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Bezahlbare KNX-Installation im Wohnbau

Weniger ist mehr

Quelle: Klaus Geyer
Quelle: Klaus Geyer
Für Klaus Geyer, Systemintegrator aus Eckental, beginnt die Fehlerkette bei ­automatisierten Gebäuden oft schon beim Kundengespräch: Viele gingen hier ähnlich »hemdsärmelig« an die Sache heran wie bei der konventionellen Installation: Sie laufen mit dem Kunden durch den Rohbau und markieren die Stellen, an denen der Kunden seine Bedienelemente haben möchte. Doch bei vernetzten Gebäuden sei das nicht zielführend. Wir fragten nach.

»de«: Herr Geyer, Sie treffen in der Praxis auf KNX-Anlagen, die nicht einwandfrei laufen. Ist das die Ausnahme oder eher die Regel?

K. Geyer: Offizielle Zahlen dazu gibt es nicht, ich würde aber vermuten, dass etwa die Hälfte aller KNX-Anlagen nicht sauber läuft. Dazu gehört schon, dass z. B. ein deutlicher Zeitversatz zwischen dem Drücken eines Tasters und dem Einschalten des Lichts besteht. Schon dann stimmt etwas nicht.

Wir erzielen mittlerweile rund 20 … 25 % unseres Umsatzes in Projekten, zu denen wir als »Feuerwehr« gerufen werden, weil der Bauherr mit dem bisherigen Partner nicht weiter kam.

Die Anzahl der Problemfälle wird aus meiner Sicht künftig noch steigen. Bei vielen Gebäuden dürfen Planung und Projektierung nichts kosten, doch das gibt es nicht zum Nulltarif: Wenn die Planung nicht vergütet wird, wer soll sie dann machen, wer soll die am besten geeigneten Produkte auswählen?

Bei uns ist zwar das Erstgespräch mit dem Kunden kostenlos, doch darauf aufbauend erstellen wir grundsätzlich ein Angebot für die Planung. Die Planung umfasst bei einem Einfamilienhaus in der Regel einen Tag Aufwand, den wir uns vergüten lassen. Sollte es daraufhin zum Auftrag kommen, wird das teilweise wieder verrechnet.

Bei fehlerhaften Projekten ist es bis auf ganz wenige Ausnahmen immer der Bauherr, der den Finger hebt, wenn es zu Problemen kommt. Meistens sind es technische Probleme: Irgendwas funktioniert nicht, der Handwerker hat schon vieles nachgebessert und probiert, bekommt es aber nicht hin.

Was es für uns schwierig macht: Oft fehlt die komplette Dokumentation. Das führt dazu, dass wir in rund 90 % der Fälle die Anlage komplett neu aufsetzen – das geht schneller als die Fehlersuche. Das kommunizieren wir aber in der Regel so nicht gegenüber dem Bauherren, wir wollen den Elektrohandwerker ja nicht in ein schlechtes Licht rücken.

Allerdings: In den meisten Fällen war das Angebot für die erste Programmierung zu billig. Nach der Kalkulationshilfe müsste man 40 min pro Bauteil ansetzen, sowie einen zusätzlichen Zeitaufwand für Projektierung und Pflichtenheft. Das bewegt sich aus meiner Sicht schon an der unteren Grenze, aber selbst da legen sich viele preislich noch ­darunter. Das kann sich beim besten Willen nicht rechnen.

»de«: Was sind denn typische Fehler, und woran liegt das?
So bitte nicht: Solche nahezu unbedienbaren »Tasterorgien« sind ein Ergebnis mangelhafter Planung
So bitte nicht: Solche nahezu unbedienbaren »Tasterorgien« sind ein Ergebnis mangelhafter Planung
K. Geyer: Grundsätzlich fehlt vielen Projekten die Struktur, es wird einfach drauf los programmiert, die Adressvergabe z. B. ist nicht stringent. Es gibt keine Funktionsliste, kein Pflichten- und Lastenheft. Eine Folge der fehlenden Struktur: Viele legen Rückmeldeadressen nur dort an, wo sie es im Moment unbedingt brauchen. Auch Signallaufpläne fehlen vielfach – denn viele gehen die Automation gedanklich wie eine Standardinstallation an. Und vernachlässigen die Vernetzung komplett.

Ein typischer Fehler: Die Wetterstation sendet ständig Signale, statt nur zyklisch abgefragt zu werden, und müllt so den Bus mit Telegrammen zu, dass er beinahe unbedienbar wird.

