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Expertenforum bei R. Stahl

Ex-Schutz global gesehen

Ex-Schutz
(Bild: R. Stahl)
Bild 1: Die Gegenüberstellung von elektrischen und mechanischen Geräten im Kontext der nationalen, EU-weiten und internationalen Normierung und Zertifizierung
Bild 1: Die Gegenüberstellung von elektrischen und mechanischen Geräten im Kontext der nationalen, EU-weiten und internationalen Normierung und Zertifizierung

(Bild: O. Walch)

Man könnte ja eigentlich denken, dass überall auf der Welt eine Explosion gleich abläuft, und es deshalb wohl kaum schwierig sein dürfte, den Vorgang sowohl fachlich als auch normativ unter einen Hut zu bekommen. Dem ist – man ahnt es schon – leider nicht so. Daher ist es für Fachleute umso wichtiger, wissensmäßig auf der Höhe der Zeit zu sein.

Das Unternehmen R. Stahl mit Sitz im baden-württembergischen Waldenburg ist seit knapp einem Jahrhundert im Bereich der Sicherheitstechnik für explosionsgefährdete Bereiche tätig. Das Portfolio bietet Produkte zum Automatisieren, Steuern und Verteilen, Installieren, Bedienen und Beobachten, Beleuchten sowie Signalisieren und Alarmieren. Kundenspezifische explosionsgeschützte Systemlösungen stehen zunehmend im Mittelpunkt des Leistungsspektrums des Unternehmens und man legt Wert auf die Feststellung, dass internationale Zertifizierungen und Zulassungen den weltweiten Einsatz der Produkte ermöglichen. Dementsprechend lag einer der Schwerpunkte der Veranstaltung auch auf dem Zusammenspiel der weltweiten Zusammenarbeit von Normungsgremien und Zertifizierungsanbietern.

Normung im Explosionsschutz

So konnte Otto Walch, Mitglied in mehreren nationalen wie internationalen Normengremien und Mitarbeiter von R. Stahl in der Abteilung »Internationale Standardisierung« gleich zu Beginn einen guten Überblick vermitteln, was die internationalen Zusammenhänge betrifft. In seinem Vortrag, der ursprünglich aus der Feder von Dr. Martin Thedens von der Physikalisch Technischen Bundesanstalt (PTB) stammt, ging Herr Walch zunächst auf die Unterschiede in der internationalen Normung von elektrischen und mechanischen Geräten ein (Bild 1). Die Internationale

Elektrotechnische Kommission (IEC) ist die weltweit führende Organisation für internationale Normen im Bereich der Elektrotechnik und Elektronik. Die Normenarbeit der IEC ist in über 150 Technische Komitees und Unterkomitees mit verschiedenen Themenschwerpunkten organisiert. Eines dieser Technischen Komitees ist das IEC TC 31, welches sich u. a. mit Geräten für explosionsgefährdete Bereiche, Betreiberaufgaben und Zoneneinteilung befasst. Aufgabe des TC 31 ist die Ausarbeitung und Aktualisierung der für den Explosionsschutz relevanten IEC-Normenreihen IEC 60079 (elek-trischer Explosionsschutz) und IEC 80079 (nichtelektrischer Explosionsschutz).

Auf der europäischen Ebene ist das CENELEC TC31 zuständig für die Normierung. Für Deutschland wiederum sind es die Gremien des DKE K241 und K235. Das K241 ist dabei zuständig für Schlagwetter- und explosionsgeschützte elektrische Betriebsmittel, während das K235 für das Errichten elektrischer Anlagen in Ex-Bereichen zuständig ist. Die nichtelektrischen Geräte sind unter der Schirmherrschaft des DIN in der Gruppe 095 zusammen­gefasst.
Auf der Homepage von R. Stahl gibt es ­eine Informationsseite www.r-stahl.com → Services und Seminare → Ex-Schutz-Wissen → IEC-Gremium und dessen Arbeit. Hier werden im Abschnitt »Normenarbeit des IEC TC31« die Normeninformationen immer nach den Meetings des Gremiums aktualisiert.

