Home Elektroinstallation Elektrische Maschinen Durchblick im Drehgeber-Dschungel

Praktische Tipps für die richtige Auswahl von Encodern

Durchblick im Drehgeber-Dschungel

Bild 1: Die drehende Codescheibe mit ihrem definierten Muster wird von einer LED beleuchtet, das Lichtmuster wird von Fotodioden erfasst – dies ermöglicht die exakte Bestimmung der Position der Geberwelle
Bild 1: Die drehende Codescheibe mit ihrem definierten Muster wird von einer LED beleuchtet, das Lichtmuster wird von Fotodioden erfasst – dies ermöglicht die exakte Bestimmung der Position der Geberwelle
(Bild: Baumer)

Sie sind robust, schockfest und sie werden immer präziser. Keine andere Drehgebertechnologie hat sich in den vergangenen Jahren so rasant entwickelt wie die magnetischen Encoder. Mittlerweile arbeiten sie mit so hoher Präzision, dass sie in vielen Applikationen optische Encoder ersetzen können. Sind optische Drehgeber (Bild 1) also Auslaufmodelle, die auf absehbare Zeit von den magnetischen (Bild 2) verdrängt werden? In diesem Fachbeitrag wird aufgezeigt, welche Möglichkeiten sich durch die magnetische Revolution auftun, die auch Baumer seit den 1990er Jahren maßgeblich mit vorantreibt (Bild 3) und daher heute magnetische Drehgeber mit führender Genauigkeit sowie das umfassendste Magnetgeber-Portfolio bietet.

Bild 2: Magnetische Drehgeber haben sich insbesondere durch die Steigerungen ihrer Genauigkeit inzwischen breit etabliert – im Bild der Baumer Drehgeber EAM580
Bild 2: Magnetische Drehgeber haben sich insbesondere durch die Steigerungen ihrer Genauigkeit inzwischen breit etabliert – im Bild der Baumer Drehgeber EAM580

(Bild: Baumer)

Dabei wird klar: Beide Technologien haben auch weiterhin ihre Daseinsberechtigung. Magnetische Drehgeber haben sich insbesondere durch die Steigerungen ihrer Genauigkeit inzwischen bestens etabliert. Doch es gibt zahlreiche Anwendungsfelder, in denen es ohne die unerreichte Präzision und Dynamik der optischen Encoder nicht geht. Auf die Applikation kommt es also an.

Ohne Drehgeber läuft (fast) nichts

Drehgeber liefern in der Fabrikautomation und vielen anderen Anwendungsfeldern die entscheidenden Feedback-Signale für Position und Geschwindigkeit an eine Steuerung oder an einen Antrieb, häufig in Echtzeit. Ohne sie läuft im Wortsinn praktisch nichts. Ihre Signale sind unverzichtbar, um Antriebe, Förderbänder, Abfüllanlagen und natürlich Roboter punktgenau und energieeffizient zu überwachen, zu steuern und zu regeln.

Bild 3: Die magnetische Revolution: Durch ihre enorme Weiterentwicklung erreichen magnetische Drehgeber sehr hohe Genauigkeiten, mit denen sie sich mittlerweile für viele industrielle Anwendungen sehr gut eignen
Bild 3: Die magnetische Revolution: Durch ihre enorme Weiterentwicklung erreichen magnetische Drehgeber sehr hohe Genauigkeiten, mit denen sie sich mittlerweile für viele industrielle Anwendungen sehr gut eignen
(Bild: Baumer)

Messprinzipien im Vergleich

In der Fabrikautomation herrschen zwei Messprinzipien (Bild 4) vor, die wir nachfolgend etwas näher betrachten wollen.

Prinzip der magnetischen Drehgeber

Das Messprinzip mit den zuletzt größten Entwicklungssprüngen. Ein viel genutzter Vorteil dieser Technologie ist ihre hohe Robustheit und die Möglichkeit der berührungslosen, lagerlosen Positionsermittlung. Magnetische Encoder ermitteln die Winkelposition mittels Magnetfeldsensoren: Auf der Geberwelle erzeugt ein Diametral- oder Multipol-Ringmagnet ein Magnetfeld, das mit der Wellenposition mitwandert und dessen Stärke von dem Sensor erfasst wird. Auf Basis der gemessenen Werte ermittelt der Encoder die Position.

