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Videobasierte Brandfrüherkennung

Brandquellen in Sekunden detektieren

Detektion Brand
Bild 1: Die Brandfrüherkennung mit »Aviotec«-Kameras wurde vom VdS als weltweit erstes videobasiertes Branderkennungssystem zertifiziert und anerkannt
(Bild: Bosch)

Ob in Privatwohnungen, in Produktionsstätten oder in der Natur – ein unkontrolliertes Feuer gefährdet immer Material, Umwelt und Leben. Nicht ohne Grund ist Brandschutztechnik hierzulande stark reglementiert. Doch je enger das Netz aus Regularien geknüpft ist, desto mehr kann es auch zum Hemmschuh für den technischen Fortschritt werden.

»de«: Lässt dieser enge Rahmen an Normen, Vorschriften und Richtlinien in der Brandschutztechnik Herstellern und Errichtern überhaupt noch einen Handlungsspielraum für innovative Denkansätze und Neuentwicklungen?

Sören Wittmann: Brandschutztechnik in Deutschland und Europa ist tatsächlich sehr stark reglementiert. Und das ist gut so. Schließlich geht es darum, Menschen und Werte so gut wie möglich zu schützen – und das auf Basis nachvollziehbarer Normen. Natürlich würden wir uns insbesondere bei hochinnovativen Technologien wie unserer videobasierten Branderkennung »Aviotec« manchmal wünschen, dass die Normenerstellung etwas schneller voranschreitet. Als Hersteller arbeiten wir mit wichtigen Institutionen, wie zum Beispiel dem VdS, zusammen, um die Normung in Europa Stück für Stück zu erweitern.

»de«: Eine optische Rauchdetektion wird schon durch recht einfache, kostengünstige Rauchmelder geboten. Der Einsatz einer Videokamera für den Brandschutz verlangt eine deutlich höhere Investitionsbereitschaft. Welche deutlichen Vorteile erhält man im Gegenzug?

S. Wittmann: Wenn es um die Absicherung großer Bereiche, wie zum Beispiel Industrie oder Lagerhäuser geht, kommt man mit punktförmigen Rauchmeldern schnell an die Grenzen des Machbaren. Das kann man auch nachlesen: Die VDE 0833-2 als Norm für das Planen, Errichten, Erweitern, Ändern und Betreiben von Brandmeldeanlagen beschreibt in Abschnitt 6.1.5.3 bis zu welcher Deckenhöhe Brandmelder eingesetzt werden dürfen. So zum Beispiel punktförmige Rauchmelder nur bis zu einer Höhe von zwölf Metern – bis 16 Metern nur bei Nachweis der Wirksamkeit.

Bild 2: Sören Wittmann, Product Manager Video-based Fire Detection bei Bosch Building Technologies
Bild 2: Sören Wittmann, Product Manager Video-based Fire Detection bei Bosch Building Technologies

(Bild: Bosch)

Das hat seine Gründe: Rauch steigt durch den thermischen Auftrieb auf. Je höher er steigt, desto mehr vermischt er sich mit der Umgebungsluft, verdünnt sich, wird kälter und langsamer. Irgendwann hat er die Temperatur der Umgebung angenommen und steht in der Luft.

Umgekehrt verhält es sich mit der Raumtemperatur. Die warme Luft sammelt sich meistens unter der Decke, sodass sie eine nahe­zu undurchdringliche Schicht für den Rauch bilden kann – zum Beispiel Warmluftpolster. Damit der Rauch weiter aufsteigt, ist mehr Energie nötig, das heißt ein größeres, bereits entwickeltes Feuer. In diesen Szena­rien werden daher andere Technologien verwendet, zum Beispiel linienförmige Rauchmelder oder Ansaugrauchmelder. Diese sind jedoch in der Installation und Instandhaltung teuer und lösen das oben beschriebene Problem nur teilweise, da auch sie in Deckennähe oder an Einbauten befestigt werden müssen.

