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Gut aufgestellt durch die Krise

E-Handwerke und Corona

Bild 1: Lothar Hellmann
Bild 1: Lothar Hellmann

Im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen wie etwa dem Hotel- und Gaststättengewerbe ist das Elektrohandwerk bisher noch vergleichsweise glimpflich durch die Corona-Krise gekommen. Dennoch sind die Auswirkungen in vielfältiger Weise spürbar.

»de«: Die Wirtschaftslage im E-Handwerk war über viele Jahre exzellent und hat nun durch die Corona-Krise einen Dämpfer erhalten. Wie beurteilen Sie die aktuelle wirtschaftliche Situation der Branche?

L. Hellmann: Das lässt sich schwer sagen, weil die Situation sehr dynamisch ist. Wichtige Daten für eine Standortbestimmung hat jedoch unsere Sonderbefragung zur Corona-Krise geliefert, die wir Anfang April durchgeführt haben. Zu diesem Zeitpunkt wirkte sich der Shutdown bereits auf die Elektrohandwerke aus: Der Umsatz brach bei knapp 60 % der Betriebe ein, im Durchschnitt um 44 %. Als hilfreich erwies sich, dass ein Großteil der Betriebe über zum Teil recht umfangreiche Auftragspolster verfügte. Allerdings schmelzen diese Polster kontinuierlich ab. Deshalb gaben auch 53,9 % der Unternehmen an, in naher Zukunft staatliche Unterstützungsleistungen nutzen zu wollen. Auch gaben Betriebe an, dass sie vermehrt das In­strument der Kurzarbeit nutzen werden, wenn sich die Auftragslage nicht verbessert. Dass sich die Situation eingetrübt hat, zeigt unser Geschäftsklimaindex. Während dieser bei der nur vier Wochen zuvor durchgeführten Frühjahrskonjunkturumfrage noch bei erfreulichen 88,2 Punkten lag, sank er Anfang April auf 55,6 Punkte.

Diese Einschätzung liegt allerdings bereits mehrere Wochen zurück. Zwischenzeitlich wurden einige Shutdown-Maßnahmen wieder gelockert. Für die Wirtschaft brachte das bedingt Effekte, so konnten beispielsweise Ladengeschäfte mit kleinerer Verkaufsfläche wieder öffnen. Insgesamt ist mein Gefühl aber – der Trend, der sich bereits in der Befragung andeutete, hält an: Die Elektrohandwerke trifft es nicht so hart wie andere Branchen.

Allerdings ist auch das, was wir momentan aus den Betrieben hören, nur eine Momentaufnahme. Und man darf nicht vergessen, das Konsumverhalten ist eingebrochen: Die Ausgabebereitschaft von Unternehmen und Bürgern ist aufgrund der Unsicherheit verhalten. Auch steht zu befürchten, dass geplante Investitionen erst einmal aufgeschoben werden.

Belastbare Daten zur Entwicklung der vergangenen Wochen und zur Einschätzung der zukünftigen Situation erwarten wir von der zweiten Umfrage, die wir am 11. Mai gestartet haben. (siehe dazu: Zweite Umfrage zur Corona-Krise: Anzeichen der Entspannung im Elektrohandwerk)

»de«: Kurzarbeit, Hygienemaßnahmen, ­Liquiditätshilfen usw. – Unternehmer ­sehen sich mit völlig neuartigen Frage­stellungen konfrontiert. Welche Hilfestellungen leistet hier die elektrohandwerk­liche Organisation?

L. Hellmann: Die Menge an Informationen rund um die Corona-Krise ist unüberschaubar. Hier noch den Überblick zu behalten, ist für Betriebe unmöglich. Wir sehen unsere Aufgabe daher darin, die Betriebe gezielt und schnell mit allen für sie relevanten Informa­tionen und Handlungsanweisungen zu versorgen. Wir sichten, bereiten auf und informieren – ganz gleich, ob es um die Beantragung von Kurzarbeitergeld, eine neue ­Gefährdungsbeurteilung der Berufsgenossenschaft oder um Liquiditätshilfen und ­Hygienevorschriften geht.

Um Betriebe in Sachen Information zu unterstützen, haben wir bereits Mitte März einen Leitfaden aufgelegt, in dem alle wichtigen Themen behandelt werden. Der Leitfaden, den viele Kollegen als Arbeitshilfe nutzen und für den es viel Lob gab, wird kontinuierlich überarbeitet und erweitert und umfasst mittlerweile mehr als 60 Seiten.

Hilfreich für unsere Innungsmitglieder ist auch eine Zusammenfassung über Hilfen zur Liquiditätssicherung. Die Idee, eine Matrix zu entwickeln, die einen Überblick über Möglichkeiten zur Liquiditätssicherung gibt, stammt vom Vorsitzenden des ZVEH-Fachbereichs Wirtschaft, Arnd Hefer. Der ZDH hat sie dann umgesetzt und kümmert sich darum, dass die Übersicht auf dem aktuellen Stand ist.

