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Internationales Symposium in Dresden

Elektrische Sicherheit im 21. Jahrhundert

Auf einen Blick Internationales Symposium beschäftigt sich mit Elektrischer ­Sicherheit im 21. Jahrhundert

Themen des Kongresses waren u.a. der Stand der elektrischen ­Sicherheit in Deutschland, Verletzungen durch Elektro­unfälle sowie Fehlerlichtbögen und AFDD

Versuchsstand an der TU Dresden demonstriert Entstehung und Auswirkungen von Störlichtbögen in der Niederspannung
Das internationale Symposium wurde als Gemeinschaftsveranstaltung von BG ETEM, DKE im VDE und issa Session for electricity, gas and water organisiert (Bild 1, weitere Informa­tionen siehe Infokasten).

Die gut 70 Teilnehmer­innen und Teilnehmer kamen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Frankreich, Schweden, Slowenien, Russland, Tschechien, der Türkei, Australien und den Vereinigten Staaten (Bild 2).

Aspekte der elektrischen Sicherheit

Michael Teigeler, Geschäftsführer der DKE, ging in seinem Einleitungsvortrag auf unterschiedliche Aspekte der elektrischen Sicherheit im digitalen Zeitalter ein. Da im Internet of Things alles mit allem verknüpft sei, stellten sich ganz neue Fragen an die Sicherheit von elektrischen Geräten und zwar sowohl im Sinne von Datensicherheit (Security) als auch im Sinne von elektrischer Sicherheit (Safety). Auch vermeintlich einfache elektrische Geräte könnten nun plötzlich unsicher werden durch ihre »Smartness«.
Jens Jühling von der BGETEM bei der Eröffnung des Symposiums; 
Foto: André Wirsig/ BG ETEM
Jens Jühling von der BGETEM bei der Eröffnung des Symposiums; Foto: André Wirsig/ BG ETEM
Als Beispiel hierfür erwähnt Teigeler den Bereiche Automotive Development. Das Automobil entwickle sich von einem rein mechanischen zu einem digital vernetzten Objekt. Ein wichtiger Aspekt sei hier beispielsweise die intelligente Verkehrsführung.

Durch die zunehmende Komplexität wachse auch die Notwendigkeit von Standardisierungen. Bei der DKE sind momentan 9000 Experten in 450 Arbeitsgruppen und 290 Komitees mit der Standardisierung befasst. Im Schnitt werden 400 Normierungen pro Jahr veröffentlicht, Tendenz steigend.

Christian Rückerl vom Institut zur Erforschung elektrischer ­Unfälle bei der BG ETEM gab in seinem Referat einen kurzen Überblick über den aktuellen Stand der elektrischen Sicherheit in Deutschland. Elektro­unfälle werden bei der BG ETEM seit 1968, also seit 50 Jahren, systematisch erfasst. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 110.000 Elektrounfälle registriert.
Bild 2: Gut 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus elf verschiedenen Ländern besuchten das Symposium; Quelle: BGETEM, Andre Wirsing
Bild 2: Gut 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus elf verschiedenen Ländern besuchten das Symposium; Quelle: BGETEM, Andre Wirsing
Im Jahr 2017 gab es 655 meldepflichtige Stromunfälle, darunter allerdings glücklicherweise nur einen Strom­unfall mit Todesfolge. Von den erfassten meldepflichtigen Stromunfällen im Jahr 2016 entfielen 88 % auf die Niederspannung und knapp 2 % auf Hochspannung. Bei den Stromarten entfielen knapp 94 % der Unfälle auf Wechselstrom und nur 5 % auf Gleichstrom. Die Zahl der elektrischen Unfälle in PV-Systemen ist nach einem vorübergehenden Höhepunkt im Jahr 2010 stark rückläufig.

Rückerl ging auch ausführlich auf die unterschiedlichen Verletzungen bei Elektro­unfällen in Wechselstrom- und Gleichstromsystemen ein. Die Statistik zeigt hier, dass es in der Summe keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Stromarten gibt. Abweichungen gibt es aber bei der Art der Verletzungen.
Electricity and Safety in the 21st Century
Das internationale Symposium »Electricity and Safety in the 21st Century« ist eine ­Gemeinschaftsveranstaltung von BG ETEM (Berufsgenossenschaft Energie Technik ­Elektro und Medienerzeugnisse), DKE ­(Deutsche Kommission Elektrotechnik Elek­tronik Informationstechnik) im VDE und issa Session for electricity, gas and water. Das Symposium in Dresden war die dritte Veranstaltung dieser Art. Das Symposium findet im 2-Jahres-Rhythmus statt. Premiere war am 28. und 29. August 2014 im Rahmen des XX. Weltkongresses für Arbeitssicherheit in Frankfurt am Main. Das nächste Symposium ist für Oktober 2020 geplant und soll während des XXII. Weltkongresses für Arbeits­sicherheit im kanadischen Toronto stattfinden. Weitere Informationen gibt es unter www.electricity-safety.info

