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Neuerscheinung DIN VDE 0101-2:2011-11

Erdung von Hochspannungsanlagen

Auf einen Blick Potentialverschleppung verhindern Die Norm enthält Maßnahmen zur Vermeidung von Potentialverschleppungen, die in Hochspannungsanlagen besonders gefährlich werden können

Erdungsanlagen miteinander verbinden Minimalan-forderungen für den Zusammenschluss von Niederspannungs- und Hochspannungserdungsanlagen

Viele Zusatzinformationen Das globale Erdungssystem und die Berührungsspannungskurve, einschließlich des Berechnungsverfahrens, sind in der Norm ausführlich erläutert


Für diese Norm ist das nationale Arbeitsgremium K 222 Errichten von Starkstromanlagen über 1 kV und deren Erdung der DKE (Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik im DIN und VDE) zuständig. Die seit 2010 gültige europäische Norm EN 50522:2010 »Erdung von Starkstromanlagen mit Nennwechselspannungen über 1 kV« ist unverändert in diese Norm übernommen worden. Sie ersetzt zusammen mit der EN 61936-1:2010 das bisherige CENELEC-Harmonisierungsdokument HD 637 S1:1999.

Hintergrund des Entstehens dieser neuen Norm

Da die normativen Regelungen zur Errichtung von Erdungsanlagen in der EN 61 936-1:2010  einen deutlich geringeren Umfang und damit weniger Details aufweisen als das HD 637 S1, beschloss CENELEC, zeitgleich die neue europäische Norm EN 50522-2010 zu erstellen. Diese Norm soll in Ergänzung zur EN 61936-1.2010 den derzeitigen Regelungsbestand des HD 637 S1 für Erdungsanlagen abdecken. Wie in der Norm erwähnt, gelten die Festlegungen der Norm bis zu einer Nennfrequenz von 60 Hz. Bis zum Erscheinen einer entsprechenden Norm sollte der Norminhalt sinngemäß auch für Gleichstromanlagen mit Nennspannungen über 1,5 kV angewendet werden.
028_DE_10_12_EI42_01
Die Inhalte und Abbildungen dieser Norm, welche dreiphasige Systeme beschreiben, gelten sinngemäß auch für ein- oder zweiphasige Systeme. Der Anwendungsbereich schließt Offshore-PIattformen aus. Hiermit sind vorrangig Öl- und Gasbohrinseln oder Ähnliches gemeint. Bei den verstärkt zur Ausführung kommenden Offshore-Anlagen zur Energieerzeugung und -übertragung wird empfohlen, diese Norm anzuwenden.

Es ist beabsichtigt, weitergehende Erläuterungen, in Ergänzung zum Band 11 der VDE-Schriftenreihe, unter Berücksichtigung der neuen DIN VDE 0101-2 (VDE 0101-2) als zusätzlichen Band der VDE-Schriftenreihe herauszugeben. Der Normentext enthält sowohl Textteile, die aus der EN 61936-1:2010 übernommen wurden (kenntlich durch kursiven Text) als auch Textteile, die identisch mit Festlegungen aus dem bestehenden HD 637 S1:1999 sind.

Im Vergleich zu Vorgängernorm DIN VDE 0101:2000-01 wird die bei der neu erschienen DIN VDE 0101-2:2011-11 weitgehend auf normative und informelle Anhänge verzichtet, wobei die durchgeführten Änderungen im Folgenden beschrieben werden.

Maßgebende Ströme für die Bemessung von Erdungsanlagen

Die tabellarische Struktur für maßgebende Ströme zur Bemessung von Erdungsanlagen wurde geändert. Hierzu hat der Autor eine Übersicht erstellt, die online zum Herunterladen bereitsteht unter www.elektro.net/wp-content/uploads/2012/05/de_10-12_EI42_Tabellen.pdf (dort Tabelle 1).

Dabei sind für die Bemessung der Erdungsanlage folgende Parameter von Bedeutung:
  • die Höhe des Fehlerstroms – insbesondere in Abhängigkeit der Ausführung des Sternpunktes des betreffenden Hochspannungsnetzes
  • die Fehlerdauer – insbesondere in Abhängigkeit der Ausführung des Sternpunktes des betreffenden Hochspannungsnetzes
  • tatsächlich vor Ort bestehende Beschaffenheit der Erde.

