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RCM-Lösungen überwachen Erdableit- bzw. Differenzströme in TN-S- und TT-Systemen

Überwachung verbessert Verfügbarkeit per RCM

Zu den kritischen Anwendungen zählen z. B. Produktionslinien, deren Betrieb nicht unterbrochen werden darf, oder Rechenzentren, wo ein Verlust oder eine Beschädigung der Daten droht. Die Aufgabe einer durchgehenden Überwachung der Erdableitströme übernehmen Differenzstromüberwachungseinrichtungen, oder kurz RCM (Residual Current Monitoring Device).

Was ist ein Differenzstrom?

Wenn z. B. ein Differenzstrom IΔ durch den PE-Leiter fließt, ist die vektorielle Summe aller Ströme auf den Außen- und Neutralleitern nicht mehr gleich Null. IΔ wird mitunter umgangssprachlich auch als Leckstrom bezeichnet (Bild 1). Dieser wird mit einem Differenzstromwandler gemessen, der alle Außen- und Neutralleiter umschließt.

Bild 1: Den Differenzstrom IΔ misst man mit einem Differenzstromwandler, der alle Außen- und Neutralleiter umschließt
Bild 1: Den Differenzstrom IΔ misst man mit einem Differenzstromwandler, der alle Außen- und Neutralleiter umschließt

Ursachen von Differenzströmen

Differenzströme treten grundsätzlich in allen elektrischen Anlagen auf, da jede Last einen durchschnittlichen Differenzstrom von wenigen mA aufweist, verursacht durch:

  • ungenügende Isolation durch mechanische Schäden an der Verkabelung,
  • verringerte Isolierungswiderstände durch Feuchtigkeit oder Staub,
  • Schwächung der Kabelisolation durch Überhitzung.

Eine jede solche Veränderung der Isolationseigenschaften senkt den Widerstand des Isolationsmaterials und führt zwangsläufig zu einem Anstieg der Differenzströme. Wenn diese einen bestimmten Wert übersteigen, können sie Störungen im elektrischen System verursachen. In diesen Fällen sprechen wir von Fehlerströmen.

Solche Fehlerströme können Ereignisse auslösen, die sowohl die technische Sicherheit der Anlage beeinträchtigen, eine Brandgefahr darstellen oder auch die Sicherheit von Personen durch mögliche Stromschläge gefährden können.

RCM erkennt Fehlerströme rechtzeitig

Eine RCM wird in Anlagen eingesetzt, deren Betriebsfähigkeit auf keinen Fall unterbrochen werden darf. Dazu muss der im Laufe der Zeit ansteigende Differenzstrom, der sich irgendwann zu einem Fehlerstrom entwickelt und zum Auslösen des Fehlerstromschutzes führt, durchgehend überwacht werden (Bild 2).

Diese Gefahr kann dann rechtzeitig erkannt und durch entsprechende Maßnahmen abgewendet werden. Diese Überwachung des Differenzstroms übernimmt die RCM, welche die Differenzströme mit einem Differenzstromwandler misst. Wenn der Differenzstrom einen bei der Installation festgelegten Schwellenwert überschreitet, löst die RCM eine Warnung aus. Die Wirkung erfolgt also über den allmählichen Anstieg des Differenzstroms bis hin zum Auftreten eines Fehlerstroms, ab da besteht ein Auslöserisiko von RCDs in der betreffenden Anlage. Durch rechtzeitige Maßnahmen kann dann das Auslösen von RCDs verhindert werden.

Bild 2: Zeitliches Ineinandergreifen von RCM- und RCD-Maßnahmen
Bild 2: Zeitliches Ineinandergreifen von RCM- und RCD-Maßnahmen

Anwendungen, die eine RCM erfordern

In Anlagen ohne RCDs ermöglicht die RCM einen passiven Schutz durch die Warnung vor gefährlichen Strömen. Dies ist typischerweise in einigen Rechenzentren der Fall, wo auf RCDs verzichtet wird, um ungewollte Abschaltungen zu verhindern. RCMs werden überall dort eingesetzt, wo ein Auslösen einer RCD eine kritische Situation herbeiführen kann, z. B.:

  • Industrie – Fertigungsunterbrechung
  • Rechenzentrum – Verlust der Redundanz, Abschaltung von IT-Servern
  • Infrastruktur – Versorgungsunterbrechung
  • Öffentlicher Raum – Personensicherheit.

Zusätzlich zur Warnfunktion bieten RCMs aber auch noch weitere Vorteile:

  • permantente Messung der Fehlerströme
  • Überwachung in Echtzeit
  • Aufzeichnung von Abweichungen auf Stunden-, Tages-, Wochenbasis usw.
  • Differenzstromänderungen erkennen.

RCM-Anordnung im TN-S-System

Hierzu ein Fallbeispiel eines dreiphasigen Netzes mit dreiphasigen Lasten: Um in einem TN-S-System effektiv zu funktionieren, müssen RCMs so nah wie möglich an den Lasten angeordnet werden. Die Summe der Differenzströme in einer elektrischen Anlage lässt sich nur durch vektorielle Addition ermitteln. Daher ist in den meisten Fällen der an der Haupteinspeisung gemessene Differenzstrom geringer als die Summe der an den einzelnen Lasten gemessenen Differenzströme. Er ist deshalb nicht repräsentativ für den Gesamtdifferenzstrom der Anlage (Bild 3).