Weil das Magnetfeld nichtmagnetische Werkstoffe wie Kunststoff oder Aluminium durchdringt, lassen sich neben konventionellen Bauformen mit Drehgeber-Welle und Eigenlagerung auch innovative lagerlose Systeme realisieren. Magnet und Sensor sind dabei separate Baugruppen und benötigen kein eigenes Kugellager. Der Messung an sich können Verschmutzungen, Flüssigkeiten und Staub nichts anhaben.

Prinzip der optischen Drehgeber

Der bewährte Klassiker unter den Encoder-Technologien. Optische Encoder erlauben eine sehr präzise und äußerst reaktionsschnelle Bestimmung von Position und Geschwindigkeit. Das liegt an ihrer Funktionsweise: Im Inneren dreht sich mit der Geberwelle eine Codescheibe mit einem definierten Muster von transparenten und lichtundurchlässigen Feldern mit höchster Auflösung und Genauigkeit. Von der einen Seite wirft eine LED Licht in Richtung der Scheibe. Auf der Gegenseite entstehen so unterschiedliche Lichtmuster analog zu der Stellung der Codescheibe. Fotodioden erfassen diese Muster (optische Abtastung) und ermöglichen die exakte Bestimmung der Position der Geberwelle.

Je mehr unterschiedliche Felder auf einer Codescheibe rotieren, desto höher die Auflösung und Genauigkeit des optischen Drehgebers. Die Codescheiben optischer Encoder besitzen typischerweise eine hohe Grundauflösung, inkremental bis 10 000 Striche bzw. absolut bis 4 096 Schritte / 12 Bit pro Umdrehung. Zur Erhöhung der Positionsauflösung ist meist keine oder nur eine geringe Signalinterpolation notwendig. Dies unterstützt bei bereits hoher Genauigkeit eine sehr schnelle Positionsbildung.

Bild 4: Optische und magnetische Drehgeber unterscheiden sich durch das Abtastprinzip, können aber vergleichbar aufgebaut sein
Bild 4: Optische und magnetische Drehgeber unterscheiden sich durch das Abtastprinzip, können aber vergleichbar aufgebaut sein
(Bild: Baumer)

Vorteile und Grenzen der beiden Drehgeber-Varianten

Magnetische Geber für raue Umgebungen

Ihre große Stärke »Robustheit« und »Unempfindlichkeit gegenüber Verschmutzungen« können magnetische Drehgeber besonders in rauen Umgebungen ausspielen. Beispiel Textilmaschinen: Hier kommen optische Drehgeber, die mit einer gelagerten Welle arbeiten, schnell an ihre Grenzen. Baumwollfasern dringen in die Kugellager ein und zerstören diese in kürzester Zeit. Zudem verkürzen starke Schocks und Vibrationen die Lebensdauer dieser Encoder sehr. Die Lösung sind berührungslos arbeitende lagerlose Drehgeber mit magnetischem Messprinzip wie der »Baumer EAM580 Kit«. Ihr Aufbau ohne Kugellager und ihre hermetische Kapselung macht sie nahezu vollständig immun gegenüber Fasern und anderen Umwelteinflüssen.

Noch rauer geht es in Papiermaschinen und Stahlwerken zu, wo Encoder dauerhaft Papierabrieb, Metallstaub, Schlacke und starke Temperaturwechsel mit zum Teil hohen Temperaturen aushalten müssen. Hier sind zudem die Anforderungen an die Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit der Maschinen und Anlagen, und damit an die der Drehgeber, extrem hoch. Ein Ausfall kann hier leicht zum kompletten Verlust einer Produktionscharge oder sogar zu aufwendigen Instandsetzungen führen. Die neue absolute Referenz auf diesem Gebiet sind die Baumer Heavy-Duty-Modelle HMG10 / PMG10, die selbst diese Herausforderungen zuverlässig lösen. Mit ihrer optimierten magnetischen Abtastung stellen sie bezüglich Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit alles bisher Dagewesene in den Schatten.