So sind alle bisher verfügbaren Brandmeldetechnologien darauf angewiesen, dass der Rauch zu ihrer Montageposition aufsteigt. Je höher die Decke, desto länger dauert es, bis die Melder auslösen können. Wenn wir dazu noch Luftbewegungen durch Lüftungen, Klimaanlagen oder natürlichen Luftzug in den Anwendungen betrachten, wird es richtig schwierig, Brände schnell zu erkennen.

Bei videobasierter Branderkennung verhält sich das ganz anders. Rauch oder Flammen, die sich im Sichtbereich der Brandmeldekamera befinden, sind nahezu sofort im Bild sichtbar. Die Kamera kann den Brand an seiner Quelle innerhalb von Sekunden de­tektieren. Dies spart wertvolle Zeit in der Rettungskette und kann durch frühzeitige Detektion helfen, Schäden zu minimieren. Gerade beim Brandschutz von Lagerbereichen oder teuren Maschinen, die für den Fortbestand eines Unternehmens überlebensnotwendig sind, ist dies ein unschätzbarer Vorteil.

Weitere Vorteile kann die Kombination der videobasierten Branderkennung mit klassischer Videotechnologie erzielen. Hier bieten sich viele Möglichkeiten, die je nach Kundenwunsch realisiert werden können. So ist zum Beispiel eine Alarmaufzeichnung möglich. In einem Ringspeicher werden die Videosequenzen aufgezeichnet und nach kurzer, definierbarer Zeit automatisch gelöscht. Nur im Alarmfall werden die Daten sicher gespeichert, sodass eine Analyse des Videomaterials eventuell zur Brandursachenanalyse herangezogen werden kann. Die Erkenntnisse können auch dazu genutzt werden, Gegenmaßnahmen zu definieren, um Brände mit ähnlicher Ursache für die Zukunft abzustellen.

»de«: Können Sie den dahinterstehenden intelligenten Bildanalysealgorithmus näher erläutern?

S. Wittmann: Flammen und Rauch haben gewisse Eigenschaften. So haben Flammen zum Beispiel eine typische Farbe, Helligkeit und Flackern in spezifischen Frequenzen. Rauch dagegen ist ein halbtransparentes bewegtes Objekt. Es bewegt sich im Bild aufwärts, deckt den Hintergrund aber nicht ganz ab. Er ist sehr turbulent, hat Dichteschwankungen und ist in der Brandentstehungsphase weiß – wird aber mit zunehmender Temperatur des Brandherdes immer dunkler.

All diese Eigenschaften werden von unseren »Aviotec«-Kameras erkannt und bewertet. »Aviotec« verwendet derzeit mehr als 20 Algorithmen, um die unterschiedlichen Erscheinungsformen von Flammen und Rauch zu analysieren und zu melden.

»de«: Hilft die Software gleichzeitig dabei, Falschalarme zu vermeiden?

S. Wittmann: Ja, durch das Design und die Kombination der verschiedenen Algorithmen können Rauch und Flammen klar von anderen Objekten im Bild unterschieden werden. Wir tun unser Bestes, um die Erkennung so gut wie möglich zu machen.

Sollte einmal ein Alarm ausgelöst werden, bietet die videobasierte Branderkennung einen weiteren unschätzbaren Vorteil: Bei Verwendung eines Anzeigegerätes – zum Beispiel beim Werksschutz eines Unternehmens – können die Alarme schnell und sicher von einer befugten Person im Live-Video verifiziert werden. Hier lässt sich auch schnell erkennen, ob es sich um einen Falschalarm oder einen echten Alarm handelt.

»de«: Verstehen Sie solche Analyseverfahren als Schritt in Richtung Künstliche Intelligenz?

S. Wittmann: »Aviotec« verwendet derzeit eine einzigartige Kombination. Wir haben vor ca. zehn Jahren mit der Entwicklung begonnen. Über die Jahre kamen immer mehr Algorithmen dazu, um noch sensibler und robuster zu werden. Wie schon gesagt verwenden wir mittlerweile mehr als 20 verschiedene Algorithmen in der Kamera zur Flammen- und Raucherkennung. Jeder einzelne Algorithmus ist für sich genommen nur bedingt aussagekräftig. Erst durch eine Kombination der Algorithmen und das richtige Anpassen jeder einzelnen Alarmschwelle jedes Algorithmus wird das gesamte System zuverlässig.

