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Breite Ausbildung – die Basis für robuste Betriebe

ZVEH-Präsident Stefan Ehinger im Interview

Bild 1: Stefan Ehinger: »Das E-Handwerk ist breit aufgestellt und zeigt sich daher von der aktuelle Schwächephase im Wohnungsbau weitgehend unbeeindruckt«
Bild 1: Stefan Ehinger: »Das E-Handwerk ist breit aufgestellt und zeigt sich daher von der aktuelle Schwächephase im Wohnungsbau weitgehend unbeeindruckt«

(Bild: ZVEH)

Neben seiner Funktion als ZVEH-Präsident ist Stefan Ehinger auch Präsident des Fachverbands Elek­tro- und Informationstechnik Hessen /Rheinland-Pfalz (FEHR) sowie stellvertretender Obermeister der Innung für Elektro- und Informationstechnische Handwerke Frankfurt. Er kennt also alle drei Ebenen der Verbandsarbeit aus eigener Erfahrung.

»de«: Herr Ehinger, Sie sind nun seit rund einem Dreivierteljahr ZVEH-Präsident. Welche Schwerpunkte wollen Sie in ihrer Amtszeit setzen?

S. Ehinger: Wenn ich auf die letzten Jahre zurückblicke, haben sich so viele Dinge so anders entwickelt, als man es vorhersehen konnte – von Corona über die schrecklichen Kriege bis zur Energie- und Rohstoffknappheit. Insofern ist es immer schwierig, einen langfristigen Detailplan zu definieren und den dann abzuarbeiten. Nichtsdestotrotz müssen wir auf die jeweilige Situation natürlich angemessen reagieren.

Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Das Wichtigste ist aus meiner Sicht, dass wir immer wieder den Betrieb in den Mittelpunkt des Handelns rücken – auch und gerade unter sich rasant verändernden Rahmenbedingungen. Einen Schwerpunkt meiner Tätigkeiten sehe ich beim Thema Digitalisierung, mit dem ich mich ja schon längere Zeit intensiv auseinandersetze. Nicht, weil ich Digitalisierung als Selbstzweck sehe, sondern weil ich einfach glaube, dass wir die Betriebe darin unterstützen müssen, sich zu digitalisieren. Das gilt auch für das Thema Künstliche Intelligenz. Auch hier brauchen unsere Betriebe Unterstützung, und das ist für mich eine klare Aufgabe, die wir im Verband lösen müssen.

Unsere Betriebe sind im Durchschnitt elf Mitarbeiter groß, die haben in der Regel keine eigene IT-Abteilung, um Prozesse zu digitalisieren. Hier ist die Unterstützung des Verbandes gefragt, damit sich die Betriebe zukunftssicher aufstellen können. Dabei geht es zunächst einmal um die Prozesse im Betrieb, erst im zweiten Schritt um digitale Tools. Denn ein schlechter analoger Prozess wird nicht automatisch gut, nur weil man ihn digitalisiert.

Grundlage aller digitalen Prozesse – und auch von KI – ist unserer Meinung nach auch die Verfügbarkeit von Daten. Hier arbeiten wir daran, dass das E-Handwerk diskriminierungsfrei Zugang zu allen erforderlichen Produkt- und Servicedaten bekommt.

Darüber hinaus glaube ich, dass wir als Verband in Zukunft noch stärker gefordert sind als in der Vergangenheit, auch in Richtung Politik sichtbar zu sein, also sehr viel politischer zu agieren. Auch, weil wir damit Rahmen­bedingungen für unsere Betriebe schaffen, damit diese sich vernünftig weiterentwickeln können. Wie in anderen Branchen auch steht dabei das Thema Entbürokratisierung im Fokus.

»de«: Seit rund zwei Jahren gibt es den neuen Ausbildungsberuf des Elektronikers für Gebäudesystemintegration. Der Zuspruch ist bisher eher bescheiden. Woran liegt das aus Ihrer Sicht, und wie lassen sich die Zahlen erhöhen?