Was wir auch oft feststellen: Der hydraulische Abgleich wurde entweder gar nicht oder falsch gemacht. Das zeigt sich z. B. im Winter, wenn bei einer Wärmepumpenheizung einzelne Räume nicht mehr warm werden. Das bekommen Sie rein über KNX nicht mehr in den Griff. Hier sollte der Elektrohandwerker grundsätzlich den Heizungs­bauer mit zu Rate ziehen, der ist in der Pflicht, das Problem zu lösen.

»de«: Wie gehen Sie denn ein KNX-Projekt an?

K. Geyer: Nach dem kostenlosen Erstgespräch folgt grundsätzlich ein ausführliches Planungsgespräch. Wir haben dazu ein so genanntes »Raumbuch« entwickelt. Das dient als Grundlage für die Erstberatung beim Kunden. Auf Basis des Beratungsgesprächs tragen wir in ausführliche Excel-­Tabellen alle erforderlichen Informationen ein. Unsere Vorlagen enthalten – Raum für Raum – typische Automationsfunktionen. Diese gehen wir mit dem Kunden der Reihe nach durch, und er kann entscheiden, welche Funktionen er möchte, welche nicht, und welche er ggf. später nachrüsten will.

Außerdem fragen wir die Schnittstellen im Gebäude ab, etwa zu Energieversorgern oder Telefondienstleistern. Auch wichtig: Welche Art von Heizung ist vorgesehen? Gibt es zusätzliche Wärmeerzeuger, etwa einen Kachelofen? Gibt es eine Lüftungsanlage oder eine PV-Anlage?

Diese Informationen helfen schon einmal, erste Fehlplanungen zu vermeiden. Ein typisches Beispiel: Oft finden wir in Objekten Handtuchwärmer, die sowohl elektrisch beheizt werden als auch an die wasserführende Heizung angeschlossen sind – und die beiden sprechen nicht miteinander. Das führt in der Regel dazu, dass die elektrische Heizpatrone unter Volllast läuft und die überschüssige Wärme über den Rücklauf des Stellantriebs in das wassergeführte Heizsystem geführt wird. Energetisch der komplette Irrsinn!

»de«: Wieso treten denn in der Praxis so viele Fehler auf? Viele besuchen doch ETS-Kurse, KNX ist Bestandteil der Meisterausbildung?

K. Geyer: Das Beherrschen der Software ETS bedeutet nicht zwangsläufig, dass Sie auch verstanden haben, wie man Gebäude sinnvoll und nutzerorientiert automatisiert. Ein Fehler, der aus meiner Sicht in der KNX-Ausbildung – auch durch die Hersteller – gemacht wird: Dort unterscheidet man bei der KNX-Programmierung in der ETS so gut wie gar nicht zwischen Privatbau und Gewerbeobjekten. Doch diese beiden Bereiche erfordern aus meiner Sicht vollkommen unterschiedliche planerische Ansätze.

Im Gewerbe haben Sie in der Regel viele gleichartige Räume mit identischen Funktionen. Im Privatbau hingegen gibt es wenige Räume mit jeweils vielen unterschiedlichen Funktionen. Das bedeutet: Die Adressstruktur muss jeweils komplett unterschiedlich aussehen. Denn ein »es funktioniert« entspricht oft nicht der bestmöglichen Lösung. Aus meiner Sicht ist es wesentlich anspruchsvoller, ein Wohnhaus effizient zu automatisieren als ein Gewerbegebäude wie eine Schule.
Auszug aus dem so genannten »Raumbuch«: Die Grundlage einer systematischen KNX-Planung
Auszug aus dem so genannten »Raumbuch«: Die Grundlage einer systematischen KNX-Planung
»de«: Also Ihr Fazit: Elektriker, Finger weg von KNX?

K. Geyer: Nein, keineswegs. Ich möchte nur für die Anforderungen sensibilisieren, die im Bereich Gebäudeautomation bestehen. Und wie gesagt: Nur weil jemand die ETS beherrscht, versteht er noch nicht zwingend, was Gebäudeautomation ausmacht. Dennoch ist es sinnvoll, sich mit Gebäudeautomation auseinanderzusetzen, denn es handelt sich hier aus meiner Sicht definitiv um einen Wachstumsmarkt.

Doch was spricht dagegen, sich zumindest bei den ersten Projekten unter die Arme greifen zu lassen? So haben wir z. B. einen Elektrohandwerker als Kunden, der seine Grenzen genau kennt. Was er an Gebäudeautomation beherrscht, macht er selbst, den Rest gibt er weiter an uns.

