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IP-Datennetzwerk ist nicht gleich IP-Videonetzwerk

Switche in Netzwerken

Auf einen Blick Hochaufgelöste Videobilder der Megapixelkameras ­erzeugen Jumbo-Frames, die klassische Industrie-Switche nicht mehr archivieren können

Stromspitzen bei Videoüberwachungskameras entstehen z. B. bei Tag/Nacht-Umschaltung oder PTZ-Aktionen und müssen durch einen geeigneten Switch aufgefangen werden
Aufgrund der PoE-Technik (Power over Ethernet, das bezeichnet die Stromversorgung über das Netzwerkkabel) benötigen die Kamerahersteller immer mehr Leistung aus den Switchen. 60 W sind heute keine Seltenheit mehr. Hier zeigen sich die begrenzten Möglichkeiten der normalen Switch-Hersteller.

Hohe PoE-Leistungen und schnelle CPU-Leitungen ­lassen sich nur schwer vereinen. Die hohe Leistung erzeugt viel Abwärme, die für die hohe CPU-Performance nicht förderlich ist. Zudem sind die IEEE-Standards für 60 W noch nicht vollends verabschiedet. Es zeichnet sich ab, dass Video-IP-Netzwerke ein ­eigenes unabhängiges Dasein mit eigenen Switchen und Komponenten etablieren.
Bild: Ein für Megapixelkameras 
geeigneter Video-Switch verarbeitet 
auch große Datenraten
Bild: Ein für Megapixelkameras geeigneter Video-Switch verarbeitet auch große Datenraten

Synchrone Abfolge bei den Video­sequenzen

Eine Analogie: Bären und Tiger sind beides Raubtiere, die die Jagd lieben. Bei genauerem Hinsehen zeigen sich jedoch schnell die Unterschiede. Der Bär ist viel weiterverbreitet; von Europa nach Asien bis hin nach Amerika – wie die klassischen IP-Netzwerke. Der Tiger kommt hingegen nur in Asien und Teilen von Russland vor, also in einem sehr dedizierten Umfeld. Er ist weit agiler als ein Bär. Genauso muss ein Video-IP-Netzwerk zwar stark, aber genauso dynamisch und schnell sein. Denn die Videosequenzen sind im Gegensatz zu klassischen Daten an eine synchrone Abfolge gebunden. Mit andern Worten: Wenn der Video-Stream beginnt, sollen die anderen Frames möglichst kontinuierlich und stabil folgen. Denn sonst nimmt das Auge jede Veränderung sofort wahr. Switche verwerfen hochauf­gelöste Videobilder

Megapixelkameras sind auf dem Vormarsch. Sie benötigen allerdings immer mehr so genannte Jumbo-Frames. Diese besonders hochaufgelösten Video-Einzelbilder sind mit 9600 Bytes bis zu sechsmal größer als normale Frames mit 1 518 Bytes. Die meisten Netzwerk-Switche unterstützen Jumbo-Frames aber nur bei einer 1-Gigabit-Verbindung.

Gerade IP-Videokameras stellen praktisch immer nur eine 100-Megabit-Verbindung her. Dies führt dazu, dass die Switche diese Jumbo-Frames verwerfen und am Ende bei der Archivierung plötzlich keine Daten mehr vorhanden sind. So entstehen so genannte »Green Frames«, das ist die englische Bezeichnung für leere Frames. Die Komplexität der Videonetzwerke nimmt rasant zu, somit müssen Kameras und Switche besser aufeinander abgestimmt werden, um Kameras besser überwachen und einbinden zu können.

Datenmengen steigen trotz Videokompression

Megapixel, 4K, 8K – der Weg der Kamerahersteller scheint klar zu sein. In der Zukunft wird es immer größere Datenraten geben. Ein Wechsel vom Standard zur Videokompression H.264 zu der neueren Version H.265 bringt hier nur kurzfristig eine Verschnaufpause. Denn H.265 soll die HFR (High Frame Rate, eine höhere Bildwiederholfrequenz als 24 Bilder pro Sekunde) steigern, was wiederum einen enormen Datenanstieg bedeutet. Gerade hier wird die Wahl des Switches eminent wichtig.