S. Ehinger: So unzufrieden sind wir mit den Zahlen bisher gar nicht. Es ist nicht so, dass wir erwartet haben, dass der Beruf in den ersten Jahren sofort durch die Decke geht. So ein Beruf muss sich aber auch erstmal finden, er muss bei den Betrieben bekannt werden. Bei den Auszubildenden muss sich ebenfalls erst herumsprechen, dass es diesen spannenden Ausbildungsberuf gibt.

Ich glaube daran, dass der Beruf weiter wachsen wird – wobei der Elektroniker für Gebäudesystemintegration von Anfang an als eher ergänzender Beruf gedacht war, unser Hauptberuf ist und bleibt der Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik. Schön finde ich, dass der Frauenanteil bei unserem neuen Beruf vergleichsweise hoch ist. Es sollte generell unser Bestreben sein, mehr junge Frauen in unsere Ausbildungsberufe zu bekommen.

Ich hatte vorhin gesagt, dass unser Wirken in Richtung der Politik wichtig ist, und das gilt auch hier. In Rheinland-Pfalz etwa haben wir bis heute keinen richtigen Schulstandort für den neuen Beruf. Das ist in anderen Bundesländern teilweise ähnlich. Und das ist dann natürlich auch für die Betriebe erstmal gar nicht so attraktiv, wenn ich alle meine Auszubildenden eigentlich bei mir in die Berufsschule um die Ecke schicke – bis auf den einen, den ich jetzt in diesem neuen Beruf ausbilde. Den muss ich jetzt irgendwo hinschicken, ich weiß eigentlich noch nicht mal so genau, wo und wie das so läuft. Hier sind wir dann als Verband gefordert, mit der Politik ins Gespräch zu kommen und für eine Verbesserung der Situation zu sorgen. Und das tun wir auf verschiedenen Ebenen.

Bild 2: Ab März 2024 gilt die neue Meisterprüfungsordnung im E-Handwerk
Bild 2: Ab März 2024 gilt die neue Meisterprüfungsordnung im E-Handwerk
(Bild: ZVEH)

»de«: Aktuell wird die Meisterprüfungsordnung im E-Handwerk überarbeitet. Wie soll diese künftig aussehen, und ab wann soll sie gelten?

S. Ehinger: Wir gehen im Moment davon aus, dass die neue Meisterprüfungsordnung am 1. März diesen Jahres in Kraft tritt, mit Übergangsfrist zum 31. August. Das bedeutet, dass alle Prüfungen, die dieses Jahr anstehen, nach der neuen Meisterprüfungsordnung durchgeführt werden können.

Wir haben dann auch für den Elektroniker für Gebäudesystem­integration den entsprechenden Meisterberuf. Und der steht nicht nur den GSI-Gesellen offen, sondern ich kann natürlich auch als Energie- und Gebäudetechniker zum Beispiel den GSI-Meister draufsatteln. Bei den anderen Meisterberufen gab es zum Teil leichte Anpassungen, so haben wir etwa die Kommunikations- und Sicherheitstechnik mit dem Informationstechnikmeister verwoben.

»de«: Aufgrund des Fachkräftemangels ist das Thema einer verkürzten Ausbildung bzw. Teilqualifizierung wieder stärker in den Fokus gerückt. Wie stehen Sie dazu?

S. Ehinger: Die Welt um uns herum – und auch die unserer Betriebe – wird immer komplexer, digitaler und vernetzter, gerade im Bereich der Energiewende. Die Antwort darauf kann meiner Ansicht nach nicht lauten, mit irgendwelchen Teilqualifikationen oder einem verringertem Ausbildungsumfang darauf zu reagieren.

