Praxisfrage

Übergangsfrist in DIN VDE 0100-420

T. L. aus Bayern | 19.12.2019

Wir planen etwa seit März 2019 den ersten Bauabschnitt eines Wohnbocks. Der Baubeginn für den Rohbau ist voraussichtlich im ersten Quartal dieses Jahres. Der zweite Bauabschnitt befindet sich derzeit in der Entwurfsphase des Architekten. Planungsbeginn für das Elektro-Gewerk ist jetzt, also Januar 2020. Der Baubeginn ist noch offen.

Bei der Diskussion über die Notwendigkeit von AFDDs in diesem Bauvorhaben, speziell im ersten Bauabschnitt, ergab sich folgende Frage: Ist die neue DIN VDE 0100-420:2019-10 umzusetzen oder kann noch nach alter Norm weiter geplant werden?

Außerdem: Wie ist die Aussage in der Norm zu deuten, dass für in Planung oder bereits in Bau befindliche Anlagen eine Übergangsfrist bis 30.9.2021 besteht? Wie lange befindet sich eine Anlage in Planung oder Bau? Müssen wir, solange die Planung nicht abgeschlossen ist, neue Versionen einer Norm berücksichtigen oder können wir nach der alten Version bis zum Ende der Übergangsfrist weiterplanen?

T. L., Bayern

Expertenantwort vom 15.01.2020

Karsten Callondann

Studium der Elektrotechnik. Jahrelange Tätigkeit bei Planung und Projektierung im Anlagenbau. Nach über zehnjähriger Tätigkeit im Bereich der Schadenverhütung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) ist er seit 2017 für die Zertifizierung von Elektrofachkräften bei der VdS Schadenverhütung GmbH verantwortlich. Mitarbeit in diversen DKE-Normungsgremien.

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Kommentare aus der Community (1)