Neben der hohen Robustheit gegenüber Schmutz und Schocks punkten die magnetischen Drehgeber mit weiteren Vorzügen: Das Messprinzip erlaubt sehr kompakte Bauformen, wie sie Baumer zuletzt mit dem berührungslosen, leistungsstarken EB360 Absolut-Multiturn-Kit-Drehgeber für raue Umgebungen vorgemacht hat. Seine geringe Einbautiefe maximiert die Konstruktionsfreiheit und ermöglicht neue Einsatzfelder.

Trotz seiner Stärken hat das magnetische Messprinzip gewisse Grenzen:

  • Wenn Positionsdaten sehr dynamisch in Echtzeit benötigt werden
  • wenn höchste Präzision und Auflösung gefordert ist
  • bei starken magnetischen Störungen in der Applikation.

Magnetische Drehgeber sind dank stark gestiegener Rechenleistung in der Signalverarbeitung mittlerweile zwar sehr schnell, aber aufgrund der notwendigen Interpolation zur Erreichung einer geeigneten Positionsauflösung sind sie aktuell immer noch langsamer als ihre optischen Pendants. Denn die Grundauflösung bei magnetischen Drehgebern ist üblicherweise deutlich geringer als bei optischen Abtastungen. Mit einem Diametralmagnet werden im Magnetsensor typischerweise zwei  Sin-Cos-Perioden pro Umdrehung erzeugt, bei einem Ringmagnet sind es typischerweise bis zu 64 Sin-Cos-Perioden. Für eine höhere Positionsauflösung von beispielsweise 12 Bit ist daher immer eine Filterung und Interpolation der Signale notwendig. Dies kann je nach Güte der Magnete und Ausführung der Signalverarbeitung zu Positionsrauschen und zu einer verzögerten Positionsbildung führen.

Magnetische Drehgeber erreichen derzeit eine deutliche langsamere Datenaktualität als optische Encoder, die Positionsdaten direkt von der Impulsscheibe und damit quasi in Echtzeit liefern. Dies ist oft entscheidend für die präzise Synchronisierung von Achsen.

Baumer hat magnetischen Drehgebern zu einer bemerkenswerten Präzision verholfen – dank eines optimierten Zusammenspiels aller Schlüsselkomponenten und dank innovativer Software-Algorithmen, die auf Basis einer großen Applikationserfahrung entwickelt wurden. Die von der heutigen Baumer-EAM-Serie mit Diametralmagnet erreichte Genauigkeit von 0,15° (500 Winkelsekunden) ist etwa 10-fach höher als die ihrer Vorgänger aus den 2000er Jahren. Dennoch: Der Graben zu den optischen Drehgebern ist trotz dieses beachtlichen Entwicklungssprungs immer noch breit. Die optischen Encoder wie der inkrementale »EIL580« und der absolute »EAL580« sind mit einer typischen Genauigkeit von 0,015° (50 Winkelsekunden) immer noch etwa 10-fach genauer als die präzisesten EAM-Drehgeber.

Bei Encodern mit Ringmagnet hängt die erreichbare Genauigkeit und Auflösung von dem in der Applikation möglichen Ringdurchmesser ab. Bei einem größerem Ringdurchmesser lassen sich auf dem Umfang mehr Magnetpole unterbringen. Dies ermöglicht eine Erhöhung der Grundauflösung des Ring-Encoders, und bei entsprechender Magnetgüte auch eine erhöhte Genauigkeit.

Optische Drehgeber für hohe Präzision und Dynamik

Wo sehr hohe Präzision und Dynamik gefragt sind, führt an optischen Drehgebern kein Weg vorbei. Denken wir an einen industriellen Flachbettdrucker: Für ein gleichmäßiges, schlierenfreies Druckbild sind hochgenaue Positionswerte unabdingbar, denn jeder Fehler in der Messkette verschlechtert das Ergebnis und führt schnell zu nicht verwertbaren Fehldrucken. Kurz gesagt entspricht die erreichbare Druckqualität direkt der Genauigkeit der Ausgangssignale des Drehgebers. Eigengelagerte optische Inkremental-Drehgeber wie der »EIL580« von Baumer gewährleisten unter allen Bedingungen, unabhängig vom Vorschub ein stets konstant präzises Druckbild, wie es mit magnetischen Encodern nicht möglich wäre.

