Gleichstrom als Technologie der Zukunft (1)

Gleichspannungstechnik – ein historischer Überblick

zurück zum Artikel
DE_2019_11_GIG23_Aufmacher_AdobeStock_183606155
Das Taschenbuch für Monteure für Beleuchtungsanlagen, herausgegeben von Freiherr von Gaisberg wusste zudem über den Gleichstrom: »Der Strom fließt in gleicher Richtung und bei gleichbleibendem äußeren Widerstand in gleicher Stärke.« Und zum Wechselstrom meinte man damals: »Der Strom wechselt in kurzen Zeiträumen Richtung und Stärke, wie an der Wellenlinie.«

In der Energie-und Gebäudetechnik sind uns heute, mehr als einhundert Jahre später, Spannungen von 230 V und 400 V sehr vertraute Werte. Die Netzfrequenz von f  =  50 Hz betrachten wir fast schon als selbstverständlich. Bedingt durch die Energiewende und durch die Elektromobilität, gewinnt die Gleichstromtechnik immer mehr an Bedeutung. Zunächst werden die Unterschiede zwischen Gleich- und Wechselstrom, deren Vor- und Nachteile und ihr zukünftiger Einsatz näher betrachtet.

Wegbegründer der Gleichspannungstechnik

Bild 1: Nach ihm wurde die Einheit der elektrischen Spannung benannt – Alessandro Volta (1745 – 1827); ©Archivist – stock.adobe.com
Bild 1: Nach ihm wurde die Einheit der elektrischen Spannung benannt – Alessandro Volta (1745 – 1827); ©Archivist – stock.adobe.com
Mit Metallen der elektrochemischen Spannungsreihe wurden, ohne dies zunächst zu verstehen, so etwas wie Batterien hergestellt. Luigi Galvani brachte im Jahre 1780 abgetrennte Froschschenkel zum Zucken, als er diese mit Nadeln aus Eisen und Kupfer berührte. Obwohl er vermutete, dass es sich hierbei um tierische Elektrizität handelte, kann dies quasi als Gründung der Elektrizitätslehre als Wissenschaft sowie der Gleichstromtechnologie angesehen werden. Der italienische Physiker Alessandro Volta (Bild 1) war vor fast 250 Jahren in diesem Gebiet einer der führenden Wissenschaftler. Im Jahre 1775 konstruierte er den Elektrophor. Mit Hilfe eines Katzenfelles konnten durch Reibung Ladungen getrennt und eine elektrische Spannung aufgebaut werden. Ähnliche Versuch finden heute noch mit einem Katzenfell und einem Kunststoffstab im Mittelstufenunterricht im Fach Physik statt.

Nach zahlreichen weiteren Erfindungen konstruierte Volta im Jahre 1800 die erste Batterie. In dieser Volta-Säule (Bild 2) schichtet er mehrere Kupfer- und Zinkplatten, getrennt von einem Elektrolyten übereinander. An den Enden der Volta-Säule bildeten sich zwei elektrische Pole aus. Ein elektrischer Strom beginnt zu fließen, sobald diese mit einem Metalldraht verbunden werden. Im Jahre 1801 führet Volta Napoleon Bonaparte seine Volta-Säule in Paris vor. Dieser war so davon begeistert, dass er nach der Eroberung Italiens im Jahre 1810 Volta in den Grafenstand erhob.
Bild 2: Dier 
erste Batterie – 
die nach ihrem 
Erfinder 
benannte »Volta-Säule«; Quelle: M. Link
Bild 2: Dier erste Batterie – die nach ihrem Erfinder benannte »Volta-Säule«; Quelle: M. Link
In Würdigung seiner wegweisenden physikalischen Forschungen benannte man beim ersten physikalischen Weltkongress im Jahre 1881 die Einheit der elektrischen Spannung nach ihm. Zu dieser Zeit war man jedoch schon über die reine Versuchs- und Experimentierphase hinaus. Mit den Kohlefadenlampen sollten die Gaslampen in den Häusern ersetzt werden. Die erschien den Machern von damals als ein sehr gewinnbringendes Vorhaben. Es mussten hierzu nicht nur die Lampen, sondern auch die Leitungen, Schalter und vor allem die Spannungsquellen produziert werden. Für Letztere wurden natürlich keine Batterien, sondern Generatoren verwendet.