Vermeidung von Potentialverschleppungen

Neu eingefügt wurden Regelungen für Maßnahmen zur Vermeidung von Potentialverschleppung (DIN VDE 0101-2:2011-11, Absch. 6). Im Bild 1 ist der Verlauf des Erdoberflächenpotentials und mögliche Potentialverschleppung dargestellt. Die neu erschienene DIN VDE 0101-2:2011-11 unterscheidet hierbei grundsätzlich zwischen
  • Potentialverschleppung von Hochspannungsanlagen zu Niederspannungsanlagen
  • Potentialverschleppung zu Telekommunikationsanlagen und anderen Systemen.
Dabei sind jedoch in DIN VDE 0101-2:2011-11 Fernmeldeanlagen in oder in der Nähe von Hochspannungsanlagen nicht geregelt. Allerdings wird die The-matik erläutert und Vorsichtsmaßnahmen beschrieben.
Auf einen Blick Fachbeiträge

Dreiteiliger Fachbeitrag des Autors: Erdung und Potentialausgleich »de«-Ausgaben 13–14.2009, S. 26ff., 15–16.2009, S. 28ff. und 17.2009, S. 33ff.
Die Tabelle 2 der DIN VDE 0101-2:2011-2 – die sich auf Minimalanforderungen für den Zusammenschluss von Niederspannungs- und Hochspannungs-Erdungsanlagen basierend auf der Erdungsspannung (EPR) bezieht – weist nun eine neue Struktur auf. Einen Vergleich für den Zusammenschluss von Nieder- und Hochspannungs-Er-dungs-anlagen zwischen der DIN VDE 0101:2000-01 zur neu erschienen DIN VDE 0101-2:2011-11 hat der Autor in einer weitere Übersicht erstellt, die im Internet zum Herunterladen bereitsteht unter www.elektro.net/wp-content/uploads/2012/05/de_10-12_EI42_Tabellen.pdf (dort Tabelle 2).

Erdungsanlage für Hoch- und Niederspannung

Wenn HS- und NS-Erdung dicht nebeneinander liegen und kein globales Erdungssystem bilden, kann ein Teil der Erdungsspannung (EPR) in das Niederspannungssystem übertragen werden. Hier gibt es die Möglichkeiten
  • Zusammenschluss aller Hochspannungserdungsanlagen mit den Niederspannungserdungsanlagen
  • Trennung der Hochspanungs- und Niederspannungserdungsanlage.
In jedem Fall müssen die Anforderungen an Berührungs- und Schrittspannungen sowie Potentialverschleppung in der Hochspannungsanlage und in der ihr versorgten Niederspannungsanlage erfüllt werden.

Eine gemeinsame Erdungsanlage, welche sämtliche Anforderungen berücksichtigt, ist generell zu bevorzugen.

Niederspannungsversorgung nur innerhalb der Hochspannungsanlage

Wenn sich das Niederspannungsnetz nur innerhalb des Bereiches des Hochspannungsnetzes befindet, müssen beide Erdungsanlagen zusammengeschlossen werden, auch wenn dort kein globlales Erdungssystem vorhanden ist.

Niederspannungsversorgung mit Zu- / Ableitung außerhalb der Hoch-spannungsanlage

Die Anforderungen werden vollständig erfüllt, wenn die Hochspannungserdungsanlage ein Teil eines globalen Erdungssystems ist oder mit einem mehrfach geerdeten Neutralleiter des Hochspannungsnetzes in einem symmetrischen System verbunden ist. Sollte kein globales Erdungssystem vorliegen, müssen die Minimalanforderungen angewendet werden (www.elektro.net/wp-content/uploads/2012/05/de_10-12_EI42_Tabellen.pdf, Tabelle 2). So lässt sich der Sachverhalt feststellen, bei dem ein Zusammenschluss von Erdungsanlagen mit Niederspannungsversorgungen außerhalb der Hochspannungsanlage möglich ist. Bei getrennten Erdungsanlagen ist der Personen- und Sachschutz Schritt- und Berührungsspannung, Potentialverschleppung sowie Beanspruchungsspannung besonders zu berücksichtigen.

Niederspannung in der Nähe von Hochspannungsanlagen

Niederspannungsanlagen, die sich im Einflussbereich von Hochspannungserdungsanlagen befinden, sollten im Sinn der neuen Norm besonders beachtet werden.
Tabelle: Neue Formelzeichen für den Verlauf des Erdoberflächenpotentials und für die Spannungen bei stromdurchflossenen Leitern gemäß Bild 1
Tabelle: Neue Formelzeichen für den Verlauf des Erdoberflächenpotentials und für die Spannungen bei stromdurchflossenen Leitern gemäß Bild 1

Beschreibung des globalen Erdungssystems

Ausführliche Erläuterungen zum globalen Erdungssystem sind im informativen Anhang 0 der DIN VDE 0101-2:2011-11 enthalten. Auf Grundlage des Entwurfes ist der Begriff des globalen Erdungssystems als ein Gebiet definiert, in dem keine oder keine nennenswerte Potentialdifferenz besteht. Diese Definition hat informativen Charakter. Dabei wird der Schwierigkeit der Bestimmung entsprechend darauf hingewiesen, das zur Identifizierung dieser Gebiete keine einfache oder alleinige -Regel verfügbar ist.  Daher gilt im Allgemeinen:

Ein niedriger Gesamtwiderstand ist nützlich, stellt aber keine Sicherheit dar. Daher legt die Norm keine Mindestanforderung für den Widerstand fest. Außerdem können – sogar in Anlagen mit hohem Erdboden- und Gesamtwiderstand – durch Zusatzwiderstände und eine angemessene Potentialsteuerung die Sicherheitsanforderungen erfüllt werden.
  • Ein niedriger Fehlerstrom ist nützlich, da somit die gesamte Erdungsspannung begrenzt wird.
  • Ein geeigneter Reduktionsfaktor des Kabelschirms oder ein Erdleiter-Reduktionsfaktor verteilt den Fehlerstrom so, dass die gesamte Erdungsspannung wirksam begrenzt wird
  • eine kurze Fehlerdauer erhöht die zulässige Berührungsspannung, wodurch die Abweichung – bezogen auf die zulässigen Grenzwerte – kleiner wird.
Zur Gewährleistung der Sicherheitsanforderungen sind zwar unterschiedliche Maßnahmen denkbar, jedoch müssen zur Festlegung konkreter Maßnahmen für ein bestimmtes Gebiet die örtlichen Bedingungen berücksichtigt werden. Hierfür können gängige Mess- und analytische Berechnungsmethoden zur Anwendung kommen.

Typische Fälle, in denen ein globales Erdungssystem vermutet werden kann, sind:
  • Die Anlage ist umgeben von Gebäuden mit Fundamenterdern und verbundenen Erdungsanlagen – z. B. durch Kabelschirme oder Niederspannungsschutzleiter.
  • Eine Anlage versorgt Stadtzentren oder dicht bebaute Gebiete.
  • Eine Anlage versorgt Vorstadtgebiete mit vielen verteilten Erdern, die durch die Niederspannungsschutzleiter verbunden sind.
  • Eine Anlage mit einer bestimmten Anzahl von nahegelegenen Anlagen.
  • Die Anlage enthält eine bestimmte Anzahl und Länge abgehender Erder.
  • Die Anlage ist angeschlossen über mehrere Kabel mit Erderwirkung.
  • Eine Anlage versorgt ausgedehnte Industriegebiete.
  • Die betreffenden Anlagen sind Teil eines Systems mit mehrfach geerdetem Hochspannungsneutralleiter.

Berührungsspannungskurve und Berechnungsverfahren

Die Berührungsspannungskurve nach DIN VDE 0101-2:2011-11, dort Bild 4, wurde der neuen EC/TS 60479-1:2005 angepasst. Das Berechnungsverfahren erläutert DIN VDE 0101- 2:2011-11, Anhang A. Für Personen besteht die Gefahr, dass ein Stromfluss Herzkammerflimmern hervorruft. Die Grenzwerte für betriebsfrequente Vorgänge sind von der zutreffenden Kurve in IEC / TS 60479-1:2005 (DIN V VDE V 0140-479-3:2007-05) abgeleitet. Diese Grenzwerte als Dimensionierungsgrundlage der Sicherheitskriterien gegen zu hohe Körperströme sind unter Berücksichtigung folgender Faktoren in Spannungsgrenzwerte umgewandelt worden, um sie mit den berechneten Schritt- und Berührungsspannungen vergleichen zu können:
  • Anteil des Stromes, der durch die Herzregion fließt
  • Körperimpedanz entlang des Strompfades
  • Übergangswiderstand an den Berührungspunkten des Körpers, z. B. Metallkörper zu Hand (inkl. Handschuhe), Bezugserde zu Fuß (inkl. Schuhe oder Kies)
  • Fehlerdauer.
I. d. R. werden die Anforderungen zur Schrittspannung erfüllt, wenn die Anforderungen zur Berührungsspannung gemäß Bild 4 der DIN VDE 0101:2011-11 eingehalten werden, da die zulässigen Schrittspannungswerte wegen der unterschiedlichen Strompfade durch den Körper sehr viel größer als die Berührungsspannungswerte sind.
028_DE_10_12_EI42_02
Zusätzlich sollte für Anlagen, bei denen die Hochspannungsbetriebsmittel nicht in einer abgeschlossenen elektrischen Betriebsstätte angeordnet sind, ein globales Erdungs-system verwendet werden. Dies soll verhindern, dass Berührungsspannungen, verur-sacht durch Hochspannungsfehler, die Niederspannungsgrenzwerte aus HD 60364-4-4 1 (z. B. 50 V) überschreiten. Die Berührungsspannungsgrenzwerte sind unter Berücksichtigung der Sicherheitskriterien beschrieben (Bild 2). Für eine Stromflussdauer beträchtlich länger als 10 s kann als zulässige Berührungsspannung ein Wert von 80 V (vorher 75 V) verwendet werden.
Über den Autor
Autorenbild
Dipl.-Ing. (FH) Thorsten-Peter Müller

EWE AG, Oldenburg

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