Auch der Bereich Verpackungstechnik stellt teilweise höchste Anforderungen an die Genauigkeit von Drehgebern, beispielsweise in Getränke-Abfüllanlagen, bei denen die Öffnungen der Flaschen in einem Abfüllkarussell gegenüber den Abfülllanzen synchronisiert werden müssen. Positionsfehler sind nicht tolerierbar, da sie leicht zur Kollision bewegter Teile, beispielsweise der Einfülllanzen mit den Flaschen führen. Hier sind optische Drehgeber mit ihrer unübertroffenen Präzision die beste Wahl.

Bauartbedingt hat das optische Messprinzip folgende Begrenzungen:

  • Lagerlose Bauform und Hochintegration nur in geschützter, staubfreier Umgebung
  • leicht erhöhte Empfindlichkeit der optischen Komponenten gegenüber Schocks und Vibrationen
  • hermetische Kapselung gegenüber Feuchtigkeit schwer möglich.
Bild 5: In Antrieben liefern Encoder Informationen für Drehzahl und Position
Bild 5: In Antrieben liefern Encoder Informationen für Drehzahl und Position
(Bild: nosorogua – stock.adobe.com)

Welcher Drehgeber für welche Anforderung?

Die Wahl des richtigen Drehgebers hängt immer an den spezifischen Anforderungen. Daher kann es für die Auswahl keine pauschalen Empfehlungen geben, sondern nur eine grobe Orientierung.

Optische Drehgeber sind auch zukünftig unverzichtbar für eine Vielzahl von Applikationen mit folgenden Anforderungen:

  • Hohe Signalgüte / Auflösung / Dynamik
  • Präzision in Echtzeit, inkremental und absolut
  • einwandfreie Funktion auch bei starkem Magnetfeld gewährleistet
  • konkrete Anwendungen sind beispielsweise anspruchsvolle Print-Lösungen, Leitgeberanwendungen und die präzise Synchronisation mehrerer Achsen.

Magnetische Drehgeber sind bestens geeignet für einen breiten Einsatz:

  • Kleine bis mittlere Signalgüte/Auflösung/Dynamik
  • Umgebung mit Staub, Schmutz, Schock und Vibration
  • Antriebe (Bild 5) mit Getriebe
  • lagerlose Bauformen & Hochintegration.

Im Grenzbereich lässt sich die ideale Drehgeberwahl nur mit Hilfe erfahrener Experten treffen, die technologieunabhängig aus einer breiten Produktpalette schöpfen können.

Fazit

Wie so oft in der Automatisierung gibt es auch im Bereich Drehgeber nicht die eine Technologie für alle Applikationen. Wichtig ist, die passende Technologie für die individuellen Anforderungen zu erkennen und im Zweifel auf eigene Erfahrung oder externe Expertise zurückgreifen zu können. Baumer bietet als Sensor- und Encoder-Pionier mit breitem Portfolio (Bild 6) und Applikations-Know-how für viele verschiedene Herausforderungen die ideale Drehgeberlösung.

Bild 6: Die vielen unterschiedlichen Anforderungen an Encoder, beispielsweise zu Genauigkeit, Bauform und Robustheit, erfordern eine breite Produkt- und Technologieauswahl – Baumer zeichnet sich nach eigenen Aussagen durch das weltweit grösste Drehgeber-Portfolio sowie durch sein fundiertes Applikations-Know-how aus
Bild 6: Die vielen unterschiedlichen Anforderungen an Encoder, beispielsweise zu Genauigkeit, Bauform und Robustheit, erfordern eine breite Produkt- und Technologieauswahl – Baumer zeichnet sich nach eigenen Aussagen durch das weltweit grösste Drehgeber-Portfolio sowie durch sein fundiertes Applikations-Know-how aus
(Bild: Baumer)
Artikel als PDF herunterladen

Sollte es Probleme mit dem Download geben oder sollten Links nicht funktionieren, wenden Sie sich bitte an kontakt@elektro.net

Über die Autoren
Autorenbild
Dr. Michael Schneider

Senior Product Manager, Baumer Group

Autorenbild
Stefan Forneck

Senior Strategic Product Manager, Baumer Group

Newsletter

Das Neueste der
ema direkt in Ihren Posteingang!