Home Licht+Energie Energieeffizienz Energiewende und Elektromobilität: ein gutes Team?

Mögliche Synergieeffekte

Energiewende und Elektromobilität: ein gutes Team?

Energiewende und Elektromobilität können wechselweise voneinander profitieren
Energiewende und Elektromobilität können wechselweise voneinander profitieren
(Bild: VISPIRON SYSTEMS GmbH)

Die Energiewende und die Entwicklung der Elektromobilität sind aktuell zwei große Trends, die ökologisch und ökonomisch zukunftsorientiert sind und viel gemeinsam haben. Beide streben nach einer umweltfreundlichen Welt, indem diese weniger Treibhausgase als ihre konventionellen technologischen Pendants ausstoßen und somit eine positive Wirkung auf das Klima haben. Beide Bewegungen arbeiten an einer Reduktion der Luftverschmutzung, da sie keine oder weniger gesundheitsschädliche Schadstoffe wie Stickstoffoxide oder Feinstaub emittieren als dies bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe der Fall ist. Beide Initiativen machen Deutschland weniger abhängig vom Öl- und Gasimport, tragen also zu einer geopolitisch sicheren Energieversorgung bei. Hierbei werden vor allem lokale Stromerzeugungsanlagen statt manchmal bedenklicher ausländischer Staaten, die uns mit fossiler Energie beliefern, finanziert. Deutschland kann als Industrienation durch diese Initiativen gestärkt werden, wenn mehr innovative und zukunftsorientierte Produkte aus Deutschland auf dem internationalen Markt verkauft werden.

Weniger erfreuliche Gemeinsamkeiten sind aber der große Bedarf von Speicherkapazitäten, damit verbundene hohe Investitionen, insbesondere für neue Infrastrukturen, und der hohe Verbrauch von Rohstoffen für elektromechanische und elektronische Komponenten.

Diese beiden großen Umwälzungen haben somit viele Berührungspunkte und sollten daher nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Was würde nämlich die Elektromobilität ohne gleichzeitigen Ausbau der erneuerbaren Energie bringen, wenn der Strom weiterhin größtenteils aus Kohle erzeugt würde? Dies würde keinen positiven Beitrag zum Klimaschutz bedeuten.

Glücklicherweise erfolgen diese zwei grundlegenden Bewegungen in Deutschland etwa gleichzeitig: die Energiewende hat hierzulande schon vor Jahren begonnen und wird voraussichtlich noch bis mindestens 2040 andauern. Obwohl die E-Mobilität noch am Anfang steht, werden die Pläne für einen breiten Ausbau in den nächsten zwei Jahrzehnten immer konkreter: die Politik setzt jetzt ambitioniertere Ziele, und die Automobilhersteller investieren immer mehr in elektrische Antriebe.

Dies sind Aspekte, die eine Betrachtung der Wechselwirkungen und eventuelle Synergien zwischen diesen zwei Trends besonders interessant machen. Hat uns die industrielle Revolution nicht auch gezeigt, dass die Entwicklung einer Branche viele Auswirkungen und Wechselwirkungen mit anderen verursachen kann? Die Verbreitung der Dampfmaschine hat den Energiesektor, die Industrie und den Straßen-, Schiffs- und Schienenverkehr neu gestaltet, die sich wiederum auch gegenseitig beeinflusst haben. Eine frühe Erkennung der Synergieeffekte kann strategische Vorteile für Unternehmen und Staaten bringen, und den ökologischen Wandel vorantreiben.

Das Speicherpotenzial von E-Autos

Ein klar zu erkennender Trend ist die positive Entwicklung der Speicherkapazitäten von Elektroautos: unabhängig von der Zunahme der Fahrzeuganzahl erhöht sich die Kapazität einzelner Modelle deutlich. Zum Beispiel wurde der BMW i3 mit einer nutzbaren Kapazität von 22 kWh im Jahre 2013 auf dem Markt gebracht, hat 2016 von einer Aktualisierung auf 33 kWh profitiert und verfügt heute über eine Version mit 42 kWh. Der Renault Zoe wurde ebenfalls 2013 mit 22 kWh auf den Markt gebracht, ist 2017 mit einem 41 kWh Akku erhältlich. Das aktuelle Modell hat eine Kapazität von 52 kWh. Im Luxussegment verkauft Tesla schon jetzt Fahrzeuge mit 100 kWh Kapazität.

Der Wunsch der Fahrer nach mehr Reichweite ist verständlich: der Übergang von Verbrennern, die praktisch über unbegrenzte Reichweite verfügen zu Elektrofahrzeugen wäre so deutlich leichter.

