Home Elektroinstallation Elektroinstallation Bemessungsparameter von RCDs für die Anlagenplanung

Richtige Anwendung

Bemessungsparameter von RCDs für die Anlagenplanung

Auf einen Blick Bedingter und Prospektiver Kurzschlussstrom Diese Werte gilt es unter Umständen bei der Auswahl der Betriebsmittel während der Anlagenplanung zu berücksichtigen

Richtige Verwendung von Schutzeinrichtungen Schutzeinrichtungen dürfen nicht zum betriebsmäßigen Schalten von Stromkreisen vorgesehen werden
Oft soll z.B. das Bemessungsschaltvermögen Im und das Bemessungsfehlerschaltvermögen I∆m eines Fehlerstromschutzschalters bei der ­Planung und Verwendung des Gerätes berücksichtigt bzw. bezogen auf die Einsatzsituation beurteilt werden. Betrachtet man hierbei die RCDs diverser Hersteller, z. B. mit 40 A/0,03 A oder 63 A/0,03 A, so stößt man für Im auf aufgedruckte Werte von 650 A bis 1500 A. Auf manchen Geräten sind diese Angaben gar nicht zu sehen. Laut den Fachunterlagen eines namhaften Herstellers liest der Anwender z. B. folgende Erklärung für Im »(…) die Fähigkeit eines FI-Schutzschalters einen Kurzschlussstrom einschalten, führen und ausschalten zu können« und für I∆m »(…) die Fähigkeit eines FI-Schutzschalters einen Fehlerkurzschlussstrom einschalten, führen und ausschalten zu können.«

Nehmen wir hierzu mal ein hypothetisches Einsatzbeispiel: Eine RCD 63 A/0,03 A dient zum Fehlerschutz an einem Verbraucher, dessen Kurz- und Überlastschutz durch LS-Schalter C 16 A gewährleistet wird. Diese RCD hat ein angegebenes Bemessungsschaltvermögen von 1 000 A. Die RCD selbst ist – wie auf dem Gerät angegeben – durch eine Schmelz­sicherung 100 A vorgesichert. Somit wäre sein Bemessungskurzschlussstrom Inc von 10 kA eingehalten. Eine Messung am Anschlusspunkt des Verbrauchers ergibt nun einen möglichen Fehlerstrom bei einem Erdschluss von L auf PE von 1600 A. Nun könnte der Anwender Folgendes als Problem sehen: Der tatsächlich an der Fehlerstelle auftretende und durch die RCD fließende Strom von 1600 A, den diese also abzuschalten hätte, ist deutlich höher, als das auf der RCD angegebene Bemessungsschaltvermögen von 1000 A. Sie könnte den im Fehlerfall zum Fließen kommenden Strom u. U. nicht sicher abschalten. So gesehen wäre ein Austausch gegen ­eine andere RCD mit höherem Bemessungsschaltvermögen erforderlich.

Allerdings findet der Anwender keine RCDs, auf denen Werte von mehr als 1500 A für Im ausgewiesen sind. Bei dieser Konstellation kommt bei ihm die Vermutung auf, dass in diesem Fall der LS-Schalter schnell (z. B. in 0,1s) mit seinem magnetischen Auslöser abschalten könnte. Typische Auslösezeiten von RCDs liegen jedoch zwischen 20 ms und 30 ms – was ja deutlich schneller wäre. Somit würde die RCD die komplette Abschaltfunktion leisten müssen. Der Anwender wähnt sich hier in einer Zwickmühle. Liegt seiner Betrachtung nach ein Denkfehler vor bzw. muss er die Situation u. U. anders beurteilen?

Wichtige Bemessungsströme

Bild: Fehlerstromschutzschalter ohne eingebauten Überstromschutz (RCCB); Quelle: Doepke
Bild: Fehlerstromschutzschalter ohne eingebauten Überstromschutz (RCCB); Quelle: Doepke
Zunächst sollen hier einige charakteristische Eigenschaften eines Fehlerstromschutzschalters ohne eingebauten Überstromschutz (RCCB) nach der Produktnorm DIN EN 61008-1 etwas näher ­erläutert werden.