Aktuelle Praxis in den USA

Bild 2: Kennt sich aus bei den Amerikanern – Wolfgang Berner erläutert den Anwesenden die Vorgehensweise bei einer Zertifizierung im Land der (un)begrenzten Möglichkeiten
Bild 2: Kennt sich aus bei den Amerikanern – Wolfgang Berner erläutert den Anwesenden die Vorgehensweise bei einer Zertifizierung im Land der (un)begrenzten Möglichkeiten

An den USA geht, was weltweiten Handel betrifft, kein Weg vorbei. Sie sind und bleiben aller Voraussicht nach, die weltgrößte Handelsmacht. Deswegen ist es unerlässlich, sich mit den dort vorhandenen Vor­gehensweisen auseinanderzusetzen. In seinem Vortrag sprach Wolfgang Berner (Bild 2) – Vice President Business Unit Installation & Control bei R. Stahl – zunächst die generellen Unterschiede zwischen USA und Europa an. Hier gibt es eine breite Palette an Differenzen, die zwischen den einzelnen Ländern/Kontinenten bewältigt werden müssen. So sind die Rechtsgrundlagen in Amerika ein Mix aus nationalen Gesetzen, Brandvorschriften (»Fire Codes«), elektrischen Richtlinien und Produktstandards.

Die Einhaltung der Normen und Richtlinien werden für elektrische Geräte vor der ersten Inbetriebnahme von den sogenannten »AHJ« (Authority Having Jurisdiction) überwacht. Nur wenn die Betriebserlaubnis eines AHJ vorliegt, darf eine Maschine oder Anlage in Betrieb genommen werden.

Zusätzlich gibt es die OSHA (Occupational Safety and Health Administration), die eine Behörde des US-Arbeitsministeriums ist, und deren Anforderungen die Arbeitgeber erfüllen müssen. Im Gegensatz zu Europa (z. B. Maschinenrichtlinie, EMV-Richtlinie…) gibt es keine rechtlich verbind­lichen Sicherheitsvorschriften zum Inverkehrbringen von Maschinen und Produkten. Es obliegt dem Käufer, die Einhaltung der OSHA-Normen einzufordern.

Für Maschinen und elektrische Betriebsmittel fordert die OSHA, dass folgende Standards (»Subparts«) erfüllt sein müssen:

  • 29 CFR 1910 Subpart O »Machinery and Machine Guarding«
  • 29 CFR 1910 Subpart S »Electrical«.

Im Kern müssen schließlich elektrische ­Betriebsmittel und deren Verdrahtung in Ex-Bereichen der Section 1910.307 im »Subpart S« entsprechen.

Parallel zu den OSHA-Subparts definiert auch der NFPA 70 oder NEC (National Electrical Code) bestimmte Anforderungen an elektrische Betriebsmittel. Im Bereich des NEC erfolgt die Einteilung der Ex-Bereiche in Divisions und Zonen über die sog. »Articles« 500…506 sowie 510.

Historisch gesehen gab es zunächst nur das Divisions-System. 1996 wurde das ­Zonen-System für gasexplosionsgefährdete Bereiche in den NEC aufgenommen. Neue Anlagen und Installationen können entweder nach dem Divisions- oder dem Zonen-System klassifiziert werden, ­wobei das ­Zonen-System nur selten angewendet wird.

Fragen an den Experten

Bild 3: Mann mit viel Erfahrung und Know-how im Ex-Schutz – Prof. Dr. Thorsten Arnhold während des Interviews
Bild 3: Mann mit viel Erfahrung und Know-how im Ex-Schutz – Prof. Dr. Thorsten Arnhold während des Interviews

Prof. Dr. Thorsten Arnhold (Bild 3) – seit 2014 Mitglied des IEC Board of Conformity Assessment und Vice President Technology bei R. Stahl – war während der Tagung ein gefragter Mann: Er moderierte die Veranstaltung und hielt gleich mehrere Vorträge, darunter z. B. »Aktuelles zum Stand des IECEx-Systems«. Wir trafen uns am Rande der Veranstaltung zu einem Gespräch.

»ema«: Herr Dr. Arnhold, bitte beschreiben Sie unseren Lesern die Arbeit der IECEx. Wer profitiert davon?