Jedoch steigt die tatsächliche Fahrleistung der Fahrer nicht: ihr durchschnittlich täglicher Bedarf kann grob mit 40 km abgeschätzt werden, was einem Energiebedarf von ca. 7 kWh entspricht, also nur ein kleiner Teil der Batteriekapazität. Die volle Reichweite für lange Strecke wird im Durchschnitt nur wenige Male im Jahr benötigt. Man kann daraus schließen, dass die zusätzlichen Speicherkapazitäten, die die neuen Modelle im Vergleich zu den Vorgängern bringen, sehr selten vom Fahrer genutzt werden.

Zudem bleiben PKWs, egal ob konventionell oder elektrisch, meistens geparkt. Für Privatkunden wird üblicherweise ein »Parkquote« von ca. 95 % der Zeit erreicht! Auch im Falle von Fuhrparks und Car-Sharing Angeboten, die eine erhöhte Nutzungsdauer vorweisen können, haben die Fahrzeuge teils lange Standzeiten, z.B. nachts.

Die Folge: viele Besitzer von E-Autos verfügen über »quasi-stationäre« Speicher mit immer größeren unbenutzten Batteriekapazitäten.

Wenn man dieses Potential mit dem durchschnittlichen Haushaltstromverbrauch in Deutschland von etwa 8 bis 9 kWh am Tag vergleicht, stellt man fest, dass E-Autos zusätzlich zum Mobilitätsbedarf ein Mehrfaches des täglichen Haushaltsstrombedarfs decken könnten.

Flexibilitätsbedarf der Energiewende

Diese »unbenutzte« Speicherkapazität könnte in der Energie- und Netzwirtschaft mit einem steigenden Anteil an erneuerbaren Energien (EE) sinnvoll genutzt werden. Weil die Stromerzeugung der nachhaltigen Energiequellen Wind und Sonne grundsätzlich nicht synchron mit dem Verbrauch ist, werden Flexibilitätsmechanismen benötigt: dies können flexible Energieproduktionsanlagen sein, die bei zu wenig Wind und Sonne einen Ausgleich herstellen können, und/oder flexible Stromverbraucher, die sich an die Stromerzeugung anpassen können, und/oder Speichertechnologien, die diese zeitliche Verschiebung zwischen Erzeugung und Verbrauch überbrücken können.

Dieser Flexibilitätsbedarf, mit den resultierenden Investitionskosten, nimmt mit dem EE-Anteil an Bedeutung zu. Bei relativ niedrigem EE-Anteil können die bestehenden konventionellen Kraftwerke die mäßigen Schwankungen noch ausgleichen. Bei einem hohen Anteil an erneuerbaren Energien, mit potentiell erheblichen Defiziten und Überschüssen, ist dies jedoch nicht mehr möglich.

Vehicle-to-Grid (V2G)

Könnte also die Energiebranche das Speicherpotenzial von Elektrofahrzeugen ausnutzen? Das intelligente Laden, das sogenannte »Smart Charging«, ermöglicht Elektrofahrzeugen, sich wie flexible Verbraucher zu verhalten und könnte dadurch bereits einen positiven Beitrag zur Energiewende leisten.

Der nächste Schritt zur Ausnutzung des Speicherpotenzials wäre eine intelligente Verbindung der E-Autos mit dem Stromnetz, wobei der Speicher nach den Bedarfen vom Stromsystem sowohl geladen als entladen werden könnte. Die Entwicklung dieser Technologie steht erst am Anfang, aber hat schon einen Namen: Vehicle-to-Grid (V2G). Natürlich muss zuerst der Mobilitätsbedarf der Fahrer bedient werden. Aber da darüber hinaus, wie oben beschrieben, immer größere nutzbare Speicherkapazitäten in Form von E-Autos zur Verfügung stehen und auch die zeitliche Kapazität vorhanden ist, birgt die V2G-Technologie das Potential zu einer tragenden Säule der Energiewende zu werden. Insbesondere da E-Autos bevorzugt dort geparkt werden, wo es eine Verbindung mit dem Stromnetz gibt, nämlich an einem Ladepunkt.

Diese Lösung ist vielversprechend: das E-Auto könnte eine Vergütung für die Bereitstellung seiner Speicherkapazität erwirtschaften, die Integration der EE im Energiesystem unterstützen und somit die Dekarbonisierung von Strom. Darüber hinaus könnte auch das Stromnetz entlastet werden, was Investitionskosten für die Netzbetreiber und letztendlich, in Form einer reduzierten Umlage, dem Stromverbraucher Geld sparen würde.