Zwei unterschiedliche Technologien standen dabei zur Verfügung: Thomas Alva Edison (Bild 3) setzte auf die Gleichstromtechnik. Seine Widersacher George Westinghouse (1856 – 1943; Bild 4) und Nicola Tesla (Bild 5) setzten dagegen auf die Wechselstromtechnik. Der grundsätzliche Aufbau beider Systeme war identisch. Ein Generator wurde über eine Dampfmaschine angetrieben. Die elektrische Energie wurde mittels Kupferleitungen in die Häuser transportiert und dort zu den Lampen verteilt. Der Unterschied beider Systeme lag zum einen am Aufstellungsort der Generatoren.

Edison favorisierte ein dezentrales System. Seine Gleichstromgeneratoren mussten aufgrund des Spannungsfalls sehr nahe am oder eventuell sogar im Haus installiert werden. Westinghouse und Tesla sahen die Zukunft für zentrale Versorgungssysteme. Sie wollten als Antrieb der Wechselstromgeneratoren beispielsweise Wasser in Flüssen oder Stauseen nutzen. Mit Hilfe von Transformatoren lässt sich Wechselspannung einfach auf höhere Spannungsebenen transformieren. Dadurch reduziert sich die Stromstärke der übertragenen Leistung und somit auch der Spannungsfall auf der Leitung.

Bilder 3 bis 5

Ein zweiter wesentlicher Unterschied beider Techniken liegt in der Gefahr für den Menschen. Für den menschlichen Körper stellt die Wechselspannung im Vergleich zur Gleichspannung eine größeres Gefahrenpotential dar. Bei gesunden erwachsenen Menschen können Wechselspannungen ab einer Stärke von UAC = 50 V lebensbedrohliche Situationen hervorrufen. Bei Gleichspannungen liegt dieser Wert mit UDC = 120 V deutlich höher. Die geringere Gefahr, die von Gleichspannungen ausgeht, ist im Wesentlichen durch zwei Tatsachen begründet:

Die menschliche Haut ist in drei Schichten aufgebaut: die Oberhaut, die Lederhaut und die Unterhaut (Bild 6). Dieser geschichtete Aufbau verleiht der Haut kondensatorähnliche Eigenschaften. Kapazitäten stellen für Gleichströme hohe elektrische Widerstände dar. Der Stromfluss durch den menschlichen Körper ist daher begrenzt.
Bild 6: Prinzipieller Aufbau der menschlichen Haut, ©Firstsignal – stock.adobe.com)
Bild 6: Prinzipieller Aufbau der menschlichen Haut, ©Firstsignal – stock.adobe.com)

Betrachtet man das menschliche Herz, ist ebenfalls das geringere Schadenpotenzial von Gleichströmen ersichtlich. Der Herzmuskel wird über das vegetative Nervensystem zum Pumpen angeregt. Dieser elektrische Nervenimpuls erfolgt etwa einmal pro Sekunde. Fließt nun ein Fehlerstrom mit einer Frequenz von f  =  50 Hz durch den menschlichen Körper, so kann dies dazu führen, dass das Herz durch die 50 periodischen Schwingungen pro Sekunde außer Takt gerät. Dies kann dann beispielsweise zum Herzkammerflimmern führen.

Es wäre allein aus Sicherheitsgründen zu vermuten, dass sich für die Elektrifizierung der Häuser und Städte die Gleichstromtechnik durchsetze. Die einfache Transformierbarkeit von Wechselspannungen und das damit mögliche Übertragen von elektrischer Energie über weite Entfernungen verhalf jedoch der Wechselspannungstechnik zum Durchbruch.

Teil 2

Über die Autoren
Autorenbild
Peter Respondek

Fachjournalist, Neumarkt i. d. OPf.

Autorenbild
Matthias Link

Fachautor Karlsruhe

Newsletter

Das Neueste von
elektro.net direkt in Ihren Posteingang!