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Expertentag bei Mebedo

Die Gefährdungsbeurteilung ist das Maß der Dinge

Auf einen Blick Vier Vorträge aus verschiedenen Bereichen Die Vorträge hatten einen gemeinsamen Nenner: was kann für Menschen, Tiere und Dinge im Bereich der Elektrotechnik gefährlich werden?

Causa Arbeitsunfall Nach der neuesten Ausgabe der Betriebssicherheitsverordnung muss der Arbeitgeber eine Gefährdungsbeurteilung vor der ersten Verwendung von Arbeitsmitteln erstellt haben
Seit der Novelle der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) im Juni 2015 sind gut zwei Jahre ins Land gegangen, und dennoch haben sich die wichtigsten Neuerungen noch nicht in allen Köpfen von verantwortlichen Führungskräften verankert. Dabei spielt die Gefährdungsbeurteilung eine wesentliche Rolle. Sie stand im Mittelpunkt des zweiten Expertentages von Mebedo im vergangenen Oktober in Stuttgart.

Wie schon bei den vorangegangenen Veranstaltungen gab es wieder vier ausführliche Vorträge von Kennern der Materie sowie eine begleitende Ausstellung von Partnerbetrieben über den gesamten Tag.

 

Sicherheit von Arbeitsmitteln

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Was ist ein Arbeitsmittel? Mit dieser simplen Frage begann Dr.-Ing. Thorsten Neumann, ö.b.u.v Sachverständiger für Gefährdungsanalysen von Arbeitsplätzen der IHK Koblenz seinen Vortrag. Die Lösung: Ein Arbeitsmittel ist etwas womit gearbeitet wird. So könnte – rein theoretisch – auch ein Hammer gefährlich werden, wenn z. B. der Stiel brüchig ist. Jedoch muss der Nutzer des Hammers in der Lage sein (visuell) die Gefahr, die von diesem Werkzeug ausgehen könnte, einzuschätzen.

Selbstredend ist die Gefahr bei Maschinen größer und eine Gefährdungsbeurteilung (GBU) Pflicht. So heißt es im §3, Absatz 1 der BetrSichV: »Der Arbeitgeber hat vor der Verwendung von Arbeitsmitteln die auftretenden Gefährdungen zu beurteilen (Gefährdungsbeurteilung) und daraus notwendige und geeignete Schutzmaßnahmen abzuleiten.«

Ein interessanter Aspekt kommt dann noch in Absatz 2 in einem der Unterpunkte dazu: »Bei der Gefährdungsbeurteilung ist insbesondere Folgendes zu berücksichtigen: … die physischen und psychischen Belastungen der Beschäftigten, die bei der Verwendung von Arbeitsmitteln auftreten.« So muss diesbezüglich die GBU von fachkundigen Personen durchgeführt werden. An dieser Stelle meldete sich ein Teilnehmer zu Wort und sagte, dass er aufgrund dieses Absatzes die Anfertigung einer GBU ablehnte und von Vorgesetzten zur Rede gestellt wurde. »Das kann nicht sein«, konterte Stefan Euler, Geschäftsführer der Mebedo Consulting GmbH den Rüffel seitens der Vorgesetzten des Teilnehmers, weil »kein Techniker könne allein die gesamte Fachkunde im Bereich Arbeitssicherheit innehaben.«

Brandrisiko in elektrischen Anlagen

Bild 1: Der Prozess einer fachgerechten Errichtung 
einer elek­trischen Anlage bein­haltet vier Schritte
Bild 1: Der Prozess einer fachgerechten Errichtung einer elek­trischen Anlage bein­haltet vier Schritte
Der Vortrag von Holger Bluhm war in drei Themenblöcke unterteilt. Bluhm ist vielen Lesern als Autor der Rubrik Praxisproblem bekannt und hauptberuflich als VdS-anerkannter Sachverständiger zum Prüfen elektrischer Anlagen unterwegs. So konzentrierte er sich zunächst auf die sogenannte »Klauselprüfung« aus Sicht der Feuerversicherer. Hierbei ist nach SK 3602 der Versicherungsnehmer dazu verpflichtet, in einem eigens dafür festgelegten Zeitraum und auf eigene Kosten seine elektrische Anlage überprüfen zu lassen. Dies muss durch einen vom VdS oder einer gleichwertigen Stelle zertifizierten Sachverständigen geschehen.

Stellt der Sachverständige Schäden oder Gefahren fest, muss er dies in einem Zeugnis festhalten und eine Frist zur Schadensbeseitigung ausstellen. Kommt der Versicherungsnehmer seiner Pflicht nicht nach, die Anlage wieder instand zu setzen, so »ist der Versicherer … zur Kündigung berechtigt oder auch ganz oder teilweise leistungsfrei.« Holger Bluhm kam an dieser Stelle auch auf die immer wieder diskutierte Verfügbarkeit von Altanlagen zu sprechen. So spricht man – juristisch gesehen – bereits bei 25 Jahre alten Anlagen von »Erneuerung«. Bei einer Anlage die 40 Jahre und mehr alt ist, verwies er auf die Problematik, dass für viele Teile in der Anlage keine Ersatzteile mehr beschafft werden könnten, und dies eine VEFK dem Betreiber/Arbeitgeber auch dringend darlegen sollte.

