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Nach der System- kommt die Plattform-Vielfalt

Trends im Markt für Smart Home

Bild 1: Die ETS gibt es nun in der neuen Version 6
Bild 1: Die ETS gibt es nun in der neuen Version 6
(Bild: KNX)

Nach wie vor ist der Smart-Home-Markt gekennzeichnet durch eine große Anzahl an Herstellern und Systemen. Viele davon sind proprietär – es gibt nur jeweils einen (oder wenige) Hersteller, die hinter einem System stehen. Das hat durchaus Vorteile: Das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten ist in der Regel sehr gut, was die Installation eines Gesamtsystems vereinfacht. Dem gegenüber stehen zwei wesentliche Nachteile. Der eine ist eher in die Zukunft gerichtet: Wie viele Jahre wird der Hersteller das System pflegen? Der andere tritt unmittelbar zu Tage: Der Funktionsumfang ist in der Regel beschränkt.

Hersteller aus dem klassischen Elektro-Bereich haben ihre Stärken oft bei Anwendungen der Licht- und Jalousiesteuerung, je nach Anbieter kann man z. B. Türkommunika­tionssysteme einbinden. Energiemanagement ist teilweise mit an Bord – Photovoltaik, Speicher und Elektromobilität. Anbieter, die von der Heizungsseite kommen, haben ihre Stärken im Bereich Wärme, Kälte und Klima. Weitere Player kommen aus anderen Gewerken, etwa aus den Segmenten Gebäudehülle oder Unterhaltungselektronik. Auf verschiedenen Plattformen finden nun Hersteller aus unterschiedlichen Bereichen zusammen – die Entwicklung ist dynamisch.

Plattform von Anfang an

Mehrere Smart-Home-Anbieter bieten herstellerübergreifende Lösungen an – früher nannte man das nicht Plattform, sondern genormter Standard. Diesen Weg verfolgt KNX seit über 30 Jahren, heute gehören rund 500 Hersteller diesem Standard an. Es würde hier den Rahmen sprengen, alle Produktneuheiten dieses Jahres vorzustellen, allerdings hat sich beim Inbetriebnahme-Tool etwas getan: Die ETS wurde Ende September in der Ver­sion 6 vorgestellt (Bild 1).

Damit lassen sich nun Sicherheitsfeatures wie KNX Secure Proxy nutzen. Eine Koppler-Erweiterung stellt die Kommunikation zwischen Geräten mit sowie ohne aktivierter Sicherheitsfunktion sicher. Diese lassen sich nun in einer KNX-Installation nebeneinander betreiben, ohne die Sicherheit neu hinzugefügter Geräte zu beeinträchtigen. Das vereinfacht die Nachrüstung von Sicherheitsfunktionen und das Hinzufügen neuer Geräte. Außerdem umfasst ETS6 auch ein verbessertes KNX RF Multi, das die neue Generation von KNX-RF-Geräten unterstützt und mehrere Vorteile bietet, wie die obligatorische Unterstützung von Sicherheitsfunktionen und eine einfache Konfiguration: ETS stellt automatisch alle Frequenzeinstellungen und alle Laufzeitfunktionen ein, die sich aus einem mit dem »Manufacturer Tool« erstellten Produkteintrag ergeben.

Die ETS6 kann in mehreren Fenster­instanzen ausgeführt werden. Daten eines oder mehrerer Projekte lassen sich somit leichter überprüfen und miteinander vergleichen. Neue ETS6-Instanzen können ganz einfach per Drag-and-Drop erstellt werden, in dem Tabs aus ihren bestehenden Instanzen gezogen werden. Anwender können nun zwischen Dongle-Lizenzen und Cloud-basierten Lizenzen wählen.

Herstellerübergreifende Allianz

Das herstelleroffene Smart-Home-System wibutler wurde im Mai 2018 von Viessmann übernommen. Im Herbst 2020 erfolgte die Gründung des Vereins wibutler alliance e.V. Im Zuge dessen hat sich Busch-Jaeger an der Allianz beteiligt. Inzwischen ist das Smart-Home-System »free@home« kompatibel mit wibutler (Bild 2).

Bild 2: »free@home« ist nun kompatibel mit wibutler
Bild 2: »free@home« ist nun kompatibel mit wibutler
(Bild: wibutler)

Die weiteren Gründungsmitglieder der Allianz sind: Clage, Connectivity Solutions (der Entwickler der wibutler-Zentrale und der Software), Eltako, Oventrop, Syr Hans Sasserath, Viessmann und Wolf. Insgesamt gehören rund 35 Firmen der Allianz an.

Der Systemansatz von wibutler besteht darin, verschiedene Lösungen für das Smart Home zusammenzuführen – und das über Gewerkegrenzen hinweg. Dabei sieht man sich nicht als exklusive Lösung: So kann man z. B. eine in wibutler integrierte Lösung weiterhin mit der herstellereigenen App bedienen – dies oft auch mit mehr Detailtiefe – die grundlegenden Funktionen, insbesondere wenn es um die Vernetzung mehrerer Systeme geht, stehen dann zusätzlich in der wibutler-eigenen App bereit.

