
In der hessischen Gemeinde Eichenzell entstanden in zwei Bauabschnitten insgesamt 20 Mietwohnungen mit je 80 … 140 m2 Wohnfläche, errichtet nach dem Standard KfW40. Der Bauherr Joachim Weber legte dabei den Fokus auf den Einsatz erneuerbarer Energien in Kombination mit einem hohen Automatisierungsgrad. Für die Elektroplanung und Installation verantwortlich war die KSE GmbH aus Eichenzell, ein auf Energietechnik-Lösungen spezialisierter E-Handwerksbetrieb mit ca. 85 Mitarbeitern. Hier stand uns Projektleiter David Mehler Rede und Antwort.
»de«: Herr Weber, welche Ziele haben Sie mit dem Projekt verfolgt?

(Bild: KSE)
J. Weber: Wir wollten ein nachhaltiges Wohnbauprojekt umsetzen und dabei modernen und gleichzeitig bezahlbaren Wohnraum schaffen – und das bewusst abseits der Metropolen. Das Gebäude soll in Summe mehr Energie erzeugen als verbrauchen. Das gelingt nur durch konsequenten Einsatz erneuerbarer Energien in Kombination mit einem hohen Automationsgrad.
Konzeptionell haben wir einiges anders gemacht als üblich. So gibt es beispielsweise keine Zentralheizung mehr – das ist für mich ein Relikt aus dem vergangenen Jahrhundert. Wir setzen auf dezentrale Warmwasserbereitung mit Durchlauferhitzern in Kombination mit Infrarotheizung. Über den Einsatz von Wärmepumpen haben wir auch nachgedacht, allerdings wären hier der Investitions- und Wartungsaufwand deutlich höher gewesen, so dass wir uns dagegen entschieden haben.
»de«: Herr Mehler, wo lagen aus elektrotechnischer Sicht die Herausforderungen bei dem Projekt?
D. Mehler: Für die zehn Wohnungen des ersten Bauabschnitts hatten wir uns auf einen Anschlusswert von nur 100 kW geeinigt, die maximale zulässige Last im Gebäude haben wir auf 80 kW festgelegt. Dabei gibt es in jeder Wohnung einen Durchlauferhitzer mit 21 kW sowie eine Wallbox mit 11 kW. Das erfordert ein ausgeklügeltes Lastmanagement – und auch den Mut, von den sonst üblichen Annahmen wie einem Gleichzeitigkeitsfaktor von ca. 0,5 deutlich nach unten abzuweichen. In der Praxis zeigt sich, dass der Wert viel kleiner ausfallen kann.
Unser Regelalgorithmus kennt Verbraucher, die Sie ohne Komfortverlust für einige Minuten abschalten können, wie etwa die IR-Heizung oder eine Wallbox. Durchlauferhitzer beispielweise gehören zu den nicht abschaltbaren Lasten. Ergänzend haben wir eine PV-Anlage mit 110 kWp installiert sowie einen Speicher mit 220 kWh, der kurzzeitig bis zu 75 kW Leistung zuliefern kann. Die punktuell benötigte extern bezogene Energie kaufen wir am Spotmarkt zu, und zwar bevorzugt zu den Zeitpunkten, zu denen Energie im Netz im Überschuss vorhanden und daher entsprechend kostengünstig ist. Übers Jahr hinweg erreichen wir einen Autarkiegrad von rund 80 %.
»de«: Wie schwer war es, die Projektbeteiligten von Ihrem unkonventionellen Ansatz zu überzeugen?

