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Im Gespräch mit einem Hersteller

Normen zum Blitz- und Überspannungsschutz

Helmut Pusch
Geschäftsführer Vertrieb, 
Dehn + Söhne, Neumarkt
Helmut Pusch Geschäftsführer Vertrieb, Dehn + Söhne, Neumarkt
Die Überarbeitung der Normen hat dazu geführt, dass Überspannungsschutz nun in mehr Anwendungen als bisher vorgeschrieben ist. So erstrecken sich die Normen nun u. a. auf den privaten Wohnungsbau. Auch hier ist Überspannungsschutz jetzt vorgeschrieben, um dort vorhandene elektronische Geräte zu schützen. Über die Anwendungsbereiche des überarbeiteten Normenduos und weitere Aspekte sprachen wir mit Helmut Pusch, Geschäftsführer Vertrieb, und Michael Weißflog, Vertriebsleiter Deutschland, beide Dehn + Söhne, Neumarkt.

»de«: Die aktuellen Vorschriften DIN VDE 0100-443 und -534 schreiben den Überspannungsschutz auch für Gebäude vor. Hat das zu einer Belebung des Markts geführt?

H. Pusch: Unabhängig von der Normen­situation konnten wir in den vergangenen Jahren ein stetes Wachstum verzeichnen, aber natürlich führte die Aktualisierung der von Ihnen angesprochenen Normen zu einem zusätzlichen Umsatzplus – vor allem, weil nun neue Anwendungsbereiche für den Überspannungsschutz hinzugekommen sind.
Michael Weißflog
Prokurist und Vertriebsleiter Deutschland, Dehn + Söhne, Neumarkt
Michael Weißflog Prokurist und Vertriebsleiter Deutschland, Dehn + Söhne, Neumarkt
M. Weißflog: Auch in den Vorgängerversionen der DIN VDE 0100-443 und -534 war der Überspannungsschutz für Privatgebäude bereits erwähnt, allerdings noch nicht verpflichtend vorgeschrieben. Insofern ist dies keine gänzlich neue Situation. Normativ vorgeschrieben ist der Überspannungsschutz nun für Gebäude, in denen Geräte der Schutzklassen I und II betrieben werden – und die finden Sie heute in jedem Haushalt.

»de«: Maßgeblicher Treiber dieser Normen war angesichts einer Schadenssumme von ca. 340 Mio. € im Jahr die Versicherungswirtschaft. Doch ist der nun normativ geregelte Überspannungsschutz überhaupt ein Thema für die Normen der 0100er Reihe? Diese befassen sich bisher mit elektrischer Sicherheit, nicht mit Geräteschäden.

H. Pusch: Natürlich hat die Versicherungswirtschaft ein Interesse daran, die Schadenssummen zu begrenzen. Doch ein durch ein Überspannungsereignis zerstörtes Gerät kann dadurch auch in Brand geraten und somit Folgeschäden verursachen, insofern hat das schon auch mit dem Thema Sicherheit bzw. Schutz von Menschen und Sachwerten zu tun. Lassen Sie mich eine Gegenfrage stellen: Wieso sollte ein bestimmtes Schutzziel im Gewerbebau Pflicht sein, im Privatbau aber nicht?

»de«: Gibt es Vereinbarungen mit Sachversicherern, dass sich der Einbau eines Überspannungsschutzes auf die Prämienhöhe auswirkt?

M. Weißflog: So etwas ist mir Stand heute nicht bekannt, es wäre aber durchaus vorstellbar, sofern sich ein Versicherungs­anbieter davon einen Wettbewerbsvorteil im Markt verspricht. Andersherum könnte ein Versicherer aber in Zukunft durchaus die Regulierung eines Überspannungs­schadens ablehnen, sofern der Verbraucher im Neubau keinen Überspannungsschutz installiert hat.
: Helmut Pusch: »Wieso sollte ein bestimmtes Schutzziel im Gewerbebau Pflicht sein, im Privatbau aber nicht?«
: Helmut Pusch: »Wieso sollte ein bestimmtes Schutzziel im Gewerbebau Pflicht sein, im Privatbau aber nicht?«
»de«: Könnte der Bauherr den Elektrohandwerker in Regress nehmen, falls er nicht dokumentieren kann, dass der Kunde keinen Überspannungsschutz wollte?

H. Pusch: Diesen haftungsrechtlichen Aspekt sehe ich durchaus: Der Elektrohandwerker muss nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik installieren, sollte also in Zukunft generell Überspannungsschutz anbieten. Da dieser nun normativ verpflichtend ist, muss ein Wettbewerbsbetrieb dies auch so handhaben – es entsteht also kein Nachteil. Aus meiner Sicht hat die verpflichtende Vorschrift zu einer Vereinfachung geführt: Zuvor mussten Sie im Prinzip von Fall zu Fall entscheiden, ob Überspannungsschutz vorzusehen ist oder nicht – nun ist die Sachlage eindeutig.

»de«: Sie bieten einen neuen Kombiableiter Typ I + II »Dehnshield ZP Basic« für den Vorzählerbereich an. Wie signalisieren die Geräte ein Auslösung oder Zerstörung?

H. Pusch: Unsere Geräte sind so dimensioniert, dass sie die Anforderungen der Produktnorm übersteigen. Wir setzen im Gegensatz zu manch anderem Anbieter auf die Funkenstreckentechnologie, die in dem Sinne nicht altert. Die Geräte können mehrere Überspannungsereignisse überstehen und funktionieren immer noch einwandfrei, daher haben sie keine Anzeige, aber eine Prüftaste. Wir sagen, dass unsere Geräte im Prinzip so lange halten wie das Gebäude, in dem sie installiert wurden.