Oft erlebe ich, dass Elektrohandwerker Vorbehalte haben, sich an Systemintegratoren wie uns zu wenden, weil sie befürchten, dass wir ihnen den Kunden wegnehmen. Doch das ist keineswegs unser Ansatz: Wir programmieren nur, wir installieren nicht, und wir verkaufen auch keine Hardware. Aus Sicht des Kunden ist es doch allemal besser, wenn der Elektrohandwerker ihm in Kooperation mit einem Fachmann eine Lösung für seine Probleme bietet, als wenn die offenen Punkte nicht zufriedenstellend erledigt werden.

»de«: Neben der Funktionalität spielt natürlich auch die Preisgestaltung eine Rolle. KNX ist teuer, lautet ein oft gehörtes Statement. Stimmt das?

K. Geyer: Die Frage und die Perspektive sind meiner Meinung nach falsch. Warum sollten wir für den Kunden sparen, es ist doch sein Geld? Natürlich möchte er ein für ihn möglichst günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis, doch einen gewissen Etat hat er natürlich zur Verfügung, sonst würde er ja gar nicht investieren. Und wenn er eine vernünftige Leistung bekommt, schöpft er diesen Etat auch aus.

Wie hoch der Gesamtetat des Kunden in etwa ist, sieht man oft schon aus dem Plan des Architekten. Als absolute Untergrenze für eine DIN-gerechte Errichtung sehe ich eine Größenordnung von rund 3000 € pro m2. Natürlich entstehen auch Gebäude, bei denen die Kosten ca. ein Drittel darunter liegen. Doch ob dabei für die Elektroinstallation oder erst recht Gebäudeautomation genügend abfällt, bezweifle ich.

»de«: Wie kann es gelingen, die Kostensenkungspotenziale bei KNX zu heben?

K. Geyer: Unsere Philosophie im Privatbau: Alles, was der Kunde nicht benutzt, lassen wir weg. Ein Beispiel: Nach unserer Erfahrung werden Raumtemperaturregler mit digitaler Anzeige so gut wie nie benutzt. Fallen die alle weg, kommt man in einem normalen Haus schnell auf einen vierstelligen Betrag, den man anderer Stelle deutlich sinnvoller einsetzen kann – etwa um die Temperaturen per Smartphone einstellen zu können.
Für ein Wohnhaus erhielt Klaus Geyer (4. von rechts) den ZVEH/ZVEI-Energieeffizienzpreis 2016
Für ein Wohnhaus erhielt Klaus Geyer (4. von rechts) den ZVEH/ZVEI-Energieeffizienzpreis 2016
Ein weiterer Erfahrungswert: Kunden nutzen pro Raum maximal vier verschiedene Szenen, in der Regel sind es nur zwei. Was bedeutet: Wir legen höchstens eine Handvoll Szenen dediziert auf Taster, was einerseits die Installation übersichtlich hält und andererseits Bauteile einspart. Denn je mehr Funktionen Sie zentralisieren, desto weniger Komponenten benötigen Sie.

Beim Licht zum Beispiel legen viele Ein auf eine linke Wippe und Aus auf eine rechte Wippe. Doch das entspricht nicht der gewohnten Bedienung. Besser ist es, mit einer Doppelbelegung der Taster zu arbeiten, so dass in jedem Fall etwas passiert, wenn ich die Wippe drücke. Intuitive Funktionen, Reduzierung der Bauteile: So sollte eine sinnvolle KNX-Installation aussehen. Wir planen z. B. maximal drei Bedienstellen pro Raum.

»de«: Kommen denn neben der Hardware nicht noch erhebliche Engineering-Kosten dazu?

K. Geyer: Neben den Komponenten spielen die Integrationskosten natürlich eine Rolle. Doch auch die bewegen sich – eine sinnvolle Planung vorausgesetzt – inzwischen in sehr vernünftigen Größenordnungen. Bei einem Standard-Einfamilienhaus gehen wir inzwischen von einer Dauer von rund zwei Tagen für die komplette Programmierung bzw. Parametrierung aus – inklusive Visualisierung.

Das funktioniert natürlich nur, weil wir mit Bausteinen bzw. Makros arbeiten, so dass z. B. ein Esszimmer immer die gleiche Adressstruktur hat: Ziffer 1 gibt das Geschoss an, Ziffer 2 den Raum, Ziffer 3 die Funktion usw. Das erleichtert auch die Fehlersuche, außerdem können Sie so effizient eine Visualisierung erstellen. Gelehrt wird in den Schulungen vielfach, einfach im Uhrzeigersinn die Adressen zu vergeben. Das ist aus meiner Sicht kompletter Unsinn, so fangen Sie immer wieder von vorne an.