Betrachten wir zunächst den bedingten Bemessungskurzschlussstrom Inc und den bedingten Bemessungsfehlerkurzschlussstrom Ic. Hierzu gibt es in der Produktnorm DIN EN 61008-1 folgende Aussage: »Der Wert des unbeeinflussten Stroms bzw. Fehlerstroms den ein RCCB, der durch eine Kurschluss-Schutzeinrichtung (SCPD) geschützt ist, unter festgelegten Bedingungen aushalten kann, ohne Veränderungen zu erleiden, die seine Funktion beeinträchtigen.«

Die Werte für Inc und Ic sind üblicherweise identisch. Dieser prospektive (d. h. möglicherweise zu erwartende) Kurzschlussstrom bzw. Kurzschlussfehlerstrom kann im Fehlerfall von einer speisenden Quelle, welcher eine elektrische Anlage (u. a. mit RCCBs) nachgeschaltet ist, bereitgestellt werden. In der Produktnorm DIN EN 61008-1 sind Prüfungen zum bedingten Bemessungskurzschlussstrom Inc und bedingten Bemessungsfehlerkurzschlussstrom Ic vorgesehen. Dabei wird ein Prüfstrom als Laststrom bzw. Fehlerstrom gleich dem vom Hersteller bestimmten Wert für Inc bzw. Ic beaufschlagt, welcher durch den RCCB und der vom Hersteller vorgegebenen SCPD fließt. Hiermit wird also ein Fehler simuliert, der im ungünstigsten Fall quasi impedanzlos auftreten kann. Der Prüfstrom wird mehrmals beaufschlagt. In Deutschland beträgt gemäß der Technischen Anschlussregeln der Mindestwert des prospektiven Kurzschlussstromes für Endstromkreise 6 kA und für Verteilerstromkreise 10 kA.

Der bedingte Bemessungskurzschlussstrom Inc oder bedingte Bemessungsfehlerkurzschlussstrom Ic muss vom RCCB geschaltet, jedoch nicht geführt werden. Der RCCB muss gemäß Produktnorm eine vorgegebene, geringe Anzahl von Kurzschlussschaltspielen (Ein- oder Ausschaltungen) so überstehen, dass er seine bestimmungsgemäße Funktion weiterhin erfüllen kann. In der Praxis sollte jedoch ein RCCB, der einen Kurzschlussstrom in Höhe des bedingten ­Bemessungskurzschlussstroms Inc oder bedingten Bemessungsfehlerkurzschlussstroms Ic geschaltet hat, möglichst umgehend getauscht werden. Die Schaltkontakte können nämlich durchaus geschädigt sein. In den meisten Fällen werden die oben genannten prospektiven Werte (6 kA bzw. 10 kA) insbesondere in Hausinstallationen aufgrund impedanzbehafteter Zuleitungen jedoch nicht erreicht.

Bemessungsgrößen Im und I∆m

Hierzu möchte ich zunächst auf ein Zitat aus der Produktnorm DIN EN 61008-1 hinweisen, die hinsichtlich der beiden Begriffe folgende Aussage trifft: »Der Effektivwert der Wechselstromkomponente des unbeeinflussten Stroms bzw. Fehlerstroms, den ein RCCB unter festgelegten Bedingungen einschalten, führen und ausschalten kann.« Sowohl das Bemessungsschaltvermögen Im als auch Bemessungsfehlerschaltvermögen I∆m definieren die Fähigkeit eines RCCB, einen bestimmten Strom unter normativ vorgegebenen Bedingungen mit einer vom Hersteller vorgegebenen SCPD einzuschalten, führen und ausschalten zu können. Hierbei handelt es sich also um einen impedanzbehafteten Kurzschlussstrom oder betriebsmäßigen Überlaststrom. Die Werte für Im und I∆m sind üblicherweise identisch.

In der Produktnorm DIN EN 61008-1 ist festgelegt, dass der Wert für Im bzw. I∆m mindestens 10 · In (Bemessungsstrom) oder 500 A – je nachdem, welcher Wert größer ist – betragen muss. Ein RCCB mit einem Bemessungsstrom In = 63 A muss also einen Mindestwert für das Bemessungsschaltvermögen Im von 630 A aufweisen. Entsprechende Prüfungen sind in der Produktnorm vorgesehen. Ein impedanzbehafteter Prüfstrom wird als Laststrom bzw. Fehlerstrom gleich dem vom Hersteller bestimmten Wert für Im bzw. I∆m beaufschlagt, welcher durch den RCCB und je nach Prüfabschnitt auch der vom Hersteller vorgegebenen Kurschluss-Schutzeinrichtung (SCPD) fließt. Die vorgeschaltete SCPD spricht meist erst in einigen 100 ms an. Fließt der Prüfstrom als Fehlerstrom I∆m, so erfolgt in der Regel eine schnelle Abschaltung (< 40 ms für nichtselektive Typen) durch den RCCB selbst.

Betriebsmäßiges Schalten

Sämtliche Schutzeinrichtungen – und somit auch RCCBs nach DIN EN 61008-1 – dürfen nicht zum betriebsmäßigen Schalten von Stromkreisen vorgesehen werden. Hierzu lohnt auch ein Blick in den Abschnitt 530.4.5 der neuen Ausgabe der Errichtungsbestimmung DIN VDE 0100-530:2018-06, »Errichten von Niederspannungsanlagen – Schalt- und Steuergeräte«.

