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Die Energiewende – was ist geschafft, wo hakt es? (1)

Überblick und Entwicklung der Strompreise

Überblick und Entwicklung der Strompreise
(Bild: Pixabay)

Grundsätzlich muss elektrische Energie leider weiterhin in genau dem Moment in das Verbundnetz eingespeist werden, in dem sie verbraucht wird (Siehe den Fachbeitrag »Gebäudeautomation und Smart Metering – Potenziale und Grenzen«): Die entnommene Leistung muss praktisch in jeder Sekunde gleich der eingespeisten Leistung sein – oder die Folgen werden in Sekundenschnelle dramatisch (Bild 1). Diese Zusammenhänge waren ebenfalls noch vor kurzem Thema in »de« (Wann lohnt sich eine PV-Anlage – finanziell und / oder energetisch?«, Teil 1 und Teil 2 ). Hieran soll nun angeknüpft werden.

Bild 1: Die Frequenz im Verbundnetz muss stets 50 Hz betragen – Erzeugung und Verbrauch im Gleichgewicht
Bild 1: Die Frequenz im Verbundnetz muss stets 50 Hz betragen – Erzeugung und Verbrauch im Gleichgewicht

Stand der Energiewende im Jahr 2023

Zum Schluss waren nur noch zwei Kernkraftwerke in Betrieb. Ihre Abschaltung am 15.4.2023 riss kein großes Loch mehr in die Versorgung Deutschlands. Die Strompreisbörse reagiert kaum merklich – nicht anders als auf eine entsprechende (nach Wettervorhersage ebenfalls recht genau im Vorhinein bekannte) Schwankung bei Sonne und Wind. Die auf das Jahr umgerechnete geringe Auslastung der Kernkraftwerke (Tabelle 1) zeichnet hier ein sehr schiefes Bild, da diese Anlagen bereits im April den Betrieb einstellten.

Zwar lassen sie sich bekanntermaßen keineswegs durch Wind und Sonne ersetzen (siehe Abschnitt zum Strom-Export im 2. Beitragsteil), so oft dies auch behauptet wird [www.energie-lexikon.info/ag_kernenergie.html (unter »Wenn wir in Deutschland den Atomausstieg vornehmen, importieren wir am Ende französischen Atomstrom aus nicht unbedingt sichereren Kraftwerken«], doch bleibt es eine gute Nachricht, dass im vergangenen Jahr insgesamt 56,8 % sämtlichen in das öffentliche Netz eingespeisten Stroms aus erneuerbaren Quellen stammten.

Die Zahlen beziehen sich auf die Netto-Erzeugung und den Netto-Verbrauch, also auf das öffentliche Netz. Nicht berücksichtigt ist Strom, den industrielle Kraftwerke erzeugen und der innerhalb des jeweiligen Industriebetriebs verbraucht wird (im langjährigen Mittel etwa 8,7 % der gesamten Erzeugung – dies inbegriffen ergäbe die Brutto-Erzeugung). Zwar erzeugen Industriebetriebe für den Eigenbedarf recht wenig »grünen« Strom, weswegen obige Zahl ein klein wenig geschönt ist, doch muss man ihnen andererseits zu Gute halten, dass sie meist nur dann Strom selbst erzeugen, wenn sie Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) betreiben oder brennbare Abfallprodukte entstehen, wozu dort sehr viel Potenzial besteht.

So gesehen mussten nur noch 40,7 % des aus dem Netz entnommenen Stroms konven­tionell erzeugt werden. Dazwischen klafft ­eine »Lücke der Ungewissheit« von 2,5 %. Diese Differenz stammte aus Pumpspeicherkraftwerken, wo sich nicht eindeutig zuordnen lässt, mit welchem Strom sie zuvor aufgeladen worden waren. Neben den Pumpspeicherkraftwerken gibt es inzwischen auch Akkumulatoren als Speicher – diese spielen im Vergleich zur Pumpspeicher-Kapazität noch immer nur eine marginale Rolle [Quelle: Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH  und European Network of Transmission System Operators for Electricity]. Mehr dazu beim Thema Speicher im zweiten Beitragsteil.