Man kann sich das Ganze wie eine Wolke vorstellen, die 20 Dimensionen hat – je eine für jeden Algorithmus. Bei 20 Dimensionen ist es als Mensch unmöglich, die Zusammenhänge zu verstehen.

Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel: Stellen Sie sich bitte eine Kugel vor – das ist einfach, sie ist dreidimensional. Wenn ich Sie nun bitte eine vierdimensionale Kugel vorzustellen, gelingt uns das nicht mehr. Wir benötigen die Mathematik, um die vierte Dimension zu beschreiben.

Daher haben wir 2019 »Aviotec« um eine Maschine-Learning-basierte KI ergänzt, die die Ergebnisse unserer 20 Algorithmen verarbeitet und die auf Basis dieser dann die Alarmentscheidung trifft. Allein schon dieser Ansatz hat dazu geführt, dass wir die Anwendungsgrenzen hinsichtlich notwendiger Beleuchtung etc. stark verbessern konnten.

»de«: Wie schätzen Sie generell das Potenzial von Machine Learning bzw. Deep Learning im Bereich Videoüberwachung sowie beim Brandschutz ein?

S. Wittmann: Deep Learning wird – wie in vielen anderen Bereichen – auch den Brandschutz revolutionieren. Wir forschen seit Jahren in diesem Bereich, unter anderem auch für die videobasierte Branderkennung. Es ist zu erkennen, dass die Erkennungsraten, Geschwindigkeiten und auch die Robustheit der Branderkennung unglaublich von dieser neuen Technologie profitieren kann.

Die klassische Entwicklung von Algorithmen verschiebt sich in den Bereich von Datenaufbereitung, Datenverwaltung und Training der KI. Das Interessante an diesem Ansatz ist, dass die Technologie durch neue Daten immer wieder besser werden kann. Wichtig ist dabei, dass die KI von den Herstellern vortrainiert wird und diese nicht in der Kundenanwendung weiterlernt. Somit können wir verhindern, dass etwas Falsches gelernt wird, das die Branderkennung stört oder unmöglich macht. Dies zeigt auch, wie wichtig es auf Herstellerseite ist, die Daten und das Training richtig zu designen und hier entsprechend Zeit und Arbeit zu investieren.

»de«: Erkennen Ihre Kameras zur Brand­erkennung auch Einbruchversuche oder benötigt man dazu weitere technische Ausstattung?

S. Wittmann: »Aviotec« kann beides – sie kann Flammen und Rauch erkennen, verfügt aber parallel dazu über die komplette Videoanalytik von Bosch. So können zum Beispiel auch Einbruchversuche etc. erkannt werden.

»de«: Ist eine videobasierte Brandfrüherkennung auch für den Einsatz in Außenbereichen und für die Vermeidung von Waldbränden geeignet?

S. Wittmann: Videobasierte Systeme können auch im Außenbereich eingesetzt werden. Hier ist für die Hardware noch ein Wetterschutzgehäuse notwendig. Der Außenbereich bietet natürlich auch eine Vielzahl von zusätzlichen Herausforderungen für kamerabasierte Systeme. Nachts ist es dunkel, sodass die Sicht eingeschränkt ist, die Sonne kann blenden, starker Wind kann Rauch stark verwehen.

Nebel kann ebenso die Sicht einschränken, deutet aber auf eine hohe Luftfeuchtigkeit hin, in der sich Waldbrände nur schwer entwickeln. Wir haben unsere »Aviotec« derzeit nicht für den Einsatz zur Erkennung von Waldbränden freigegeben, da wir noch nicht über die Erfahrung und das nötige Videomaterial verfügen, sodass wir hier eine belastbare Aussage treffen könnten.

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Über die Autorin
Autorenbild
Britta Kalscheuer

Redaktion »de«

Über die Firma
Bosch Building Technologies
Grasbrunn
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