Ebenso wichtig wie ein umfangreiches Informationsangebot zur Verfügung zu stellen, war uns, schnellstmöglich die Systemrelevanz der Elektrohandwerke durch das Bundesinnenministerium anerkennen zu lassen. Hier hat der ZVEH erreicht, dass die Betriebe seit Ende März Klarheit haben. Denn das Schreiben vom BMI verdeutlicht: Die E-Handwerke sind systemrelevant!

»de«: Was bedeutet diese Einstufung als »systemrelevant« konkret?

Bild 2: Der Leitfaden des ZVEH zu Corona umfasst inzwischen mehr als 60 Seiten
Bild 2: Der Leitfaden des ZVEH zu Corona umfasst inzwischen mehr als 60 Seiten

L. Hellmann: Zuallererst bedeutet es Wertschätzung und zeigt, dass es ein Bewusstsein dafür gibt, wie wichtig unsere Arbeit ist: Die Elektrohandwerke tragen mit ihrer Arbeit dazu bei, die systemrelevante Infrastruktur »Kritis« aufrecht zu erhalten. Die Anerkennung der Systemrelevanz durch das BMI gibt den Betrieben im Fall bundesweiter oder regionaler Ausgangssperren die nötige Bewegungsfreiheit, die sie zur Ausübung ihrer Tätigkeit benötigen. Auch dort, wo Betreuungsplätze für Kinder gebraucht werden, ist Systemrelevanz ein wichtiges Stichwort, weil Eltern, die in systemrelevanten Berufen tätig sind, Anrecht auf eine Notbetreuung haben.

»de«: Schon in konjunkturellen Hochzeiten gab es den Trend zu beobachten, dass immer mehr kleinere und mittlere E-Handwerksbetriebe von Großbetrieben bzw. Baukonzernen übernommen wurden. Erwarten Sie, dass sich dieser Prozess nun beschleunigt?

L. Hellmann: Das kann man so nicht sagen. Gerade mittlere und größere Betriebe haben, das zeigt unsere Corona-Umfrage, weniger unter Umsatzrückgängen zu leiden. Die Not, lukrative Angebote von Unternehmen annehmen zu müssen, ist daher nicht so groß. Zumal die aktuelle Krise ja nichts daran ändert, dass die Elektrohandwerke dank Digitalisierung, Energiewende und zunehmendem Bewusstsein für den Klimaschutz über gute Zukunftsperspektiven verfügen.

»de«: Bei vielen Betrieben stand die öffentliche Hand als Auftraggeber bisher nicht besonders hoch im Kurs. Rechnen Sie hier mit einer Verschiebung?

L. Hellmann: Der Umsatz der Elektrohandwerke verteilt sich auf mehrere Standbeine, und öffentliche Auftraggeber sind nur eines davon. Bislang entfallen auf sie 14% des Umsatzes.

Bild 3: In den E-Handwerken ist Digitalisierung kein neues Thema, beispielsweise im Bereich Smart Home
Bild 3: In den E-Handwerken ist Digitalisierung kein neues Thema, beispielsweise im Bereich Smart Home

Ob sich bei der Umsatzverteilung etwas verändert, ist schwer abzusehen. Es ist durchaus möglich, dass private Auftraggeber oder auch die gewerbliche Wirtschaft etwas zurückhaltender sein werden. Aber wer sagt uns, dass das bei öffentlichen Auftraggebern nicht der Fall ist? So beklagen die Kollegen aus der Bauwirtschaft beispielsweise, dass ­ihnen momentan gerade Aufträge von Seite öffentlicher Auftraggeber wegbrechen. Denn die öffentliche Hand muss die gigantischen Investitionen in Corona-Hilfspakete finanzieren, so dass vielerorts bereits Haushaltssperren ausgerufen werden. Hier sollten die Länder die Kommunen mit Landesmitteln unterstützen.

Andererseits sind viele Investitionen der öffentlichen Hand Investitionen in die Zukunft, denken Sie etwa an nachhaltige Energienutzung, Breitbandversorgung, erneuerbare Energien etc. Sie sollten daher nicht aufgeschoben werden.

»de«: Welche Maßnahmen sollte die Politik ergreifen, um das E-Handwerk in der Krise zu unterstützen?

L. Hellmann: Von einer Krise sind wir momentan glücklicherweise noch ein ganzes Stück entfernt. Aber es ist natürlich wichtig, dass die Politik einen möglichst schnellen Aufschwung unterstützt. Dazu zählt auch, dass sie Vor-Corona-Themen wie Digitalisierung, Elektromobilität, den Ausbau von erneuerbaren Energien und klimafreund­lichen Technologien wieder ganz oben auf die Agenda setzen und konsequent vorantreiben muss. Auch steuerliche Anreize
und Förderungen können beim Hochfahren helfen.