Tabelle 1: Energie- und Leistungsbilanz der Stromversorgung Deutschlands 2023
Tabelle 1: Energie- und Leistungsbilanz der Stromversorgung Deutschlands 2023

Strompreise und Stromkosten im Haushalt

Der oft gebrauchte Spruch »Die Sonne schickt keine Rechnung« ist nicht sonderlich geeignet, um die Energiewende voranzubringen. Denn die Erde schickt auch keine, wenn man ein Loch hineinbohrt und Öl oder Gas ausströmen lässt. Ebenso fällt Wasser einfach vom Himmel, aber aus diversen triftigen Gründen beziehen wir es lieber kostenpflichtig aus dem Rohr.

Vielmehr erkennt man – am besten an den Monitoring-Berichten der Bundesnetzagentur – dass die Strompreise insbesondere für Haushalte gewaltig steigen – was der Energiewende angelastet werden darf. Der »mengengewichtete durchschnittliche Strompreis für Haushaltskunden«, der am 1.4.2022 noch 36,06 ct/kWh betragen hatte, lag zum Stichtag 1.4.2023 bei 45,19 ct/kWh.

Der Ukraine-Krieg stellt hier nur die Spitze des Eisbergs dar. Die Erzeugung elektrischer Energie war aber bis dahin bereits deutlich teurer geworden, während die Gaskraftwerke sich zwar zur Flankierung der Energiewende weitaus am besten eignen (siehe »Ausblick Gas« in Ausgabe 12.2024), dann aber keine wirtschaftlichen Betriebszeiten mehr erreichen, wenn sie die meiste Zeit ihres Lebens nur noch für die nächste Dunkelflaute bereitstehen müssen statt zu laufen. Vorhanden müssen sie aber sein. Deswegen werden derzeit Modelle diskutiert, wie Kraftwerke auch für ihre pure Bereitschaft bezahlt werden könnten. Für die Regelleistung ist dies schließlich schon gängige Praxis.

Wie sich die Strompreise für Haushalte 2023 zusammensetzten, zeigt Tabelle 2.

Tabelle 2: Zusammensetzung der Strompreise für Haushalte 2023
Tabelle 2: Zusammensetzung der Strompreise für Haushalte 2023

Dabei erkennt man Folgendes:

  • Die Nebenkosten, Umlagen, Steuern u. ä. haben einen beträchtlichen Anteil am Haushalts-Strompreis.
  • Dies gilt, obwohl die EEG-Umlage inzwischen gestrichen werden konnte, da der erneuerbare Strom – erfreulicher Nebeneffekt der Preissteigerungen – sich nun ohne diese auf dem Markt mehr oder weniger behaupten kann (was letztlich der Sinn der Subvention durch die Umlage sein sollte).
  • Die Umlage für abschaltbare Lasten (§18 AbLaV) entfiel ebenfalls. Die Beträge waren so geringfügig, dass man sie in Millicent/kWh hätte angeben müssen.
  • Ob man einen Grundversorgungsvertrag oder einen Sondervertrag beim örtlichen Versorger abschließt oder ob man den Anbieter (überregional) wechselt, spielt keine entscheidende Rolle. Die Wechselhäufigkeit ist entsprechend eher mäßig, wie der Bericht ebenfalls zeigt.
  • Auch die Bundesnetzagentur vereinfacht: Die Entgelte für die Messung und den Betrieb der Messstelle, die bis 2016 separat erfasst wurden, wurden 2017 zu einem Posten zusammengefasst – der immer noch weniger als 1 % des Endpreises ausmacht.

Entwicklung der Strompreise an der Börse

Die Preise (»day-ahead«) an der Energiebörse EEX werden für jede Stunde des folgenden Tages ausgehandelt – auf Basis der Wettervorhersage und des erwarteten Bedarfs (Erfahrungswerte/Lastprofile). Die an sich erfreuliche Zunahme des Anteils erneuerbaren Stroms im Netz hatte leider – völlig vorhersehbar und vorhergesagt – auch eine deutliche Zunahme der Zeiten und vor allem des Ausmaßes an negativen Strompreisen zur Folge: Bis auf –500 €/MWh fiel der Preis am 2.7.2023 um 13:00 Uhr (Bild 2) – typischerweise wieder an einem Sonntag.