Natürlich werden auch wir im E-Handwerk, wie eingangs erwähnt, verstärkt digitale Tools nutzen. Das ersetzt aber keine grundlegende Ausbildung. Wir brauchen auch weiterhin den gut und breit ausgebildeten Elektroniker. Wir installieren ja in der Regel keine singulären Elemente, also etwa nur die PV-Anlage oder die Wallbox, sondern wir vernetzen und integrieren mehrere Systeme zu einem sinnvollen Ganzen. Da können digitale Tools helfen, die Tätigkeiten effizienter durchzuführen, doch ich muss schon verstehen, was ich da tue.
Wo Teilqualifizierungen Sinn machen könnten, wäre eine Art modulare Hinführung zum Gesellenbrief. Also wenn man etwa Personen, die vielleicht für den klassischen ersten Ausbildungsmarkt nicht immer so geeignet sind oder die mit Teilvorkenntnissen auch aus dem Ausland zu uns kommen, Stück für Stück weiterbildet. Am Ende sollte aber auch hier das Ziel stehen, dass diese Menschen zu einer vollwertigen Gesellenausbildung geführt werden – nur eben nicht klassisch dreieinhalb Jahre, sondern modular über einen längeren Zeitraum gestreckt.

Worüber wir auch verstärkt nachdenken sollten, ist das Thema externe Gesellenprüfung. Auch bei mir im Betrieb treffe ich zunehmend auf  Mitarbeiter, die einen ausländischen Bildungsabschluss und häufig auch schon entsprechende Berufserfahrung vorweisen können. Eine hiesige Gesellenprüfung sollten solche Kandidaten schon absolvieren, es macht aber umgekehrt wenig Sinn, sie davor erst noch in eine dreieinhalbjährige Ausbildung zu stecken.

»de«: Die Messe Light + Building 2024 in Frankfurt findet erstmals seit sechs Jahren wieder zum regulären Termin im Frühjahr und in regulärer Form statt. Wie wird das Angebot der elektrohandwerklichen ­Organisation auf der Light + Building aussehen?

S. Ehinger: Wir sind wieder in Halle 11.0 am Stand C07 zu finden – als ZVEH, mit den beteiligten Landesinnungsverbänden FEHR und Saarland sowie mit der Elektroinnung Frankfurt, so dass die Besucher alle drei verbandlichen Ebenen vor Ort antreffen können. Kern unseres Auftritts ist wieder das E-Haus, das wir in einer upgedateten Version zeigen.

Ebenfalls vertreten ist unser Weiterbildungsnetzwerk Elkonet, der Gremienverbund Breitband, die Initiative Elektro+ sowie unser hauseigenes Netzwerk Digitalisierung, das über aktuelle Entwicklungen und Werkzeuge informiert. Erstmals veranstalten wir außerdem ein Forum zum Thema Cyber­security.

Bild 3: Das E-Haus steht wieder im Zentrum des Messeauftritts der E-Handwerke auf der Light + Building
Bild 3: Das E-Haus steht wieder im Zentrum des Messeauftritts der E-Handwerke auf der Light + Building
(Bild: ZVEH)

»de«: Weltleitmesse Light + Building oder Regionalfachmesse in der Nähe? Was empfehlen Sie den Betrieben?

S. Ehinger: Das muss ja kein Entweder-Oder sein, sondern ein Sowohl-Als-Auch. Auf der regionalen Messe treffe ich vielleicht eher meine lokalen Ansprechpartner, andererseits ist die Light + Building ganz klar die Messe, auf der Innovationen und Neuheiten im Fokus stehen. Insofern ergänzen sich die Weltleitmesse und die regionalen Fachmessen sehr gut.

»de«: Im Wohnungs-Neubaumarkt jagt ­eine Hiobsbotschaft die nächste, das E-Handwerk zeigt sich bisher davon weitgehend unbeeindruckt. Wird das aus Ihrer Sicht so bleiben?

S. Ehinger: Was das Jahr 2024 betrifft, so bin ich nach wie vor sehr positiv gestimmt. Das bestätigen sowohl die Zahlen unserer Herbstkonjunkturumfrage 2023 als auch meine vielen Gespräche mit den Betrieben vor Ort.