»de«: Inzwischen gibt es eine Reihe proprietärer Systeme, die einfachere Installa­tion und Programmierung bei zudem geringeren Preisen versprechen. Eine sinnvolle Alternative?

K. Geyer: Aus meiner Sicht nicht. Erstens sind diese Systeme oft nicht wirklich preisgünstiger, wenn Sie KNX vernünftig planen. Zweitens hören diese Systeme in der Regel dort schon auf, wo aus meiner Sicht die echte Automation erst beginnt, nämlich bei der Einbindung verschiedener Gewerke und Systeme unter einer gemeinsamen Oberfläche.

Die proprietären Systeme mögen zwar z. B. Licht und Jalousien steuern können, aber wie sieht es aus, wenn der Kunde etwa seine Wärmepumpe mit einbinden oder seine Musikanlage einer Szene hinzufügen will? Dann stoßen Sie bei den einfachen Systemen sehr schnell an Grenzen. Wozu brauche ich denn ein Bussystem, wenn ich nicht gewerkeübergreifend Funk­tionen auslösen will? Licht ein- und ausschalten oder Jalousien zentral fahren kann ich ohne Bussystem billiger und zuverlässiger.

»de«: Sie machen nur KNX?

K. Geyer: KNX ist ganz klar mein favorisiertes System. Doch natürlich halten wir auch die Augen nach allen Seiten offen und ­nehmen andere Systeme unter die Lupe. So realisieren wir z. B. Lichtsteuerungen mit Zigbee, als Zubringersystem setzen wir En­ocean ein usw.

»de«: Welche Rolle spielt inzwischen das Thema Datensicherheit bei den Kunden?

K. Geyer: Von realen Einbruchsszenarien über die Gebäudeautomation ist mir nichts bekannt. Dennoch ist das Thema bei den Kunden sehr präsent, vor allem dann, wenn Kameras eingebunden sind. Her reagieren sie sehr sensibel auf die Fragestellung, wer denn Zugriff auf diese Bilder hat.

Wir lösen das so: Über die Standard-Gebäudeautomations-App zeigen wir Bilder nur innerhalb des heimischen WLAN an, nicht über das Internet. Möchte der Kunde von unterwegs auf seine Kamerabilder zugreifen, dann geht das über die separate, deutlich sicherere App des Kameraherstellers.

Grundsätzlich gibt es bei unseren Systemen zwei Login-Szenarien: Wenn Sie sich innerhalb des Hauses einloggt, hat der Nutzer mehr Funktionen zur Verfügung als bei einem Login von extern. Möchte er z. B. trotzdem von extern via App die Tür öffnen, so funktioniert das nur, wenn er zusätzlich einen separaten Code eingibt. So verhindern wir weitestgehend einen Missbrauch.

Auch der Fernzugriff durch uns auf die KNX-Anlage ist standardmäßig gesperrt. Möchte der Kunde, dass wir auf die Anlage zugreifen, muss er uns den Zugang jeweils explizit freischalten. Immer wieder erleben wir in Bestandsanlagen, dass ein Port für den externen Zugriff ständig freigeschaltet ist. Das wäre mir schon allein aus haftungsrechtlichen Gründen zu heikel.

Außerdem sehen wir in vielen Bestandsanlagen, dass bei vielen Automationsservern oder Netzwerkkameras nach wie vor Standardpasswörter hinterlegt sind. Datenschutztechnisch eine Katastrophe, die vielen Kunden gar nicht bewusst ist. Bei uns erhält jeder Kunde sein eigenes Passwort, trotzdem bleibt der Aufwand für uns überschaubar. Auch hier haben wir uns eine Systematik überlegt, wie wir sichere Passwörter erzeugen.

»de«: Gebäudeautomation soll jahrzehntelang installiert bleiben, Bediengeräte wie Smartphones unterliegen sehr kurzen Innovationszyklen. Wie passt das zusammen?

K. Geyer: In der Tat kommt es hier immer wieder zu Problemen. Einmal führte das Update von Apple auf iOS 8 dazu, dass die Gebäudeautomations-App eines bekannten Herstellers nicht mehr funktionierte. Nach langer Recherche kamen wir darauf, dass es an der Verarbeitung von Umlauten im Betriebssystem lag. Wir konnten das Problem nur dadurch lösen, dass wir in sämtlichen Visualisierungen unserer Kunden die Umlaute ersetzt haben.

Hier mussten auch wir dazulernen: Inzwischen schließen wir in unseren Verträgen die Haftung für Fremdsysteme wie Betriebssysteme von Smartphones aus.

»de«: Herr Geyer, vielen Dank für das Gespräch.
Über den Autor
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Dipl.-Ing. Andreas Stöcklhuber

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