»de«: Die Corona-Krise hat nahezu alle Wirtschaftsbereiche erfasst, jeder sucht nach seinem Weg aus dieser Situation. Wird das den Trend verstärken, dass andere Marktteilnehmer in angestammte Geschäftsfelder des E-Handwerks einzudringen versuchen?

L. Hellmann: Diesen Trend haben wir schon vor der Krise beobachtet, insbesondere im Bereich Smart Home. Umso wichtiger ist es, auf Qualität und Know-how zu setzen. Letztlich befinden wir uns aber in Bereichen wie Digitalisierung oder smarte Gebäudetechnik in der »pole position«. Und diese Position bauen wir mit dem neuen Beruf des »Elek­tronikers für Gebäudesystemintegration« mit Ausbildungsstart ab 2021 weiter aus. Wir sind also hier gut aufgestellt.

»de«: Kann die Corona-Krise dazu beitragen, den Prozess der Digitalisierung im E-Handwerk zu beschleunigen?

Bild 4: Im Gegensatz zu anderen Branchen haben die E-Handwerke keine unlösbaren Nachwuchsprobleme
Bild 4: Im Gegensatz zu anderen Branchen haben die E-Handwerke keine unlösbaren Nachwuchsprobleme

L. Hellmann: Das wird sie ganz sicher. Nicht nur die E-Handwerke, sondern wir alle waren in den vergangenen Wochen gezwungen, neue Wege zu gehen und neue Formen der Zusammenarbeit auszuprobieren. Ohne Homeoffice wäre es in vielen Bereichen und Branchen nicht möglich gewesen, auch in der Krise weiter zu arbeiten.

In den E-Handwerken ist Digitalisierung ohnehin kein neues Thema. Nicht nur bei der Kommunikation, sondern auch im Bereich Smart Home erweist sie sich als echter Innovationstreiber. Intelligente Systeme erhöhen nicht nur Komfort, Sicherheit und Energieeffizienz. Sie bieten auch eine gute Infrastruktur für digitales Arbeiten. Auch Ambient Assisted Living (AAL) und unterstützende Gesundheitsanwendungen können, gerade in Zeiten von Corona und der damit verbundenen Kontaktreduzierung, die Bewohner sinnvoll unterstützen. Dieser Bereich bietet noch unglaublich viel Potenzial.

Mit der fortschreitenden Digitalisierung gewinnt für die E-Handwerke jedoch das Thema Datenökonomie weiter an Bedeutung. Wir müssen über einen diskriminierungsfreien Zugang zu Daten verfügen, um unseren Kunden auch in Zeiten, in denen der persönliche Kontakt erschwert ist, den gewohnten (Kunden-)Service bieten zu ­können.

»de«: Zum Schluss unseres Interviews bitte noch eine positive Botschaft:

L. Hellmann: Die Elektrohandwerke sind, das zeigte die noch vor Beginn der Corona-Krise durchgeführte Frühjahrskonjunkturbefragung auf eindrucksvolle Weise, gut aufgestellt. Wir haben qualifizierte Betriebe, die in zukunftsweisenden Bereichen wie Smart Home, Digitalisierung, Breitbandausbau oder auch Energiemanagement und Elektromobilität tätig sind und ihr Know-how kontinuierlich ausbauen. Mit der Elektrifizierung, die mit der Energiewende einhergeht, wird uns die Arbeit auch künftig nicht ausgehen. Hinzu kommt, dass wir im Gegensatz zu anderen Branchen keine unlösbaren Nachwuchsprobleme haben – das zeigen die seit Jahren steigenden Auszubildendenzahlen.

Natürlich wird die Corona-Krise auch an uns nicht spurlos vorübergehen. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir uns davon erholen werden, zumal es ja bislang glücklicherweise keine dramatischen Einbrüche gab und wir unseren Betrieben auch zusammen mit der BG ETEM wertvolle In­strumente für ein erfolgreiches Wieder-Hochfahren an die Hand geben. Kurzum: Ich bin überzeugt, dass Themen wie Klimaschutz und Digitalisierung künftig wieder ganz oben auf der gesellschaftlichen Agenda stehen werden. Schließlich hat, gerade in Bezug auf letztere, die Corona-Krise gezeigt, wie wichtig digitale Strukturen und eine leistungsfähige Breitbandinfrastruktur sind. Hier können die E-Handwerke, ebenso wie beim Thema Energiewende, einen ganz wichtigen Beitrag leisten.

»de«: Herr Hellmann, vielen Dank für das Gespräch.

Informationen zur Coronavirus-Krise

Weitere wichtigen Informationen zu den Auswirkungen des Coronavirus auf das Handwerk und sonstige nützliche Informationen finden Sie ab jetzt unter www.elektro.net/corona. Diese Seite wird laufend aktualisiert.

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Dipl.-Ing. Andreas Stöcklhuber

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