Verletzungen durch Strom­unfälle

Der zweite große Vortragsblock befasste sich mit den medizinischen Folgen von Stromunfällen. Hai Jiang von der US LLC, Pia Schneeweiß vom Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit an der RWTH Aachen und Michael Koch von Eaton stellten verschiedene Simulationsmodelle, Versuchs­ergebnisse und Berechnungen zu den Auswirkungen von Stromunfällen auf den menschlichen Körper, wie Herz-Rhythmus-Störungen, Kammerflimmern und Verbrennungen vor.
Messungen mit einem Haarfön in einer bauglleichen dadewanner; Quelle: Bauer, 2018
Messungen mit einem Haarfön in einer bauglleichen dadewanner; Quelle: Bauer, 2018
Björn Kasper von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) befasste sich anschließend mit einem konkreten Stromunfall, dem tragischen Tod zweier Kinder in einer Badewanne in Kassel im Jahr 2013. Mutmaßlicher Auslöser des tödlichen Stromschlags war ein elektrischer Haarschneider, der in die Wanne gefallen war. Der VDE-Fachausschuss Sicherheits- und Unfallforschung (VDE/SUF) befasste sich ausführlich mit dem Fall.

Ein besonderer Fokus lag dabei auf der Frage, welche Konsequenzen sich hinsichtlich der zukünftigen Normengestaltung aus dem Unfall ergeben sollten. Die detaillierte Untersuchung der Gegebenheiten vor Ort ergab allerdings, dass sowohl die elektrischen Leitungen als auch das elektrische Gerät selbst, der Haarschneider, technisch einwandfrei waren und dem neuesten Stand der Technik entsprachen und somit keine wirkliche Erklärung für den tödlichen Unfall liefern konnten (Bild 3). Die Stahlblechbadewanne war geerdet und in den Potentialausgleich eingebunden. Auch die medizinische und toxikologische Untersuchung der Kinder ergab keine klaren Ergebnisse. Ein Stromschlag konnte als Ursache des Todes weder eindeutig nachgewiesen noch ausgeschlossen werden.

Der VDE zog damals folgendes Fazit: »Aus den Untersuchungsergebnisse lassen sich weder eine Forderung nach Änderung der Schutzklasse elektrischer Geräte im Badezimmer noch einer Anpassung des Normenwerks ableiten.« Dennoch könnten aus dem Vorfall und der detaillierten Untersuchung einige Lehren für die Normung zur elektrischen Sicherheit gezogen werden. So könnte die Absenkung des Bemessungsfehlerstromes von RCD in Badstromkreisen von 30 mA auf 10 mA für verschiedene Unfallszenarien vorteilhaft sein.

Reinhard Hirtler von der ESF in Wien berichtete im Anschluss daran über die Selbstversuche des österreichischen Physikers und Elektropathologen Gottfried Biegelmeier mit elektrischen Stromschlägen.

Elektrische Sicherheit in Batterie- und Speichersystemen

Oliver Schindler von ITW-Schindler und Mitja Koprivšek von ETI Elektroelement aus Maribor in Slowenien befassten sich in ihren Vorträgen mit der elektrischen Sicherheit bei der Fehlersuche an hochenergetischen Li-Ionen-Batterien. Während sich Schindler mit dem Aspekt der Verantwortlichkeit (mit welcher Qualifikation darf ich welche Arbeiten ausführen) und der Arbeitssicherheit befasste, erläuterte Koprivšek die notwendigen Schutzmaßnahmen (Überstromschutz) bei Hochvolt-Batteriesystemen.

Fehlerlichtbögen und Fehlerlichtbogenschutz

Bild 4: Mikhail Golovkov von ArcFlash-CRT erläutert die Entstehung eines Lichtbogens an einer Hochspannungsleitung
Bild 4: Mikhail Golovkov von ArcFlash-CRT erläutert die Entstehung eines Lichtbogens an einer Hochspannungsleitung
Im letzten großen Block des Symposiums ging es um das Thema Fehlerlichtbogen und Fehlerlichtbogenschutz. Zunächst referierte Barry Contrael von Siemens über die Entwicklung der Marktakzeptanz von Fehlerlichtbogen-Schutzeinrichtungen (AFDD) in Nordamerika. Über ein Drittel der Brände in den Vereinigten Staaten wurden 1994 durch Elektrizität verursacht. Etwa 30 % davon hätten durch ein AFDD vermieden werden können. Mit der zunehmenden Markteinführung der AFDD seit 2007 ist die Zahl der elektrisch verursachten Brände in den USA signifikant zurückgegangen. Bis 2020 sollen 12 % aller Haushalte durch AFDD gesichert werden.