A. H.

Sachsen

07.01.2020

15:13 Uhr

Das Thema beinhaltet zwei Fragen. Erstens die nach der Anwendung von Übergangsfristen in VDE Normen und zweitens im konkreten Fall die Frage nach dem AFDD. Übergangsfristen in VDE Normen sind dazu gemacht, damit insbesondere bei längeren Bauvorhaben nicht inmitten der Bauausführung bereits nach alten Normen geplante oder in Bau befindliche Anlagen mit hohem Kostenaufwand nach neuen Normen geändert werden müssen. Wenn also eine Anlage vor Erscheinung der Norm im Oktober 2019, z.B. ab Juni 2019 geplant und die Errichtung begonnen wurde und die Errichtung vor dem 30.09.2021 inclusive aller erforderliche Abnehmen fertiggestellt ist, dann darf !!!! bis dahin die Anlage nach der alten Norm errichtet werden, wenn das als zweckmäßig erachtet wird. Das heißt aber nicht das man das auch so tun muß. Grundsätzlich kann der Auftraggeber verlangen, daß man immer nach aktuellen Normen baut. Bei solchen Zeitüberschneidungen sollte man sich daher schriftlich mit dem AG über die anzuwendenden Normenteile verständigen, gerade wenn wie hier erst im Januar 2020 mit der Planung begonnen wird. Planen sollte man ab Planungsbeginn immer nach neuen Normen aktuellen Normen, zumal wie hier geschildert der Baubeginn und damit das Ende noch offen ist. Grundsätzlich kann man sogar auf Basis von Normentwürfen planen und ausführen, muß dieses jedoch beidseitig zwischen AN und AG möglichst schriftlich abstimmen und bestätigen, im gegebenen Fall wäre das der Entwurf vom Dezember 2018 gewesen. Im konkreten Fall zum Thema AFDD wurde gegenüber der Ausgabe 2016 bzw. der Normenänderung vom Februar 2017 die vorher mit "sind anzuwenden" verbindlichere Vorgabe der Norm auf den Status "empfohlen" zurückgesetzt. Die Spezifikation Wohn- und Schlafräume von Altenheimen und Kindereinrichtungen ist entfallen. Es hat lediglich den Anschein, daß die Anwendungsempfehlung Schlafräume ohne Spezifikation eine Erweiterung darstellt. Die ist jedoch lediglich dem ursprünglichen internationalen Text geschuldet und bezogen auf die Praxis paradox und widersprüchlich. Ein AFDD ist für Auslöseströme für serielle Fehlerlichtbögen von 2,5 A genormt. Während des Schlafes in einem Raum mit Schlafgelegenheit werden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gleichzeitig 2,5 A x 230 V = 575 W Musikboxen oder ähnliche Geräte mit großer Leistung betrieben. Bei allen anderen Anwendungen mit kleiner Leistungen würde die AFDD Technologie selbst bei einem seriellen Lichtbogen nicht reagieren. Insofern ist dieser Satzteil der Normung stark widerspüchlich und kann schon aus diesem Grund kein laut Gesetz geforderter allgemein anerkannter Stand der Technik sein, der nur auf Grund vermeintlicher
internationaler Vorgaben so übernommen wurde.
Die neu geforderte Gefährdungsbeurteilung ergibt sich aus einer anderen Norm, VDE 0100 - 410 : 2018 - 10 unter 411.3.3. in einer schon seit Ausgabe 2007 dort vorhanden Anmerkung "Zur Erfüllung dieser Anforderung empfiehlt sich der Einsatz einer netzspannungsunabhängigen Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD) mit eingebautem Überstromschutz (FI/LS-Schalter)…. in jedem Endstromkreis. Diese Schutzeinrichtungen ermöglichen Personen-, Brand- und Leitungsschutz in einem Gerät." Möglich wird dieses durch die Entwicklung die ein kleiner serieller Fehlerlichtbogen in einer mehradrigen Leitung wie heute üblich durchläuft, wie auch bereits 2003 in der amerikanischen Literatur durch die CPSC beschrieben, New Technology for Preventing Residential Electrical Fires: Arc-Fault Circuit Interrupters (AFCIs) By Douglas A. Lee* Andrew M. Trotta*, William H. King, Jr.* Bei der Entstehung des Fehlerlichtbogen wird durch vorangehende Prozesse der Widerstanderhöhung im geschädigten Leiter sowohl die Isolation der betroffenen Ader als auch die Isolation der anderen Adern gleichermaßen mit geschädigt. Dadurch geht der sich entwickelnde serielle Fehlerlichtbogen schon vor oder vor dem offen Ausbruchs in einen parallelen Fehler gegen Erde, der durch die RCD Komponente schon bei 30 mA erkannt wird oder einen Fehler gegen N über, der spätestens beim Erreichen von Ik durch die LS Funktion nach 0,4 s abgeschaltet. An AFCI also uses a ground current sensor (typically 30 mA) for “pre-arcing” detection and protection. This sensor allows the AFCI to detect slowly-developing insulation breakdown that typically precedes line-to-ground and line-to-neutral arc faults. Additionally, lower level series arcing may become a fault to ground in three wire systems or systems that are grounded. The ground current sensor output is amplified and fed into the logic circuit. If the logic determines that the magnitude and duration of the ground fault is hazardous, the solenoid will open the circuit breaker contacts.
Damit wäre die Gefährdungsbeurteilung hinsichtlich der ortsfesten Installation erledigt. Das Gegenteil zu beweisen wäre Aufgabe der DKE durch entsprechend vielfältige Versuche bei denen RCD 10 mA, 30 mA, 100 mA, 300 mA sowie LS 6 A, 10 A, 13 A und 16 A in Reihe mit AFDD ohne RCD und ohne LS geschaltet werden dann durch Ablauf der physikalischen Vorgänge ermittelt wird, welche Schutzeinrichtung bei welchen Bedingungen zuerst wirkt und einen Brand verhindert. Bis dahin gilt
die benannten Anmerkung aus VDE 0100 - 410 als Gefährdungsbeurteilung.
A. H., Sachsen

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