»de«: Erfüllen diese Geräte den Schutz der Blitzschutzklassen III und IV?

H. Pusch: Diese Frage stellt sich nicht: Da die Geräte »Dehnshield Basic« ausschließlich für Gebäude ohne äußeren Blitzschutz geeignet sind, müssen sie auch keine Blitzschutzklassen erfüllen.
Michael Weissflog: »Vorgeschrieben ist der Überspannungsschutz für alle Gebäude mit Geräten der Schutzklassen I und II«
Michael Weissflog: »Vorgeschrieben ist der Überspannungsschutz für alle Gebäude mit Geräten der Schutzklassen I und II«
M. Weißflog: Der Kombi-Ableiter für das 40-mm-Sammelschienensystem ist speziell für Wohngebäude ohne äußeren Blitzschutz geeignet. Die verwendete Funkenstreckentechnologie ermöglicht den Einsatz im Vorzählerbereich und erfüllt lückenlos die VDN-Richtline sowie alle Anforderungen der neuen DIN VDE 0100-534. Außerdem wird durch das entsprechende Blitzstromableitvermögen die normative Forderung zum Einbau des Typ 1-Ableiters bei Freileitungseinspeisungen erfüllt. Der Ableiter mit koordinierter Schutzwirkung entsprechend Typ 1 + Typ 2 + Typ 3 bietet auch Endgeräteschutz. Das ZP in der Typbezeichnung des Kombi­ableiters weist übrigens auf den Einbauort in der Nähe des Zählerplatzes, was ja in den Normen so gefordert wird.

»de«: Auf welche Wellenform bezieht sich die Angabe 7,5 kA bzw. 12,5 kA?

H. Pusch: Hierbei handelt es sich um die genormte Impulsform des zeitlichen Blitzstromverlaufes 10/350 μs. Bei der Annahme, dass der Blitz nicht direkt in das Gebäude einschlägt – d. h. bei Gebäuden ohne äußeren Biltzschutz, aber mit Freileitungsanschluss – reicht eine Blitzstromtragfähigkeit von 7,5 kA (10/350 µs) aus. Die Überspannungsschutzgeräte der Gerätefamilie »Dehnshield Basic« sind dabei sowohl in Gebäuden mit Freileitungsanschluss als auch mit Erdkabeleinspeisung universell einsetzbar. Bei Gebäuden mit äußerem Blitzschutz wird jedoch mindestens 12,5 kA (10/350 µs) Blitzstoßstromtragfähigkeit pro Ableiterpol benötigt und auch dies wird durch die Gerätefamilie »Dehnshield« erfüllt.

»de«: Bei dem hier diskutierten Normenduo fällt auf, dass nur der energietechnische Teil abgebildet ist. Wie verhlt es sich mit dem informationstechnische Teil?

M. Weißflog: Hier stoßen wir in der Tat an die Grenzen von Normen. Das ist auch nachvollziehbar, denn jede Norm hat ihren definierten Einflussbereich. Bei den Normen DIN VDE 0100-443 und DIN VDE 0100-534 reden wir vom Einsatzbereich in der Niederspannungsanlage. Hier reden wir nicht vom Schutz von Anlagen zum Beispiel für Internet und Telefon. Dafür gibt es spezielle Normen, auf die es aber entsprechende Querverweise in dem hier betrachteten Normenduo gibt.

H. Pusch: Wir als Hersteller beschäftigen uns schon seit vielen Jahren mit diesem Problem, dass der Handwerker natürlich sämtliche Informationen braucht, um Anlagen ganzheitlich zu schützen. Diese Informationen bieten wir z. B. in Form von kostenlosen Broschüren oder auch Seminaren für die Anwender an. Wir haben eine ganze Reihe von Schutzkonzepten erarbeitet, in denen sowohl energietechnische als auch informations- und telekommunikationsrelevante Aspekte eingeflossen sind.

»de«: Ein Planer oder ein Handwerker kann seinem Kunden aber wohl nicht immer solche Unterscheidungen in Anlagen für die Niederspannung oder solche für Internet und Telefon plausibel machen. Wie kann er da denn besser vorgehen?

H. Pusch: Der Kunde benötigt am Ende natürlich ein ganzheitliches Konzept für den Schutz seiner gesamten Anlage gegen Blitzeinschläge und Überspannungen. Hierbei unterscheiden wir als Hersteller auch ganz transparent im Sinne eines Schutzkonzeptes, welche Maßnahmen normativ gefordert sind und welche darüber hinausgehende Maßnahmen von uns zusätzlich empfohlen werden. Hierzu ist es notwendig, mit dem Kunden sehr sorgfältig das für ihn benötigte Schutzziel zu erarbeiten. Nur so kann er erkennen, dass das normativ geforderte Paket an Maßnahmen mitunter nicht ausreicht, sein Schutzziel zu erreichen. Auf dieser Basis kann er dann bewusst und frei seine Entscheidung hinsichtlich der Investition treffen.

»de«: Vielen Dank für das Gespräch!
Über die Autoren
Autorenbild
Dipl.-Ing. Andreas Stöcklhuber

Redaktion »de«

Michael Muschong
Dipl.-Ing. (FH) Michael Muschong

Redakteur der Fachzeitschrift »de«

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