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Praxisfrage

TN-System versus TT-System

Nach der Übernahme eines Versorgungsnetzbereichs durch einen anderen Netz­betreiber wurde ein TN-Netz vorgegeben. Darf ich eine Kundenanlage als (X)T-Netz errichten und betreiben? Die Zuleitung zur Niederspannungshauptverteilung (NSHV) vieradrig in »0-Serie« ausgeführt. Ein separater PE ist zwischen NSHV und Hausanschlusskasten (HAK) als Verbindung zum PEN des Versorgungsnetzbetreibers ausgeführt, um den Erdungswert des Versorgungsnetzbetreibers auf seinem PEN zu verringern. Die Anlage soll als reine Terra-Anlage betrieben werden, um Potentialanhebungen auf dem Schutzleiter auszuschließen. Die Anlage soll im Bedarfsfall über eine Notstromeinrichtung mit geerdetem Sternpunkt am Generator betrieben werden können.

Darf ein PV-Installateur die Inbetriebnahme seiner Anlage verweigern, da die Anlage nicht als TN-C-S-System aufgebaut ist, sondern herkömmlich als TT-System? Entspricht die Ausführung der Anlage den Normen oder gibt es Änderungsnotwendigkeiten?

D. P., Nordrhein-Westfalen

Expertenantwort vom 30.11.2023
Autorenbild
Werner Hörmann

Gelernter Starkstrommonteur und dann viele Jahre als Projektant für Schaltan­lagen und Steuerungen bei Siemens tätig. Aktive Normung in verschiedenen Komitees und Unterkomitees der DKE. Seine Spezialgebiete sind u. a. die Er­richtungsbestimmungen nach DIN VDE 0100 (VDE 0100) – insbesondere Schutz gegen elektrischen Schlag –, die Niederspannungs-Schaltanlagen nach DIN EN 60439 (VDE 0660-500 bis -514) oder das Ausrüsten von elektrischen Maschinen nach DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1). Werner Hörmann ist Verfasser zahlreicher Beiträge in der Fachzeitschrift »de« sowie Autor diverser Fachbücher.

DIN VDE 0100-410, DIN VDE 0100-540, DIN VDE 0100-551, VDE-AR-N 4100, VDE-AR-N 4105

Grundsätzlich kann und darf eine PV-Anlage sowohl an einem TN-System (Verbindung Wechselrichter bzw. NA-Schutz zum Zähler als TN-S-System) als auch an einem TT-­System sicher betrieben werden, sofern die Vorgaben aus VDE-AR-N 4105:2018-11 berücksichtigt werden.

Zur Problemerfassung

Ich muss gestehen, dass ich Ihre Anfrage etwas verwirrend finde, daher bin ich auch nicht sicher, ob ich Ihr Problem richtig betrachtet habe. Sie schreiben, dass Ihre elektrische Anlage bisher als TT-System betrieben wurde und dafür entsprechend ausgeführt war. Der neue Netzbetreiber hat nun auf ein TN-System umgestellt. Ihr Wunsch ist aber, ein »(X)T-System« – was immer sie darunter verstehen – auszuführen.

Andererseits schreiben Sie, dass ein Schutzleiter von der Niederspannnungshauptverteilung (NSHV) zum PEN-Leiter des neuen Netzbetreibers geführt wird, um, wie Sie anführen, den »Erdungswert des Versorgungsnetzbetreibers auf seinem PEN zu verringern«.

Allgemeine Klarstellungen

Im TN-System gibt es normativ keine Vorgabe für den Erdungswiderstand des Schutz­leiters bzw. des PEN-Leiters bzw. für die Erdung des Sternpunktes der Stromquelle. Aber in jedem Gebäude – so auch im Bestand – müssen eingeführte (leitfähige) Metallteile, die geeignet sind, eine gefährliche Potentialdifferenz zu verursachen, und die nicht Bestandteil der Elektroinstallation sind, mit der Haupterdungsschiene durch Schutzpotentialausgleichsleiter verbunden werden. Das gilt auch für den PEN-Leiter, der vom Netzbetreiber eingeführt wird. Ebenso gilt das auch für den Anlagenerder, der ja für das bisherige TT-System vorhanden sein musste. Entsprechende Vorgaben sind im Abschnitt 411.3.1.2 von DIN VDE 0100-410:2018-10 und im Abschnitt 542.4 von DIN VDE 0100-540:2012-06 enthalten. Mit dieser Vorgabe soll also nicht der »Erdungswert des Versorgungsnetzbetreibers« verringert werden, sondern hierbei handelt es sich um einen wichtigen Bestandteil des Fehlerschutzes.

Unklar ist für mich auch, was Sie mit »die Anlage soll als reine Terra-Anlage betrieben werden, um Potentialanhebungen auf dem Schutzleiter zu auszuschließen« meinen. Wenn ich Sie richtig verstehe, dann meinen Sie damit, dass Sie Ihre elektrische Anlage nach wie vor mit einem TT-System betreiben wollen, obwohl der Netzbetreiber ein TN-System vorgibt. Normativ gibt es dazu keinen Aussagen, ob das zulässig oder verboten ist. Physikalisch betrachtet wäre das jedoch möglich.

Bild: Anschlussbeispiel im TT-System, Anschluss eines mobilen Notstromaggregates; ­Anmerkung: Anlage nur teilweise notstromberechtigt. Der notstromberechtigte Anlagenteil wird während des Generatorbetriebs als TN-S-System mit Schutz durch automatische Abschaltung betrieben (keine Trennung von Anlagen- und Betriebserder möglich)
Bild: Anschlussbeispiel im TT-System, Anschluss eines mobilen Notstromaggregates; ­Anmerkung: Anlage nur teilweise notstromberechtigt. Der notstromberechtigte Anlagenteil wird während des Generatorbetriebs als TN-S-System mit Schutz durch automatische Abschaltung betrieben (keine Trennung von Anlagen- und Betriebserder möglich)

Notstromeinrichtung für den Bedarfsfall

Wenn Sie einen Stromerzeuger einbinden wollen, dann müssen Sie unbedingt die DIN VDE 0100-551 beachten. Fakt ist, dass sich, bei der Versorgung aus einem Stromerzeuger, grundsätzlich einen TN-System ergibt, siehe hierzu auch Bild F.4 aus VDE-AR-N 4100:2019-04 (Bild). Eine TT-Einspeisung über dem Stromerzeuger wäre nur möglich, wenn Sie den Sternpunkt des Stromerzeugers mit einem vom Anlagenerder unbeeinflussten Erder verbinden könnten. Der Abstand hierfür müsste ca. 25 m betragen, was in der Praxis kaum zutreffend sein dürfte.

Fazit

Falls Sie vorhaben nach wie vor ein TT-­System zu betreiben, dann kann ich darin keinen Vorteil erkennen. Im Fehlerfalle könnte die mögliche Berührungsspannung bis zur automatischen Abschaltung doppelt so hoch sein, wie im TT-System. Außerdem werden sich auch im TT-System Potential­anhebungen durch Ableitströme über den Schutzleiter ergeben, die von elektronischen Betriebsmitteln hervorgerufen werden. Bei einem durchgängigem TN-S-System ist das nicht anders. Demzufolge werden sich im TN-S-System auch keine höheren Ströme im Schutzleiter und damit auch keine Potentialdifferenzen ergeben.

Werner Hörmann

 

PP23148


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