Zwar mag ein Switch auf den ersten Blick 24 Gbit haben, aber kann er diese Datenmenge auch verarbeiten? Die Leitungsfähigkeit wird durch die sogenannte Switching Fabrics (SF) bestimmt. Switching-Fabrics sind geschaltete, serielle Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zur gleichzeitigen Kommunikation zwischen autarken Einheiten. Ein Switch mit 24 Gbit hat die doppelte SF, also 48 Gbit.

Industrie-Switche bewältigen nur kleine Datenmengen

Vergleichbares Kriterium für die Bewertung eines Switches ist die so genannte Forwarding Rate (FR). Sie beschreibt die Anzahl an Datenpaketen, die ein Switch erfolgreich zur richtigen Ziel-Schnittstelle übertragen kann. Gerade hier scheiden viele Access-Switche und Hutschienen-Switche aus. Die Geräte sind nicht für Full-Wire-Speed, also die maximale Datenübertragungsrate auf allen Ports, gebaut. Denn Switche in der Industriewelt werden meistens nur für kleine Datenmengen benötigt, z. B. von SPS-Steuerung zu SPS-Steuerung. Wird an solche Switche eine Videoüberwachung angeschlossen, so ist das Gerät schnell überfordert.

Eine weitere Betrachtung ist der Flaschenhals beim Uplink, also bei der Verbindung in das übergeordnete Netzwerk. Bei einem Switch sollte auch dieser für Video-Anwendungen ausgelegt sein. Als Beispiel muss ein 24-Port-1/100/1000TX-Switch über mindestens einen Uplink von 10 Gbit verfügen. Denn es ist sicher nicht zielführend, einen preiswerten 24-Port-­Gigabit-Switch zu kaufen, wenn dieser nach Belegung von acht Ports in die Knie geht und ein zweiter oder dritter Switch nötig wird.

Die benötigte PoE-­Kapazität des Switches

Doch wieviel Leistung braucht ein Switch? Typischerweise verhalten sich Kameras ganz anders als sonstige PoE-Verbraucher. Bei der Tag/Nacht-Umschaltung werden Stromspitzen erzeugt. Auch wenn sich PTZ-Dome (Pan, -Tilt-, Zoom-Kameras) bewegen, entsteht ein kurzzeitiger erhöhter Strombedarf. Dabei dürfen die verwendeten Switche nicht in die Knie gehen.

Typischerweise rechnet man mit 75 % der Switch-Leistung, welche rein für PoE gebraucht werden können. Bei einem 24-Port-Switch mit Class-3-Verbrauchern sind dies 24 x 15,4 W = 370 W. Effektiv muss der Switch aber 370 W / 0,75 = 500 W beziehen. Die restlichen 130 W werden für die Reserve von Spitzenströmen und für die CPU im Switch benötigt.

Eine weitere Hilfe ist das so genannte »Power Delay«. Bei einem Stromausfall muss ein voll belegter Switch in einem modernen System die Fähigkeit haben, Port für Port zeitverzögert aufzuschalten. Sonst würden auf einen Schlag alle eingebundenen Kameras Spitzenleistung beziehen. Wechseln alle ­Dome-Kameras einer Videoüberwachungsanlage beispielsweise zum gleichen Zeitpunkt in die Nullstellung, erzeugt dies enorme Spitzenströme, welche die Stromversorgung immer wieder belasten.

Gleichzeitig müssen die modernen ­Videoswitche die Fähigkeit haben, die PoE-Verbraucher direkt zu pingen. Dabei wird überprüft, ob ein bestimmter Host in einem ­IP-Netzwerk erreichbar ist. Ebenso müssen die Videoswitche bei Bedarf die PoE-Versorgung entziehen, um die ­Kamera neu starten zu können.
Über den Autor
Autorenbild
Rudolf Rohr

Mitgründer und geschäftsführender Gesellschafter, barox Kommunikation GmbH, Lörrach

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