Dr. Arnhold: Die IECEx ist eine internationale Organisation unter dem Dach der IEC, die es seit 1996 gibt. Man hatte sich damals Gedanken gemacht, dass das, was europaweit im Stil der ATEX funktioniert, ja auch weltweit praktikabel sein müsste. So trafen sich Experten 1996 in London, gründeten eine Working Group und entwickelten nach und nach das IECEx-System. Anfangs nur mit der Absicht, ein reines Geräte-Zertifikat einzuführen, im Sinne von explosionsgeschütztem Equipment. 2001 begann man mit der Ausgabe der ersten Zertifikate.

Richtig Schwung nahm die ganze Sache auf, als man begann, eine Online-Datenbank zu veröffentlichen, was tatsächlich ein richtiges Alleinstellungsmerkmal ist. Hier können Nutzer sich sämtliche Zertifikate rund um die Uhr anschauen und herunterladen, was es weder bei NEC oder ATEX gibt. Bei IECEx gibt es ein Sekretariat in Sydney, wo sechs Mitarbeiter das System betreuen und dafür sorgen, dass die Regeln aktualisiert und überwacht werden.

Inzwischen ist es so, dass es fünf Länder gibt, die das IECEx-Zertifikat direkt anerkennen, abgesehen von Australien sind das auch Singapur und Indien. Des Weiteren gibt es eine Vielzahl von Ländern wie Malaysia, die das Zertifikat anerkennen, weil sie keine eigene Zertifizierungsstelle haben. Diese Länder orientierten sich im Übrigen vor einigen Jahren noch an der ATEX, mussten aber feststellen, dass sie dort nichts beeinflussen können. Bei IECEx haben diese Länder ganz andere Möglichkeiten, können sich während des Zertifizierens mit einbringen und deswegen denke ich, hat die IECEx wohl weltweit die meisten Zertifikate ausgegeben.

»ema«: Was ist aus Ihrer Sicht die größte Hürde, um alle Belange zu berücksichtigen?

Dr. Arnhold: Es ist ja so, dass die nationalen Zertifizierungsstellen zum größten Teil von der Ausstellung nationaler Zertifikate leben. Deswegen sind die nicht unbedingt bereit, eine völlige Vereinfachung und Harmonisierung der Regeln zu akzeptieren.

Wir haben ja ganz aktuell den Brexit. Nach dem Austritt sind die Briten nicht mehr in der Lage, sog. »notified bodies« zu stellen. Das hat man auf der Seite der Briten zwar geschickt umgangen, indem die Zertifikate von Finnland aus weitergeführt werden, aber die Briten benötigen dennoch eine neue nationale Regelung.

Das war der beste Zeitpunkt ihnen anzubieten, dass sie automatisch IECEx anerkennen, was aber für die Briten gar nicht Frage kam, weil man den sechs inländischen Prüfstellen die komplette Geschäftsgrundlage entziehen würde. Im Gegenteil: ich denke eher, dass man dort froh darüber ist, in Zukunft wieder die eigenen nationalen Zertifikate ausstellen zu können. Das ist aus meiner Sicht zurzeit das größte Hindernis.

Dazu kommt die Ankündigung aus China, dass man dort die CCC-Richtlinie auch auf explosionsgeschützte Produkte ausweiten möchte. Seit Monaten ist man auf Seiten der IECEx schon dabei herauszufinden, was das konkret heißt. In einem kürzlich stattgefundenen Gespräch teilte man uns mit, dass in Zukunft zwar die Testberichte der Typtests anerkannt werden, aber man will eigene ­Auditoren zu den Herstellern schicken.

Von unserer Seite aus wollen wir das damit aber nicht auf sich beruhen lassen und teilten den Chinesen auch mit, dass sie damit klar gegen die IECEx-Regeln verstoßen. ­

Bei der Generalversammlung in Shanghai soll das Thema aber nochmals aufgegriffen werden.

»ema«: Herr Dr. Arnhold, wir danken für das Gespräch.

Über den Autor
Autorenbild
Marcel Diehl

Redaktion »de«

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Waldenburg
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