Dennoch muss davon ausgegangen werden, dass ein RCCB in seinem Lebenszyklus einer geringen Anzahl von betriebsmäßigen Schaltspielen mit deutlich höheren Strömen als seinem Bemessungsstrom In beaufschlagt wird. Je nach Verbraucher und Anwendungsfall können hierbei durchaus kurzzeitig Ströme bis zum zehnfachen des Bemessungsstroms In bei Schaltvorgängen fließen. Hierzu sind in der Produktnorm DIN EN 61008-1 Prüfungen mit einer geringen Anzahl von Schaltspielen mit dem Bemessungsschaltvermögen Im und Bemessungsfehlerschaltvermögen I∆m vorgesehen.

Schaltgeräte, die zum betriebsmäßigen Schalten geeignet sind – z. B. nach Teilen der Normenreihe DIN EN 60947 (Niederspannungsschaltgeräte) – können vom Hersteller für bestimmte Gebrauchskategorien vorgesehen sein. Zu Gebrauchskategorien können zum Beispiel Schaltvermögen und Bedingungen für die Anwendung gehören.

Die in der Produktnorm DIN EN 60947-1 aufgeführten Gebrauchskategorien unterscheiden sich unter anderem im Verhältnis eines Ein- oder Ausschaltstroms zum Bemessungsstrom (das maximale Verhältnis beträgt 10). Ein Schaltgerät muss dabei einer vorgegebenen Anzahl von Schaltspielen standhalten. Weil RCCBs jedoch nicht zum betriebsmäßigen Schalten vorgesehen sind, gibt es für RCCBs auch keine Gebrauchs­kategorien.

RCCBs nach DIN EN 61008-1 können mit einigen einzelnen sich nicht dauerhaft wiederholenden höheren Strömen (als Überlaststrom oder Fehlerstrom) im Bereich der Größenordnung ihres Bemessungsschaltvermögens Im und Bemessungsfehlerschaltvermögens I∆m oder auch darüber hinaus beaufschlagt werden, ohne dass Schädigungen am Schaltwerk zu erwarten sind. Dies gilt auch dann, wenn sie nicht zum betriebsmäßigen Schalten geeignet sind. Die Typprüfungen gemäß Produktnorm decken diesen Anwendungsfall mit ab. Ein höherer Überlaststrom von z. B. 1500 A bewirkt ein schnelleres Auslösen einer Vorsicherung (SCPD), ähnlich wie bei der Prüfung mit bedingtem Bemessungskurzschlussstrom Inc, wobei der Wert des Überlaststromes deutlich niedriger ist. Hinweise zur Anlagenplanung

Insbesondere sind der vom Hersteller des RCCB genannte Wert für den bedingten Bemessungskurzschlussstrom Inc und der Wert der Kurzschluss-Schutzeinrichtung (SCPD) bei der Anlagenplanung zu berücksichtigen. Wird im Fehlerfall der Wert eines prospektiven Kurzschlussstromes – z. B. Inc = 10 kA – im ungünstigsten Fall nicht überschritten und ist eine SCPD gemäß Herstellerangabe vorgeschaltet, so ist der RCCB bezüglich Kurzschluss geschützt. Weil RCCBs nicht zum betriebsmäßigen Schalten vorgesehen sind, spielen die Werte für das Bemessungsschaltvermögen Im und das Bemessungsfehlerschaltvermögen I∆m nur eine untergeordnete Rolle.

Es gilt zu beachten, dass eine vom Hersteller vorgegebene Vorsicherung zum Schutz bei Kurzschluss nicht gleichzeitig einen thermischen Schutz des RCCB bei Überlaststrom gewährleistet. Hierzu sind ebenfalls die Angaben des Herstellers zu beachten. Der Wert für eine Überstrom-Schutzeinrichtung (OCPD) für den thermischen Schutz kann niedriger sein als der Wert der Kurzschluss-Schutzeinrichtung (SCPD). Der Schutz vor thermischer Überlastung eines RCCB muss zudem durch eine sorgfältige Planung der Verbraucherstromkreise mit entsprechenden Überlastschutzeinrichtungen (z. B. Leitungsschutzschalter) erfolgen.

PP18048
Artikel als PDF herunterladen

Sollte es Probleme mit dem Download geben oder sollten Links nicht funktionieren, wenden Sie sich bitte an kontakt@elektro.net

Über den Autor
Autorenbild
Günter Grünebast

Verantwortlich für Normung und Prüfung sowie stellvertretender Entwicklungsleiter bei der Firma Doepke Schaltgeräte, Norden.

Newsletter

Das Neueste von
elektro.net direkt in Ihren Posteingang!