Bild 2: Import-Export-Bilanz Deutschlands in der Woche mit dem niedrigsten Börsenpreis – der ­typischerweise wieder am Sonntag auftritt
Bild 2: Import-Export-Bilanz Deutschlands in der Woche mit dem niedrigsten Börsenpreis – der ­typischerweise wieder am Sonntag auftritt

Die Berechnungen der spezifischen Börsenpreise für Sonnen- und Windstrom (Bild 3) erfolgten dabei ebenfalls wie im Fachbeitrag »Wann lohnt sich ein Solar-Akku?« erläutert. Bis dahin war der tiefste Preis am Dienstag, dem 21.4.2020 um 13:00 Uhr mit lediglich –83,94 €/MWh eingetreten: Sonnenschein bei starkem Wind. Knapp dahinter der Sonntag, 29.10.2017 um 1:00 Uhr mit –83,06 €/MWh. Zu viel Sonnenschein? Um Mitternacht wohl eher nicht. Mit dem Krieg hat dies auch nichts zu tun, sondern ein Sturmtief schafft das ganz alleine.

Bild 3: Jahres-Minima, Mittelwerte und Jahres-Maxima der EEX-Preise (»day-ahead«)
Bild 3: Jahres-Minima, Mittelwerte und Jahres-Maxima der EEX-Preise (»day-ahead«)

Wohl aber bescherte uns der Krieg 2022 den höchsten bislang gesehenen EEX-Strompreis: Besonders die Sprengung von Nordstream 1 brachte kurzfristig große Sorgen auf, ob die Gaskraftwerke denn noch im notwendigen Umfang betrieben werden könnten, während die meisten Kernkraftwerke und einige Kohlekraftwerke bereits stillstanden. So steigerte sich der Strompreis – dem Gaspreis folgend – an der EEX am Montag, den 29.8.2022 auf das Allzeithoch von 871 €/MWh. Es herrschte Flaute (nur 3,9 GW an Windkraft-Einspeisung), der Himmel war bedeckt, die Sonne ging gerade unter (nur noch 2,6 GW an Solarstrom), und der Gasschreck wirkte, während sich die abendliche Verbrauchsspitze der privaten Haushalte gerade aufbaute.

Am Montag, den 11.9.2023 wurde »nur noch« ein Jahres-Spitzenpreis von 524,27 €/MWh erreicht (Sonnenuntergang, Flaute, heimische Bedarfsspitze). Dies ist jedoch auf dem Hintergrund zu sehen, dass sich von 2016 bis 2020 der mittlere Börsenpreis immer bei 32,10 €/MWh = 3,21 ct/kWh aufhielt – rund 1/10 des Haushaltstarifs. Davon sind wir seither weit entfernt.
Außerdem verweist das Jahr 2023 den bisherigen Minusstunden-Spitzenreiter auf den zweiten Platz: Es gab 301 Stunden im Jahr statt wie bisher höchstenfalls 298 Stunden (2020) mit negativen Börsenpreisen. Man muss dabei jedoch berücksichtigen, dass 301 Stunden von 8760 Stunden nur etwa 3,44 % eines Jahres ausmachen, die Strompreise also über 96,5 % auch des Jahres 2023 »normal« (positiv) waren.

Man sieht es an der Grafik (Bild 3), dass sich die Erneuerbaren im Mittel kaum weniger bezahlt machen als die Konventionellen – selbst jetzt schon, bei praktisch ausschließlicher Direkt-Einspeisung, also mit nur marginaler Speicherkapazität im Netz (siehe Abschnitt »Speicher«im zweiten Beitragsteil). So bemerkt die Bundesnetzagentur auch schon zum Vorjahr: »Im Verhältnis zur Gesamt-Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien wurden im Jahr 2022 rund 3,3 % der Erneuerbaren Energien wegen strom- und spannungsbedingten Engpässen abgeregelt. Es konnten somit fast 97 % der erneuerbaren Erzeugung transportiert und genutzt werden« [Bundesnetzagentur: Monitoringbericht 2023]. Dabei ist es also 2023 tendenziell geblieben.

(Fortsetzung folgt)

Über den Autor
Autorenbild
Dipl.-Ing. Stefan Fassbinder

Studium der elektrischen Energietechnik. Jahrelange Tätigkeit in der Konstruktion und Entwicklung von Klein-, Ringkern- und Großtransformatoren sowie Relais. War 25 Jahre lang Berater für elektrotechnische Anwendungen beim Deutschen Kupferinstitut in Düsseldorf. Mitglied in der DKE-Kommission K 712 und im UK 221.2 sowie in mehreren Arbeitskreisen.

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