Bild 3: Inerhalb der elektrischen Anlage treten die Differenzströme IΔ, IΔ1 und IΔ2  auf
Bild 3: Inerhalb der elektrischen Anlage treten die Differenzströme IΔ, IΔ1 und IΔ2 auf

Einspeiseseitige Messung am PE

In manchen Anlagen lässt sich die Differenzstrommessung an der Haupteinspeisung nur schwer umsetzen, z.B. bei

  • außergewöhnlich breiten Kupferschienen
  • zu geringem Installationsraum.

Ein Fehlerstromwandler passt schlicht nicht um alle Phasen herum. Da die Differenzströme IΔ und IPE an der Haupteinspeisung identisch sind, bietet sich als eine mögliche Lösung an, anstelle des Differenzstroms IΔ den im PE (Schutzleiter) fließenden Strom IPE zu messen (Bild 4).  Diese Messung lässt auch eine PE-Unterbrechung erkennen.

Bild 4: Die Differenzströme IΔ und IPE an der Haupteinspeisung sind identisch – es kann ggf. genügen, den im PE fließenden Strom IPE zu messen
Bild 4: Die Differenzströme IΔ und IPE an der Haupteinspeisung sind identisch – es kann ggf. genügen, den im PE fließenden Strom IPE zu messen

Permanente Prüfung via RCM

Die deutsche Norm für den Betrieb von elektrischen Anlagen DIN VDE 0105-100/A1:2017-06 schreibt eine regelmäßige Prüfung der Anlage durch eine anerkannte unabhängige Stelle vor. Diese Prüfung kann ggf. zehntausende Euro kosten. Im Rahmen dieser Prüfung werden auch die Isolationswiderstände der Anlage geprüft.

Diese Prüfung ist invasiv, und es werden hohe Spannungen von 500 V DC in die Anlage geleitet. Dies kann eine Gefahr für die Anlage und Personen darstellen. Alternativ hierzu lässt die Norm auch den Einbau einer RCM zu. Gemäß der Norm ist bei Stromkreisen, die permanent von einer der Norm IEC 62020 entsprechenden RCM überwacht werden, keine regelmäßige Prüfung des Isola­tionswiderstands erforderlich (Tabelle 1).

Tabelle 1: Vorteile der regelmäßigen Prüfung mittels RCM
Tabelle 1: Vorteile der regelmäßigen Prüfung mittels RCM

RCM – Typ A und Typ B im Vergleich

Die Anforderungen an RCMs sind in der Produktnorm DIN EN IEC 62020-1 (VDE 0663-1):2021-10 beschrieben. Sie unterscheidet verschiedene RCM-Typen (Tabelle 2). Dabei wird in der Praxis der Typ A für den Großteil aller Lasten verwendet.

Der Typ B wird verwendet für Differenzströme bei Komponenten mit hohen Gleichstromanteilen. Außerdem ist Typ B auch bei DC-Installationen wie z. B. PV-Anlagen oder Lade-Infrastruktur für Elektrofahrzeuge vorgeschrieben. Dies gilt konkret für Anlagen, die der Norm DIN VDE 0100-712:2016-10 oder DIN VDE 0100-722:2019-06 entsprechen. Um sowohl AC- als auch DC-Hochstromkomponenten messen zu können, müssen RCMs mit spezifischen Ringkernwandlern betrieben werden. RCMs des Typs B sind deshalb teurer als solche des Typs A.

Deshalb ist es wichtig, anhand der Norm sorgfältig die Lasten mit DC-Komponenten in der Anlage zu identifizieren. Für die meisten Differenzstrommessungen ist eine RCM des Typs A am besten geeignet und außerdem die kostengünstigste Lösung.

Tabelle 2: Verschiedene RCM-Typen gemäß IEC 62020-1
Tabelle 2: Verschiedene RCM-Typen gemäß IEC 62020-1

Vorteile von RCM-Überwachungen

An strategischen Punkten einer Anlage installierte RCMs bieten viele Vorteile bei Anwendungen, bei denen die durchgehende Verfügbarkeit höchsten Stellenwert hat, z. B.:

  • Isolationsfehler, die durch nachlassende Isolationswiderstände in der Anlage entstehen, werden frühzeitig erkannt (z. B. mechanische oder thermische Einwirkung, Luftfeuchtigkeit, Verunreinigungen usw.)
  • Lokalisierung von Isolationsfehlern mittels Differenzstrommessung nahe der Last
  • Erhöhung der Personensicherheit
  • verbesserter Brandschutz
  • Alarme unterstützen präventive Wartung
  • geringeres Ausfallrisiko empfindlicher Produktionsprozesse dank durchgehender Überwachung
  • bessere Datensicherheit in Rechenzentren
  • permanente Isolationswiderstandsüberwachung.