In seinem zweiten Themenblock sprach er über das Thema der Umrüstung von Leuchtstofflampen (LL-Lampen) mit Hilfe von LED-Retrofit-Lampen. Hierbei unterschied er die beiden Varianten
  • Einsatz einer LED-Röhre mit entsprechendem Starter
  • Konversions-Variante (Umbau der bisherigen Leuchte).
Bild 2: Ladekabel für Mode 2
Bild 2: Ladekabel für Mode 2
Bei der ersten Variante muss man ein Augenmerk auf das Vorschaltgerät haben und kann bislang die Leuchte nicht mit einer elektronischen Ausführung (EVG) betreiben. Bei der zweiten Variante ist man durch den Umbau gleichermaßen Hersteller und für die Sicherheit der Leuchte zuständig. Bluhm zitierte auch aus einem Text von Trilux: »Trilux ist in der Lage, Leuchten speziell für den Betrieb von LED-Retrofit-Lampen anzubieten. … Trilux empfiehlt den Betrieb von LED-Retrofit-Lampen dennoch nicht.«

Schließlich ging der Redner noch auf das allseits beliebte Thema »elektrotechnischer Brandschutz mittels AFDD« ein. In dieser teilweise heftig geführten Diskussion der zurückliegenden Monate hat er eine klare Meinung: »AFDD macht Sinn, aber nicht nach dieser unausgereiften Norm.« Schließlich hatte er für die Anwesenden ein eindeutiges Fazit parat: viele Probleme lassen sich von Beginn an vermeiden, wenn die Anlage nach dem 4-Stufen-Prinzip errichtet wurde (Bild 1).

Normgerechtes Prüfen in der E-Mobilität

Ein wesentlicher Bestandteil des Vortrags von Markus Nolte, Produktmanager bei Mennekes, war die Prüfungen der Ladebetriebsarten und Betriebszustände nach IEC/DIN EN 61851-1 (VDE 0122-1) »Elektrische Ausrüstung von Elektro-Straßenfahrzeugen – Konduktive Ladesysteme für Elektrofahrzeuge«. Insgesamt gibt es vier Ladebetriebsarten (LBA):
  • LBA 1: Sie findet heute kaum noch Verwendung. Die Ladung erfolgt an einer Schutzkontakt- oder CEE-Steckdose. Durch die fehlende Ladesteuerung kann sich jedoch die Steckdose stark erhitzen.
  • LBA 2: Hier ist – als Unterschied zu LBA 1 – eine Steuer- und Schutzeinrichtung in das Kabel integriert (IC-CPD, Bild 2). Diese Sicherheitsmechanismen greifen jedoch nur fahrzeugseitig und dienen deswegen nur als Not- oder Übergangslösung, da auch hier die Steckdosen der elektrischen Anlage überlastet werden.
  • LBA 3: Hier kommt der von Mennekes in Zusammenarbeit mit Fahrzeugherstellern entwickelte Typ-2-Stecker ins Spiel. Ergänzend zu einer Typ-2-Steckdose oder einer fest verbundenen Ladeleitung enthalten die Ladestationen weitreichende Kommunikations- und Sicherheitseinrichtungen. In Verbindung mit der fachgerechten Installation durch einen Handwerksbetrieb, ist diese Variante den anderen vorzuziehen.
  • LBA 4: Dies ist das sogenannte Gleichstromladen (DC-Laden) und ist für höhere Ladeleistungen gedacht. Unterstützt das E-Fahrzeug diese Ladebetriebsart, kann durch sie die Ladedauer erheblich verkürzt werden. Eine Variante dieser Art ist das »Combined Charging System« (CCS), dass das Laden sowohl per Gleich- als auch Wechselstrom ermöglicht und dennoch nur eine Schnittstelle am Fahrzeug erfordert (Bild 3).

Ein Arbeitsunfall – der Ernstfall für Führungskräfte

Bild 3: CCS-Inlet (Fahrzeug) mit zusätz­lichen Kommunikations-Pins »CP« 
(Control Pilot) und »PP« (Proximity Pilot)
Bild 3: CCS-Inlet (Fahrzeug) mit zusätz­lichen Kommunikations-Pins »CP« (Control Pilot) und »PP« (Proximity Pilot)
Häufig sehen wir den Arbeitsschutz durch »unsere Brille«, nämlich die der Elektrofachkraft. Doch wie sieht das ein Richter, der sich zum einen selten mit fachspezifischen Begriffen auskennt und zum anderen aber entscheiden muss, wer Schuld hat.

Hilfreich ist da ein Vortrag wie der von Dr. Klaus Gregor, ehemaliger Richter am Landgericht Würzburg. So schilderte er einen Fall aus der Bürowelt. Hier erlitt eine Angestellte an einem Kopierer einen Stromschlag und verstarb nicht sofort am Arbeitsplatz sondern erst am Abend zuhause.

Sie erlitt den Stromschlag, da sie ihrer Kollegin einen Gefallen tun wollte und sich um einen Papierstau kümmerte. Dabei öffnete sie auch drei untere Klappen, was sie nicht hätte tun dürfen.
  • Welche Fehler lagen vor, und wer trug Schuld? Zunächst gab es eine Verkettung von teilweise unglücklichen Umständen:
  • Normalerweise hätte die Frau sofort ärztlich untersucht werden müssen.
  • Für die Arbeit am Kopierer gab es keine Gefährdungsbeurteilung.
  • Es erfolgte auch nie eine Unterweisung für die Arbeit am Gerät, obgleich der Hersteller in seiner Bedienungsanleitung auf die Gefahr durch das Öffnen der Klappen hingewiesen hatte.
  • Diese wiederum konnte man ohne Werkzeug öffnen und unter Umständen so einen aktiven Leiter berühren.
Der Schuldige war dennoch der Betreiber des Kopierers. Hauptgrund war die fehlende GBU. Hier schloss sich nun wieder der Kreis. Spätestens an diesem Punkt musste jedem Teilnehmer der Veranstaltung wieder klar geworden sein, wie wichtig diese ist.
Über den Autor
Autorenbild
Marcel Diehl

Redaktion »de«

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