(Bild: KSE)
J. Weber: Das war in der Tat nicht immer einfach, beginnend beim Architekten. Hier mussten wir Überzeugungsarbeit leisten, dass unsere Art zu bauen ein neues Denken erfordert. Ein Beispiel: Wenn Sie keine Fußbodenheizung haben, führt das dazu, dass Sie eine ganz andere Art von Estrich einsetzen können. Auch für das Gewerk SHK war es eine Art »Kulturschock«: Geliefert und installiert werden mussten nur die Sanitär-Komponenten und die Kaltwasserleitungen, der Rest fällt dem Gewerk Elektro zu.
Im Bereich Elektro- bzw. Energietechnik haben wir mit der KSE einen bewährten Partner an Bord, mit dem wir bereits einige andere Projekte umgesetzt haben. Hier war also bereits ein gemeinsames Verständnis vorhanden.
»de«: Wie haben Sie das Energie- bzw. Lastmanagement umgesetzt?
D. Mehler: Wir nutzen dabei die Lösungen von Loxone. Jede Wohnung wird von einem Miniserver gesteuert, daneben gibt es noch einen weiteren Miniserver als zentrale Instanz. Dieser verwaltet neben dem Energiemanagement auch alle notwendigen Einstellungen für Zutritt und Benutzerberechtigungen. Aus meiner Sicht sprechen vor allem die integrierten Energiemanagement-Funktionen sowie die Schnittstellenoffenheit für dieses System, das wir schon in einer Reihe von Projekten eingesetzt haben. Auch das Thema Fernwartung ist so umgesetzt, dass wir kaum Service-Einsätze vor Ort haben.
Generell erweist sich die Lösung mit Durchlauferhitzern und IR-Heizung als sehr wartungsarm, verglichen mit einer klassischen wassergeführten Heizung. Sollte im Fall der Fälle mal eine der Infrarot-Heizplatten defekt sein, so können wir die in einer Viertelstunde austauschen.
»de«: Wie fällt das Feedback der Mieter aus?
J. Weber: Wer sich für eine unserer Wohnungen entscheidet, bringt sicherlich eine gewisse Affinität zu nachhaltigen und smarten Lösungen mit. Daher zeigen sich bislang alle Mieter sehr zufrieden. Dazu trägt sicherlich auch unser »All-Inclusive-Mietmodell« bei. Die Mieter bezahlen eine Pauschale für Heizung, Strom, Glasfaseranschluss, Wasser und die üblichen Nebenkosten. Nur der Ladestrom für das E-Auto wird separat abgerechnet.
Ein weiterer Aspekt sind die Annehmlichkeiten eines Smart Homes, die wir in dem Projekt realisiert haben. Theoretisch bräuchten Sie in den Wohnungen weder einen Schlüssel noch einen Lichtschalter – beides gibt es selbstverständlich noch in einem gewissen Ausmaß, da das einfach den Bedienungsgewohnheiten der Menschen entspricht.
»de«: Herr Mehler, nach welchen Kriterien werden die Energieflüsse gesteuert?

(Bild: KSE)
D. Mehler: Der zentrale Miniserver wertet den aktuellen Börsenstrompreis aus, der sich alle 15 min ändern kann, und passt den Energiebezug entsprechend an. So wird etwa zu Zeiten, in denen die Energie günstig ist, der Speicher geladen. Zu Zeiten teurer Energie werden die Wohnungen aus dem Speicher versorgt. Das System betrachtet auch den PV-Überschuss, und zwar nicht nur unter energetischen, sondern auch unter finanziellen Aspekten: Wenn die Einspeisevergütung z. B. höher als der Bezugspreis ist, beziehen wir die Energie weiterhin aus dem Netz.
»de«: Würden Sie beim nächsten vergleichbaren Projekt etwas anders machen?
J. Weber: Im Grundsatz nein, in dem ein oder anderen Detail sicherlich. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Da die Lüftungsanlage für einen stetigen Zustrom von Frischluft sorgt, haben wir festgestellt, dass die Mieter ihre Fenster nur sehr selten tatsächlich öffnen. In diesem Projekt sind noch alle Fenster so ausgeführt, dass man sie öffnen kann. In der Praxis würden auch 50 % öffenbare Fenster ausreichen, was wiederum die Baukosten zu verringern hilft – angesichts der Forderung nach bezahlbarem Wohnraum kein unwesentlicher Aspekt.
»de«: Meine Herren, vielen Dank für das Gespräch.