Praxisfrage

Schutzleiterverbindungen in Schaltschränken

U. K. aus Baden-Württemberg | 09.01.2017

Potentialausgleich

(Erdungen an Schaltschränken) Wir bauen Schaltschränke für die Industrie und erden unsere Schaltschränke immer nach bestem Wissen. Vor ein paar Wochen machte ich mal eine Erdungsmessung an einem Rittalschrank, ohne vorher den Schrank mit Leitungen geerdet zu haben. Was soll ich sagen, es waren Topwerte. Egal ob Rahmen, Seitenwände, Rückwand oder Tür überall Topwerte. Wird es nicht übertrieben, mit den Erdungen am Schaltschrank? Was muss man erden, obwohl die Werte top sind? Ich lernte meinen Beruf vor 35 Jahren bei der Firma Siemens und damals gab es noch lackierte Montageplatten. Dass man die Farbe (um die Erdschraube) entfernen musste, um die Montageplatte zu erden war klar, aber heute ist doch die Montageplatte verzinkt und schon über die Zuleitung geerdet, wenn man die richtigen Klemmen verwendet oder nicht? U. K., Baden-Württemberg

Expertenantwort vom 22.09.2017

Werner Hörmann

Gelernter Starkstrommonteur und dann viele Jahre als Projektant für Schaltanlagen und Steuerungen bei Siemens tätig. Aktive Normung in verschiedenen Komitees und Unterkomitees der DKE. Seine Spezialgebiete sind u. a. die Errichtungsbestimmungen nach DIN VDE 0100 (VDE 0100) – insbesondere Schutz gegen elektrischen Schlag –, die Niederspannungs-Schaltanlagen nach DIN EN 60439 (VDE 0660-500 bis -514) oder das Ausrüsten von elektrischen Maschinen nach DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1). Werner Hörmann ist Verfasser zahlreicher Beiträge in der Fachzeitschrift »de« sowie Autor diverser Fachbücher.

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Kommentare aus der Community (1)