Systemanbieter für RCM-Lösungen

Ein System zur Überwachung elektrischer Anlagen mit vielen Stromkreisen mittels RCM-Integration stellt das modulare Konzept Diris Digiware von Socomec dar. Es kombiniert die RCM-System-basierte Leistungsüberwachung mit der Differenzstromüberwachung in TN-S- und TT-Anlagen. Wie in Bild 5 dargestellt, besteht es aus folgenden Elementen:

  • (1) Single-Point-Zugriff auf Messdaten mit 24-V-DC-Stromversorgung für das gesamte System, RS485- und Ethernet-Kommunikation über mehrere Protokolle sowie lokale oder zentrale Visualisierung der Messdaten
  • (2) einzelnes Spannungsmessmodul verteilt auf nachgeschaltete Messmodule
  • (3) Module mit kombinierter Laststrom- und Differenzstromüberwachung
  • (4) Stromsensoren
  • (5) Differenzstromwandler
  • (6) spezielle Anschlusskabel
  • (7) RJ45-Kommunikations-Bus für den Anschluss der Systemkomponenten.
Bild 5: Überwachung der Anlagenleistung mittels System Diris Digiware RCM
Bild 5: Überwachung der Anlagenleistung mittels System Diris Digiware RCM

Komplexe Mehrkreisüberwachung

Das modulare Plug-and-play-Konzept des Digiware-Systems ermöglicht die Messung von Differenzströmen nicht nur in der Haupteinspeisung, sondern auch auf Stromkreisebene. Dadurch können mehrere Stromkreise auf Differenzströme überwacht werden, wodurch die Isolationsfestigkeit der gesamten Anlage im Detail beobachtet werden kann. Das Modul Diris Digiware R-60 verfügt über sechs RJ12-Eingänge für die Differenzstromüberwachung von bis zu sechs dreiphasigen oder einphasigen Stromkreisen (Bild 6).

Bild 6: Mehrkreisüberwachung und Realisierung des 2-in-1-Prinzips
Bild 6: Mehrkreisüberwachung und Realisierung des 2-in-1-Prinzips

2-in-1 für noch mehr Funktionalität

Das Diris Digiware RCM-System basiert auf einem 2-in-1-Ansatz, der die Überwachung von Laststrom und Differenzstrom kombiniert. Mit den Messfunktionen ergänzt das System optimal sämtliche Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz von Anlagen (gemäß ISO 50001) durch die Anzeige der Lasten und Bereiche, die die meiste Energie verbrauchen. Es kann außerdem die Qualität der Stromversorgung durch die Messung der wesentlichen elektrischen Parameter wie Spannung, Frequenz, Verzerrung (THD), Asymmetrien usw. überwachen und ermöglicht die Einstellung von Echtzeit-Schwellenwertalarmen.

Alarme sichern durchgehenden Betrieb

Das Diris Digiware Differenzstrom-Überwachungssystem gibt zur Sichtbarmachung des Entstehens von Isolationsfehlern frühzeitig einige Alarme aus. Spezielle Alarme zu IΔ-Messwerten warnen vor dem schleichenden Nachlassen des Isolationswiderstands in elektrischen Anlagen. In Kombination mit der »Virtualmonitor-Technologie« (verfügbar mit »iTR-Stromsensoren«) kann das Modul Diris Digiware R-60 erkennen, ob eine Schutzeinrichtung offen oder ausgelöst ist (Bild 6). Dies ermöglicht die Alarmierung der Wartungsteams bei einem Leistungs- oder Redundanzverlust, was beispielsweise für Rechenzentren sehr wertvoll ist.

Dank der Virtualmonitor-Technologie kann das mit iTR-Sensoren verwendete Modul Diris Digiware R-60 die Auslösung einer Fehlerstromschutzeinrichtung durch Überstrom oder übermäßigen Differenzstrom erkennen.

Computersysteme in bestimmten Bereichen wie Rechenzentren können Verzerrungen verursachen, insbesondere bei der 3. Harmonischen. Ströme dieser 3. Harmonischen akkumulieren im Neutralleiter und können zu Überhitzung und möglicherweise Bränden führen. Das Modul Diris Digiware R-60 kann den im Neutralleiter fließenden Strom messen oder berechnen. Es kann ein Alarm eingestellt werden, der ausgelöst wird, wenn der Strom einen Schwellenwert überschreitet. Dies ist ein wesentlicher Beitrag zur Erhöhung des Brandschutzes, insbesondere bei Rechenzentren.

Fazit

Die Überwachung des Differenzstroms hat viele Vorteile, insbesondere die erhöhte Verfügbarkeit und Sicherheit der elektrischen Anlage. Außerdem ist die Differenzstromüberwachung hinsichtlich der Normenerfüllung sehr empfehlenswert. Um sämtliche Vorteile nutzen und eine hohe Leistung der Anlage gewährleisten zu können, empfiehlt sich eine 2-in-1-Lösung mit einer Kombination aus Energiemessung, Leistungsüberwachung und Differenzstromüberwachung (RCM) in einem System, das alle Ebenen der elektrischen Anlage abdeckt.

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Über den Autor
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Guy Schaaf

Socomec Group, Mannheim

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