 

Roadmap einer intelligenten Netzintegration von Elektrofahrzeugen
Roadmap einer intelligenten Netzintegration von Elektrofahrzeugen
(Bild: VISPIRON SYSTEMS GmbH)

Batteriealterung mit erhöhtem Energiedurchsatz

Eine berechtigte Befürchtung ist, dass der zusätzliche Energiedurchsatz, den die Batterie durch den V2G-Betrieb ertragen soll, eine schmerzhafte Reduzierung ihrer Lebensdauer verursachen kann. Das wäre zwar für die Batterien der ersten Generation von Elektrofahrzeugen ein Problem, weil die Lebensdauer des Speichers oft kürzer als die des Autos selbst ist. Mit größeren Batterien sollte dies jedoch nicht mehr der Fall sein. Diese ermöglichen nämlich einen größeren Energiedurchsatz im Laufe ihres Lebens. So melden zum Beispiel einige Fahrer des Tesla Model S einen Reichweitenverlust nach 200.000 km von weniger als 10 %. Dies würde bedeuten, dass große Batterien nun eine längere Lebensdauer als das Fahrzeug selbst haben werden.

Zudem sollte ein Reichweitenverlust mit großen Batterien, die von Anfang an über 400 km Fahrleistung ermöglichen, weniger schmerzhaft empfunden werden, als mit Batterien, die nur 150 km Initialreichweite hatten. Und nicht zuletzt wird die Entwicklung der Schnellladeinfrastruktur an den Autobahnen die Kritikalität der Reichweite noch mildern.

Deutschland: idealer Entwicklungsstandort

Ist aber die Technologie V2G umsetzbar und wie komplex ist ihre Entwicklung? Von der Hardware-Seite betrachtet ist die Technologie definitiv machbar: es muss vor allem die Ladeeinheit angepasst werden, da diese jetzt in beide Richtungen Strom leiten können soll. Spannend ist aber das System auf der Software- und Kommunikationsseite: einerseits müssen neue Daten zwischen den Fahrzeugen und der Infrastruktur oder den Backend-Systemen ausgetauscht werden, anderseits sollen neue Regelkonzepte und Algorithmen aufgebaut werden, um die Energieflüsse optimal zu steuern.

Die Vorteile von Deutschland in diesem Bereich sind enorm, vielleicht einzigartig. Die richtigen Akteure sind da, mit starken Unternehmen aus dem Automobilsektor, Energiewirtschaft, Elektronik und Digitalisierung. Eine fortgeschrittene Energiewende, weit voraus im internationalen Vergleich, mit einem relativ hohen und steigenden Anteil an erneuerbaren Energien im Strommix. Einer Politik, die sich für die Elektromobilität immer mehr engagiert und in den vergangenen Jahren eine solide finanzielle Basis geschaffen hat, um solche zukunftsorientierten Projekte zu unterstützen.

Fazit

Energiewende und Elektromobilität enthalten starke Synergien: Elektrofahrzeuge können mit ihrem immer größeren Speicher Flexibilität zur Verfügung stellen, die durch den immer größer werdenden Anteil erneuerbarer Energien am Strommix benötigt wird. Die Energiewende bietet die Chance, die E-Mobilität zu dekarbonisieren und Elektrofahrzeuge attraktiver zu machen, indem die Flexibilität ihrer Energiespeicher vergütet wird.

Beim Thema Energiewende ist Deutschland im internationalen Vergleich weit vorne. Im Bereich Elektromobilität kann hingegen noch mehr getan werden. Die industriellen Akteure sind vorhanden und investieren bereits konsequent, während die Politik immer mehr Engagement zeigt. Idealerweise verknüpft Deutschland beide Sektoren, um sich somit einen technologischen Vorsprung für seine Industrie zu verschaffen und einen Beitrag zu den globalen Herausforderungen im Bereich Energie, Mobilität und Umwelt zu leisten.

Die VISPIRON Gruppe

Die VISPIRON Gruppe begleitet mit über 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihre Kunden mit Produkten und Lösungen für die Mobilität der Zukunft. Von der Konzeptphase bis hin zu Realisierung, Einsatz und Betrieb neuer Mobilitätsmodelle liefern wir innovative Lösungen. Mit unserem eigenen Beraterteam »Mobility & Energy« unterstützen wir die Forschung und Entwicklung von OEMs und Lieferanten für die Netzintegration von Elektrofahrzeugen, führen Mobilitätsberatung für Fuhrparks und Kommunen durch und bieten Beratung zum CO2-Fußabdruck für Unternehmen an.

 

www.vispiron.de

Über den Autor
Autorenbild
Julien Santoire

Dipl.-Ing, Expert Smart Charging, Vispiron Systems, München; Julien.Santoire@vispiron.de

Newsletter

Das Neueste von
elektro.net direkt in Ihren Posteingang!