Wir kommen vor allem deswegen so gut durch diese schwierige Situation, weil das E-Handwerk so breit aufgestellt ist. Auch wenn der Wohnbaumarkt aktuell schwächelt – Tätigkeitsfelder wie Wärmepumpen, Photovoltaik, E-Mobilität oder der Breitbandausbau sorgen für eine nach wie vor gute Auslastung. Diese Flexibilität ist eine der maßgeblichen Ursachen für die robuste Situation im E-Handwerk.

Und hier sind wir auch wieder bei unserem Thema von vorhin, der Ausbildung unserer Mitarbeiter. Nur weil diese so breit angelegt ist, haben die Betriebe auch diese Flexibilität. Wenn Sie jemanden zum Beispiel in einem »Schnellwaschgang« nur zum Wärmepumpenmonteur ausbilden würden – was tun Sie mit so jemandem, wenn Sie als Betrieb auf andere Geschäftsfelder ausweichen wollen oder müssen?

»de«: Blickt man auf die typischen Betriebsgrößen im E-Handwerk, so lässt sich erkennen, dass die Betriebe tendenziell größer werden. Wird sich das aus Ihrer Sicht so fortsetzen?

S. Ehinger: Im Grundsatz dürfte sich dieser Trend so verstetigen. Das liegt nicht nur, aber auch daran, dass uns die Politik mit immer
mehr bürokratischen Auflagen belastet. Der Aufwand dafür steigt ­stetig, und der ist für größere Einheiten am Ende einfacher zu lösen als bei kleinen Betrieben. Ob diese Entwicklung immer so sinnvoll ist für unsere Gesellschaft, das stelle ich gerne mal zur Diskussion. Wir brauchen doch diesen Mittelbau, der ist auch für die Gesellschaft wichtig. Stattdessen baut die Politik aktuell immer neue Hürden auf, die es engagierten jungen Menschen erschweren, sich selbständig zu machen.

»de«: Gerade im Bereich der erneuerbaren Energien gibt es inzwischen auf verbandspolitischer Ebene Kooperationen mit anderen Gewerken, etwa mit dem Dachdeckerhandwerk im Bereich PV-Anlagen. Wie kann dies konkret vor Ort zwischen den Betrieben umgesetzt werden?

S. Ehinger: Am Anfang eines solchen Prozesses steht immer eine politische Absichtserklärung, die zunächst einmal die grundlegende Bereitschaft beider Seiten zur Zusammenarbeit festhält. Da bleiben wir aber nicht stehen, sondern wir erarbeiten für die Betriebe beispielsweise auch Checklisten, die bei der konkreten Umsetzung der Kooperation vor Ort Hilfestellung leisten. Mit Leben füllen müssen die Kooperation dann natürlich die Betriebe vor Ort aufgrund einer freien unternehmerischen Entscheidung. Der Verband schafft hierfür aber die entsprechenden Rahmenbedingungen.

Kooperationen haben wir aber nicht nur mit dem Dachdeckerhandwerk in Sachen Photovoltaik, sondern beispielsweise auch mit SHK-Betrieben rund um die Wärmepumpe oder mit den Kältetechnikern. Mit den Schornsteinfegern führen wir aktuell sehr intensive Gespräche.

»de«: Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Sie sind mit aktuell 42 Jahren ein vergleichsweise junger Präsident. Entsprechende Wahlergebnisse vorausgesetzt, könnten Sie dieses Amt für sehr viele Jahre innehaben. Blicken Sie so weit in die Zukunft voraus?

S. Ehinger: Ich bin für eine Amtsperiode von vier Jahren gewählt – eine aus meiner Sicht sehr mutige Entscheidung der Mitgliederversammlung, einen so jungen Präsidenten zu wählen. Weiter denke ich nicht voraus, sondern konzentriere mich auf die vor mir liegenden Aufgaben. Unabhängig davon ist eines für mich aber ganz klar: Ich werde mit Sicherheit nicht bis zum Erreichen der Altersgrenze das Amt des ZVEH-Präsidenten bekleiden.

»de«: Herr Ehinger, vielen Dank für das Gespräch.

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Dipl.-Ing. Andreas Stöcklhuber

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