich anbahnende Schäden teilweise erkennen. Auch abschmelzendes Kupfer findet sich als erhöhter Anteil im Öl. Alternde ­Papierisolationen zeigen sich durch erhöhte Furananteile im Öl, da diese Furane als Zersetzungsprodukt von Zellulose entstehen.

Eines sollte man aber auf gar keinen Fall: Transformatoren bei der Instandhaltung vernachlässigen. Sie unterliegen zwar keinem direkt sichtbaren Verschleiß, altern aber sehr wohl und unterliegen auch dauernden Einflüssen des Betriebes in jedem Netz. Wenn sich der Transformator erst durch »Arbeitsverweigerung« selbst in Erinnerung bringt, dann ist das in der Regel mit relativ großen Folgen verbunden, weil dann sehr oft weitreichend die erforderliche elektrische Energie fehlt.

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Über den Autor
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Karl-Heinz Beil

technischer Sachverständiger bei der Allianz ESA

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