A. H.

Sachsen

18.11.2019

09:49 Uhr

Die Gewährleistung der Schutzmaßnahme in metallenen Schaltschränken, um die es hier sicher gehen soll ist gerade heute im Zeitalter der Elektronik, Industrie 4.0 unter gleichzeitiger Beachtung der EMV ein interessantes Thema. In Anwendung der bereits benannten Normen gibt es sicher Kollegen, die am liebsten nach dem Motto Erden so viel wie möglich auch jede Schraube einzeln erden würden, was sicher übertrieben ist. Die Schutzmaßnahme wird so sicher gewährleistet, die EMV und das sicher nicht erst bei der Anwendung von FU sicher nicht. In einem Verteiler oder Maschinenantriebsschaltschrank gibt es sicher einige Kabel und Leitungen mit größeren Strömen. Diese erzeugen bekanntlich um sich ein Magnetfelder, die wiederum in leitfähigen Bauteilen und Betriebsmitteln Spannungen induzieren. Da sich zwischen den im Betrieb Strom durchflossenen Leiter und den anderen leitfähigen Bauteilen meist nicht ferromagnetische Isoliermaterialien z.B. auch Luft befinden sind die indizierten Spannungen relativ gering und aus Sicht der Schutzmaßnahme meist irrelevant. In geschlossenen den stromdurchflossenen Leiter umgebenden Gehäusen heben sich diese Wirkungen üblicherweise auf, Schirmwirkung, Faradayischer Käfig auch umgekehrt wie in der Mikrowelle. Anders sieht das mit diskreten länglichen leitfähigen Bauteilen im inneren der Schaltschrankes aus, z.B. Gerüste, Hutschienen, PE Schienen. So induziert beispielsweise ein Leiter mit 100 A 50 Hz auf einer Länge von 100 mm eine Spannung von einigen mV, Beispiel dafür wäre der N Leiter in einer Anlage mit 500 A Phasenlast und gemischten Verbrauchern, wo 20 % N Leiter Strom nicht ungewöhnlich sind. Diese benannten Spannungsinduktionen treten dann in parallel zum meist vereinzelt als Ader geführten N Leiter, N Sammelschienen von Reihenklemmen oder N – Schienen letifähigen Bauteilen auf. Je nach dem wie lang solche parallelen Wegstrecken sind, gibt es auch Induktionen im zweistelligen mV Bereich. Sehr empfänglich dafür sind parallel zum N Leiter geführte PE Leiter ohne Abstand, meist Adern – weil es schön aussieht oder PE Leiter mit einigen mm Abstand, PE Schienen oder Hutschienen. Wenn diese PE Leiter, z.B. PE Schienen, dann beidseitig fest direkt leitfähig mit dem Gehäuse oder Gestell verbunden wurden, werden dann durch diese Spannungen im mV Bereich dauerhaft Ströme im ein bis zweistelligen Amperebereich angetrieben. Beispiel N Leiter –Schiene 100 A, parallele PE Schiene ca. 100 qmm Länge 2 m, induziere Spannung ca. 20 mV, Widerstand R = 0,018 Ohm * 2 m / 100 qmm = 0,00036 Ohm. Unter der Annahme, daß die Verbindung zwischen den beiden Anschlußpunkten über die sonstigen leitfähigen Bestandteile des Schaltschrankes eine ähnliche Größenordnung haben, Gesamtwiderstand verdoppelt 0,00036 Ohm ergäbe sich ein Strom von 27 A. Bei einem Faktor von 10 für diesen Rückweg aus Stahl und Eisen wäre dieser die bestimmende Größe und es ergäbe sich ein Strom von 5 A. Eine Größenordung die man sicher in jedem Schaltschrank dieser Größenordnung reproduzierbar messen kann. Selbst ohne TN – C Netz im TN – S Netz ist das eine der entscheidenden Quellen für die sogenannten vagabundierenden Ströme, die wohl deshalb so heißen, damit sie ein Mystikum sind, um das sich nicht kümmern muß. Die Kunst besteht also darin Verbindungen in eine Schaltschrank so zuführen, um solche Induktionen und damit die daraus resultierenden Ströme zu vermeiden und zweitens wenn diese doch auftreten, dafür zu sorgen, daß sich keine niederohmige Maschen bilden können, die solche Ströme zulassen. In einigen Normen und Vorschriften wird nämlich gefordert in Verteilern PE Ströme zu messen und zu bewerten, VDE 0100-510, VDE 0100-420, VdS 2871 oder ein Verbot Steuerströme über den PE Leiter zu führen, VDE 0100-540. Wenn man diese einhalten oder danach handeln will muß man zuerst unabhängig davon ob ein Betriebsmittel Schaltschrank SK 1 oder SK 2 ist, dieses mit gegenüber dem Gehäuse isoliertem PE Leiter oder Hutschienen aufbauen. Zur Sicherung der Schutzmaßnahme unter Beachtung der EMV dürfen diese leifähigen Bauteile nur jeweils einmal mit dem PE Anschluß der Anlage zweckmäßig sternförmig verbunden werden. Verbindungen von mehreren Feldern eines Schaltschrankes sollten ebenfalls, so erforderlich mit kurzen PE Verbindungen untereinander hergestellt werden oder mit direkten PE – Ausgleichsverbindungen von einem Punkt im Bereich der Einspeisung, die aber dann quer zu und abgeschirmt von anderen Strom führenden Adern entfernt verlegt sind. Analog zur Installation von kurzen Reihenklemmenböcken mit kurzen N Schienen, max.5 -10 cm bei Anwendung von RCD sollte man daher auch bei Installationen ohne eine solche Anordnung wählen und dabei den N Leiter als Ader oder Schiene immer parallel zu den Phasenleiter mit bis zu den Anschlüssen der Abgänge führen. Wenn man dann unter den Abgangsklemmen im Bereich der flexiblen inneren Verbinder noch genügend Platz läßt, damit bei Bedarf auch die dauerhafte Überwachung mit RCM vorgesehen oder nachrüstet werden kann, ist man sicher auf einem guten Wege einer EMV freundlichen Installation mit dem Fazit Erding nicht so viel wie möglich sondern so viel wie nötig und richtig.

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