Für den Betrieb des Systems ist eine Zen­trale erforderlich. Diese kann der Endkunde zwar auch direkt im Online-Shop beziehen, präferiert wird jedoch der Vertrieb über das Fachhandwerk, da auch ein Großteil der kompatiblen Produkte nur über das Handwerk bezogen werden kann. Für das Handwerk gibt es daher auch entsprechende Basis- und Aufbauschulungen.

Der Kunde bedient das wibutler-System über eine zugehörige App. Hier kann er viele Einstellungen bzw. Konfigurationen selbst vornehmen. Bestimmte Parameter sind allerdings nur dem Fachhandwerker zugänglich. Eine Steuerung des Smart Home aus der Ferne ist möglich, wenn man die Zentrale mit dem Internet verbindet. Falls der Kunde das nicht will, funktioniert die Bedienung per App auch offline, dann aber nur vor Ort.

Einbinden per Bibliothek

Ein Hersteller-eigenes System ist beispielsweise das von Loxone. Hier gibt es seit kurzem (derzeit noch als Beta-Version) die so genannte »Loxone Library« (Bild 3). Dahinter verbergen sich Vorlagen (Templates) zur Einbindung von Komponenten anderer Hersteller. Diese stammen nicht nur von Loxone selbst, sondern künftig auch von anderen Herstellern oder Nutzern. Damit sollen sich Produkte von Dritten auf einfache Art und Weise integrieren lassen.

Bild 3: Über eine Bibliothek lassen sich nun viele Produkte von Drittherstellern in Loxone integrieren
Bild 3: Über eine Bibliothek lassen sich nun viele Produkte von Drittherstellern in Loxone integrieren
(Bild: Loxone)

Bisher gibt es von Loxone Schnittstellen u. a. zu digitalen oder analogen Ein- und Ausgängen, KNX, DMX, Dali, Modbus, EEBus oder RS232/RS485. Diese werden nun zusätzlich in der »Loxone Library« gelistet. Die Bibliothek soll dazu beitragen, das Gebäudeautomationssystem in Richtung einer Plattformlösung weiterzuentwickeln.

Funkbasierte Lösung

In der aktuellen Version 2.3 lässt sich das funkbasierte Smart-Home-System »eNet« mit der Smart-Living-Plattform »Conrad Connect« verbinden (Bild 4). (Update vom 29.11.2021: "Conrad Connect" wird Mitte Dezember 2021 eingestellt) Sie vernetzt die Geräte und Services seiner Partner und Nutzer herstellerübergreifend in einer cloudbasierten Plattform. Mit den Geräten, Diensten und Services von über 100 Herstellern sind einfache und komplexe Automatisierungen möglich, nicht nur im Bereich Smart Home.

Die Nutzung von »Conrad Connect« erfordert eine dauerhafte Internetverbindung des Smart-Home-Servers, außerdem ein (kostenpflichtiges) Premium-Benutzerkonto für »Conrad Connect«. Dafür gibt es eine vier­wöchige kostenlose Testphase. Produkte für »eNet« gibt es von Gira, Jung, Brumberg, Häfele, Siedle, Steinel und tado.

Bild 4: Das Smart-Home-System »eNet« lässt sich mit der Plattform »Conrad Connect« verbinden
Bild 4: Das Smart-Home-System »eNet« lässt sich mit der Plattform »Conrad Connect« verbinden

IT-Konzerne sind mit dabei

Die oben dargestellten Plattformen stellen nur eine kleine Auswahl dar. Daneben gibt es viele weitere, teilweise getrieben von Smart-Home-Herstellern, teilweise auch von Konzernen aus dem IT-Bereich, wie etwa Homekit von Apple. Ein vergleichsweise neuer Smart-Home-Standard soll »Matter« werden, ein IP-basiertes Verbindungsprotokoll. Er wurde vorgestellt von der Connectivity Standards Alliance (CSA), früher bekannt als Zigbee Alliance, und geht hervor aus dem 2019 ins Leben gerufenen »Project Connected Home over IP« (Chip). Mitglieder dieser Allianz sind u. a. Amazon, Apple, Google, Ikea, Legrand, Schneider Electric, Signify, Somfy und Zumtobel. »Matter« soll sicherstellen, dass die dem Standard entsprechenden Geräte kompatibel sind mit Smart-Home- und Sprachdiensten wie Amazon Alexa, Apple Homekit mit Siri oder Google Assistant. Die ersten Geräte sollen voraussichtlich Mitte 2022 zertifiziert sein. So hat z. B. Signify angekündigt, dass alle Komponenten der Reihe »Philips Hue« über ein Software-Update für die »Hue Bridge« mit »Matter« kompatibel sein werden (Bild 5).

Bild 5: Das Sortiment von »Philips Hue« wird kompatibel zum neuen Smart-Home-Standard »Matter«
Bild 5: Das Sortiment von »Philips Hue« wird kompatibel zum neuen Smart-Home-Standard »Matter«
(Bild: Signify)

Ausblick

Aus dem Wettstreit der Smart-Home-Systeme und Protokolle scheint ein Wettstreit der Plattformen zu werden. Doch ähnlich wie bei den Systemen zeichnet sich ab, dass es auch bei den Plattformen eine Vielfalt an Lösungen geben wird. Das sonst aus vielen Bereichen der Internet-Technologie bekannte Prinzip »The winner takes it all« ist zumindest im Smart-Home-Markt nicht in Sicht.

 

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Dipl.-Ing. Andreas Stöcklhuber

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