Mikhail Golovkov  von ArcFlash-CRT (Bild 4)befasste sich anschließend ausführlicher mit den physikalischen Hintergründen von parallelen und seriellen Störlichtbögen und erläuterte die Wirkweise von Störlichtbogenschutzeinrichtungen. Das Lichtbogenverhalten werde durch die Kombination von Elektrodenkonfiguration, Nennspannung der elektrischen Installation sowie die Art der Wärmeverteilung bestimmt, so Golovkov. In seinem Vortrag zeigte Golovkov auch einige besonders markante Aufnahmen von Stör­lichtbögen mit teilweise verheerenden Auswirkungen auf Mensch und Umwelt .

Besichtigung des NARC der ­TU Dresden

Bild 5: Versuchsaufbau für einen dreipoligen Störlichtbogen am Versuchsstand des NARC; Quelle: NARC – National Arc Fault Research Center
Bild 5: Versuchsaufbau für einen dreipoligen Störlichtbogen am Versuchsstand des NARC; Quelle: NARC – National Arc Fault Research Center
Den Abschluss des Symposiums bildete eine Besichtigung des National Arc Fault Research Centers (NARC) der Technischen Universität Dresden. Das NARC beschäftigt sich seit 2017 mit der Untersuchung von Störlichtbögen in der Niederspannung.

Zunächst referierte Karsten Wenzlaff, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Elektrische Energieversorgung und Hochspannungstechnik, über neue Methoden der Detektion von hochenergetischen Fehlerlichtbögen in Niederspannungsanlagen.

Nach einer kurzen Besichtigung des Instituts wurden die Auswirkungen von Fehlerlichtbögen auf dem Testgelände des NARC bei drei verschiedenen Experimenten live demonstriert. Die Versuchsanlage des NARC (Bild 5) besteht aus einem 10-kA-Licht­bogenversuchs­­stand, Messtechnik, High-Speed-Kamera, Test-Dummys, Störlichtbogenschutzsystemen und Demon­strations­­aufbauten. Am Versuchsstand wird die Ein- und Auswirkung von Lichtbögen auf Schutzsysteme und Betriebsmittel erforscht (weitere Informationen unter https://narc.et.tu-dresden.de).
Bild 6: Störlichtbogen beim dritten Experiment mit Lichtbogen-Dummy
Bild 6: Störlichtbogen beim dritten Experiment mit Lichtbogen-Dummy
Im ersten Experiment wurde die Charakteristik einer NH2-Sicherung mit 250 A bei einem Störlichtbogen demonstriert. Störlichtbögen im Niederspannungsbereich sind ungewollte elektrische Luftstreckenverbindungen zwischen Leitern unterschiedlichen Potentials. Gründe für deren Entstehen können etwa Alterungserscheinungen von Leitermaterialien und Isolierungen oder Fehlverhalten durch Personen sein. Konventionelle Schmelzsicherungen bieten keinen ausreichenden Schutz bei Störlichtbögen, da der Lichtbogen den prospektiven Kurzschlussstrom der Anlage signifikant reduziert. Das typische Verhalten wurde mit einem 1-poligen Lichtbogen am Lichtbogenmodul gezeigt.

Im zweite Versuch wurde ein Störlicht­bogenunfall an einem Niederspannungs­kabel bei Montagearbeiten in der Nähe einer Trafostation nachgestellt. Der Lichtbogen­versuch zeigte die Auswirkung bei einem Störlichtbogenfehler an einer Kabel­anlage in der Nähe der Einspeisung.
Bild 7: Die Kleidung des Dummy gerät durch den Lichtbogen in ­Flammen
Bild 7: Die Kleidung des Dummy gerät durch den Lichtbogen in ­Flammen
Im letzten Experiment wurde schließlich die Auswirkung von Störlichtbögen bei Arbeiten ohne Arbeitsschutzbekleidung demonstriert (Bilder 6 und 7). Ein Lichtbogen-Dummy in Freizeitkleidung steht hier etwa 50 cm von einem 3-poligen Störlichtbogen entfernt. Die Kleidung des Dummy gerät sofort in Flammen. Der Versuch demonstrierte die Intensität des Lichtbogens durch die freigesetzte Energie in Form der elektromagnetischen Strahlung, Schallwirkung und verdampfenden Materialien. Deutlich wird damit die erhebliche Gefährdung für Personen mit unzureichender Schutzkleidung während der Durchführung von elektrotechnischen Arbeiten.

 

 
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Michael Wanner

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