Fehlgriffe in der Elektroinstallation

Alles gut – ist nur Baustrom

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Ein schöner Sonntagnachmittag irgendwo in Deutschland. Die Baustellen ruhen, ein Baukran schlummert vor sich hin und mit den elektrischen Schaltgeräten pflegt man einen »offenen Umgang«. »Schön, das wird mein nächster Beitrag«, denkt sich der Redakteur. Die ­Antwort des Experten kam, wie immer, prompt.

Grundsätzliche Betrachtung

Dieser Baustromverteiler (Bild 1) macht insgesamt schon einen desolaten Zustand und ist definitiv in die Jahre gekommenen. Seine Konfiguration entspricht daher auch nicht mehr den Vorgaben der Berufsgenossenschaft. Nach DGUV Information 203-006:2012-05 gelten die Anforderungen dieser Information auch für vorhandene elektrische Anlagen und Betriebsmittel (z.B. auch für Baustromverteiler), wenn diese auf anderen Baustellen wieder eingesetzt werden. Demnach müssen auch die Anforderungen, die in dieser DGUV Information 203-006 enthalten sind, erfüllt sein.

Außerdem gilt, dass entsprechend der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV), die Sicherheit und der Schutz der Gesundheit von Beschäftigten bei der Verwendung von Arbeitsmitteln gewährleistet werden muss, was eine Risikobeurteilung notwendig macht. Aus dieser Risikobeurteilung würde sich absolut ergeben, dass dieser Baustromverteiler so nicht mehr verwendet werden darf.

Betrieb des Baustromverteilers

Die Hintereinanderschaltung von Baustromverteilern (Bild 2) wird sich in der Praxis nicht vermeiden lassen und es gibt auch diesbezüglich kein Verbot. Das gilt auch unter dem Gesichtspunkt, dass dabei Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) in Reihe geschaltet sind und eine Selektivität nicht gegeben ist.

Fakt ist aber, dass der vorgefundene Baustromverteiler unsachgemäß verwendet wird, da das Gehäuse (Tür) verschlossen und mit einem Schloss gesichert sein muss. Die offen stehende Tür birgt, insbesondere wegen der fehlenden Schraubkappe an der Sicherung, ein hohes Gefährdungspotenzial in sich. Ist ein Baustromverteiler nicht verschließbar, muss eine allpolige absperrbare Trenneinrichtung vorhanden sein. Ungeachtet dessen müsste die fehlende Schraubkappe der Sicherung sofort ersetzt werden. Ob der Verteiler die notwendige Schutzart von IP44 noch erfüllt, wage ich zu bezweifeln.
Es sei auch dahingestellt, ob die vorhandenen RCDs die Anforderungen neuerer Normen und auch die Anforderungen der DGUV Information 203-006 erfüllen. Ein Beispiel dafür wäre, dass in Stromkreisen, die Steckdosen bis einschließlich 32 A versorgen, RCDs mit einem Bemessungsdifferenzstrom nicht größer als 30 mA vorgesehen werden müssen. Das gilt auch für andere Stromkreise, die in der Hand gehaltene elektrische Betriebsmittel (auch bis 32 A) Ob die RCD, nach den »Kokelspuren« (Bild 3) zu urteilen, überhaupt noch funktioniert, möchte ich ebenfalls bezweifeln. Da eine »Prüfplakette« fehlt (nicht zwingend vorgeschrieben), ist zu vermuten, dass die regelmäßigen wiederkehrenden Prüfungen nicht durchgeführt wurden. Die vorhandene ­Plakette dürfte schon viele Jahre alt sein.

Kabel-/Leitungsverlegung

Nach Abschnitt 4.1.2.2 der DGUV Information 203-006:2012-05 müssen an den Stellen, an denen Leitungen mechanisch besonders beansprucht werden können, die Leitungen geschützt verlegt werden, z. B. in/unter Kabelbrücken oder in Schutzrohren. Ob diese besondere Beanspruchung hier zutrifft, möchte ich bezweifeln. Anders mag das bei der im Bild 4 gezeigten Verlegung zu betrachten sein.

Anbringen eines Erders

Entsprechend Abschnitt 4.1.1 von DGUV Information 203-006:2012-05 wird für das TN-System empfohlen (nicht gefordert) möglichst alle Baustromverteiler zusätzlich zu erden. Ist aber ein Erder vorgesehen, dann sollte er auch wirksam sein. Bei dem im Bild 5 gezeigten Erdspieß, muss ich das anzweifeln, da man ihn anscheinende nur mit der Hand eingesteckt hat. Außerdem erweckt auch der Anschluss der Erdungsleitung keinen vertrauenserweckenden Eindruck.

Für TT-Systeme gilt nach Abschnitt 4.1.1 von DGUV Information 203-006:2012-05, dass zur Einhaltung der Abschaltbedingungen eine ausreichend niederohmige Erdverbindung vorgesehen werden muss. Das gilt für jeden einzelnen Baustromverteiler.
Über den Autor
hoermann
Werner Hörmann

Gelernter Starkstrommonteur und dann viele Jahre als Projektant für Schaltan­lagen und Steuerungen bei Siemens tätig. Aktive Normung in verschiedenen Komitees und Unterkomitees der DKE. Seine Spezialgebiete sind u. a. die Er­richtungsbestimmungen nach DIN VDE 0100 (VDE 0100) – insbesondere Schutz gegen elektrischen Schlag –, die Niederspannungs-Schaltanlagen nach DIN EN 60439 (VDE 0660-500 bis -514) oder das Ausrüsten von elektrischen Maschinen nach DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1). Werner Hörmann ist Verfasser zahlreicher Beiträge in der Fachzeitschrift »de« sowie Autor diverser Fachbücher.

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